Der Taktgeber der Niederlande, Wesley Sneijder, fiebert dem Halbfinale gegen Uruguay entgegen und spricht von einmaliger Chance.
Kapstadt. Er rannte zum Notausgang. Den dürfen auch Stars nur bei Feuer oder Panik benutzen, aber das war ihm egal. Wesley Sneijder wollte nur raus aus dem Stadion Hampden Park in Glasgow. Die Niederlande hatten gewonnen, 1:0 in der WM-Qualifikation gegen Schottland. Der 26 Jahre alte Nationalspieler ärgerte sich aber so über seine Auswechslung, dass er sich nicht einmal von seinem Trainer Bert van Marwijk verabschiedete. Ein ganz riskantes Manöver. Damals, im September 2009. Wie so etwas enden kann, weiß in Deutschland seit dem Fall Kevin Kuranyi jeder Fan: Bundestrainer Joachim Löw verbannte den Stürmer nach seiner Flucht beim Spiel gegen Russland 2008 aus dem Kader. Er verfolgt die WM als Zuschauer am Fernseher. Sneijder dagegen ist einer der besten Spieler des Turniers.
Heute (20.30 Uhr/ZDF) trifft er mit seinem Team im Halbfinale in Kapstadt auf Uruguay. "Diesem Spiel fiebern wir entgegen", sagt er. Vier Tore hat er bislang erzielt, dreimal in fünf Spielen wählten ihn die Fans zum "Spieler der Partie". Als Trophäe gab es vom Weltverband Fifa jeweils eine Holztrommel. "Mit denen kann ich fast eine Band gründen", sagt Sneijder und lacht. Er ist der Taktgeber der Mannschaft. Ihm gelingt derzeit alles. Beim 2:1 im Viertelfinale gegen Brasilien erzielte er sogar sein erstes Kopfballtor. Weil er nur 1,70 Meter misst, nennen die Niederländer ihn in Anlehnung an seinen Geburtsort "den kleinen Prinz von Utrecht". Ein herrliches Gefühl sei das beim Tor gewesen, "der Ball ist über meinen kahlen Kopf hinweggeglitten". Sein Mitspieler Nigel de Jong sagte, er habe Sneijder noch nie zuvor köpfen sehen.
Dass er für die Niederländer dennoch unverzichtbar geworden ist, überrascht. Große Turniere und Sneijder, das war bislang wie weiße Tennissocken und Sandalen: Es passte nicht zusammen. Bei der WM 2006 in Deutschland enttäuschte er im Achtelfinale gegen Portugal (0:1), bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz im Viertelfinale gegen Russland (1:3 n. V.). Auch in Südafrika blieb er im ersten Spiel gegen Dänemark (2:0) hinter den Erwartungen zurück, es gab schon Kritik aus der Heimat. Viele Fans meinen, er ist provokant. Und haben nicht vergessen, dass er Ronald Koeman, einst Nationalspieler und Trainer von Ajax Amsterdam, mal den Mittelfinger zeigte. Doch dann kam der Durchbruch.
Sneijder spürt das Vertrauen van Marwijks, er darf ihn auch nachts anrufen. Den unrühmlichen Abgang in Glasgow hat er ihm verziehen. "Ich hätte vielleicht dasselbe getan", sagt der Trainer. Sein Rückhalt und der Mannschaftsgeist geben Sneijder Halt. Er habe die Fähigkeit, lobt HSV-Verteidiger Joris Mathijsen, ein Spiel entscheiden zu können. Rafael van der Vaart meint augenzwinkernd, weil Sneijder einen Computer im Kopf habe. Der Gelobte selbst hat eine einfachere Erklärung für seine starken Leistungen: "Ich bin in der Form meines Lebens."
Einige Beweise, dass er recht hat: 258 Pässe bei dieser WM , 71 Prozent kamen an. Gute Freistöße. 20 Schüsse auf das Tor, mal mit links, mal mit rechts. "Ich weiß immer noch nicht, warum Real den hat ziehen lassen", sagt Jose Mourinho, Trainer von Sneijders Klub Inter Mailand. Vor drei Jahren verpflichtete Real Madrid den Mittelfeldspieler für 27 Millionen Euro von Ajax Amsterdam. Er wurde dort nicht glücklich, hatte auch private Probleme. In Mailand lief es wieder besser. Mit Inter gewann Sneijder in der vergangenen Saison die Meisterschaft, den italienischen Pokal und die Champions League.
Und er hat eine neue Partnerin, die niederländische Schauspielerin und Moderatorin Yolanthe Cabau van Kasbergen. Die Leser eines Männermagazins wählten die 25-Jährige kürzlich bereits zum dritten Mal zur attraktivsten Frau des Landes. Ein Glamourpaar. "Meine gute Form hängt mit ihr zusammen. Wenn dich privat etwas belastet, schleppst du es auch auf dem Spielfeld mit dir herum. Bei mir passt derzeit einfach alles zusammen", sagt Sneijder. Am 17. Juli wird er sie in Italien heiraten. Angeblich kostet die Party zwei Millionen Euro. 2010 ist Sneijders Jahr. Er will es feiern. Und mit dem Gewinn der WM zu einem perfekten Jahr machen. "Wir haben eine einmalige Chance", sagt er, "und wir sollten sie nutzen."
Uruguay: Muslera - Maxi Pereira, Victorino, Lugano (Godin), Caceres - Perez, Arevalo, Gargano, Alvaro Pereira - Forlan, Cavani.
Niederlande: Stekelenburg - Boulahrouz, Heitinga, Mathijsen, van Bronckhorst - van Bommel, de Zeeuw - Robben, Sneijder, Kuyt - van Persie.
Schiedsrichter: Irmatow (Usbekistan).