Lesen Sie hier, wie Bundestrainer Joachim Löw seine Mannschaft auf das Viertelfinale gegen Argentinien eingestellt hat und ob Lukas Podolski spielen kann.
Kapstadt. So viel Zeit musste sein. Am Tag vor dem WM-Viertelfinalspiel gegen Argentinien an diesem Sonnabend (16 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) beließ es Joachim Löw bei einer Trainingseinheit im Green-Point-Stadion um 17.30 Uhr. Den freien Vormittag nutzten Spieler und Betreuer zu einem Ausflug auf die Gefängnisinsel Robben Island, wo Nelson Mandela 28 Jahre ausharren musste. Ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig es dem Bundestrainer während dieser WM ist, dass seine Mannschaft nicht nur den Sport im Blick hat, sondern sich auch für das Gastgeberland interessiert und Deutschland gut vertritt.
Wer der beste Repräsentant des DFB in Südafrika ist, daran besteht kein Zweifel: Löw selbst. Bei der internationalen Pressekonferenz am Mittag zeigte der 50-Jährige wieder einmal, wie geschickt er jeder verbalen Falltür ausweichen kann. "Bei uns herrscht Meinungsfreiheit", kommentierte Löw die von Bastian Schweinsteiger initiierten Scharmützel. "Aber wenn Sie mich fragen: Dass die Argentinier sehr leidenschaftlich, emotional, körperbetont und einsatzfreudig spielen, entspricht ihrer Mentalität. Darauf müssen wir uns einstellen. Aber das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun."
Obwohl Löw im Laufe der WM-Vorbereitung und des Turniers sichtlich schmaler im Gesicht geworden ist, lebt er gerade jetzt den Spielern den richtigen Mix aus Lockerheit und unbedingtem Siegeswillen vor. Mit gezielten Maßnahmen wie dem Vorspielen von Videos, die deutsche Fans beim Jubeln zeigen, versucht er einerseits, die ohnehin schon große Motivation noch zu erhöhen. Auf der anderen Seite muss er versuchen, "die emotionale Erregtheit" (Löw) vor diesem Alles-oder-Nichts-Spiel in den richtigen Bahnen zu halten, damit die Spieler nicht blockieren.
Deutschland gegen Argentinien, das ist für Löw eines dieser Spiele, die er liebt, ein Genuss für seine fußballerischen Sinne. Auf diesem internationalen Niveau entscheiden Kleinigkeiten über Triumph oder Tragödie. Sich fast pedantisch um jedes noch so kleine Detail zu kümmern, damit der Erfolg gegen den zweimaligen Weltmeister wahrscheinlicher wird, das zeichnet diesen Bundestrainer aus. Kein Wunder, dass er von einem Drehbuch sprach, das er im Kopf hatte, mit genauen Regieanweisungen für die Art, wie seine Mannschaft Fußball zelebrieren solle - und nicht nur arbeiten.
"Ich liebe diese Spiele", sagt Löw erwartungsvoll. Er nimmt die Herausforderung vor diesem Duell an, das wieder die Nation elektrisiert und das wie schon im Achtelfinale gegen England vom Aufeinandertreffen des jugendlichen Elans gegen die Reife und internationale Klasse gekennzeichnet ist.
Löw weiß genau, dass es gegen die Mannschaft von Diego Maradona unangebracht wäre, ungestüm nach vorne zu rennen. Deshalb waren seine Ausführungen am Freitagmittag von Worten wie "Disziplin und Ordnung" oder "Fehlerminimierung" gekennzeichnet. Ein leichtsinniges Stürmen hätte auch katastrophale Folgen bei der Offensivstärke der Argentinier, die für Löw der Favorit auf den Gewinn des WM-Titels sind. "Bei uns darf auch offensiv niemand herumrennen, wie es ihm gerade beliebt", stellte Löw klar, "sie haben sich innerhalb eines Korsetts zu entfalten." In der Rückwärtsbewegung gelte es vor allem, schnell "hinter den Ball" zu kommen und keine Räume zu bieten. Womöglich wird es mehr "Rasenschach" geben, als viele erwarten.
Ob Löw exakt die Elf vom 4:1-Erfolg vom England-Spiel wieder aufbieten kann, war bis Freitagabend noch fraglich. Weil Lukas Podolski noch immer eine Muskelverhärtung plagte, geriet die abschließende Einheit zum Härtetest. Doch der Kölner konnte alle Übungen mit machen.. Sollten die Beschwerden jedoch am Spieltag erneut auftreten, nannte Löw Marcell Jansen, Marko Marin und Toni Kroos als mögliche Alternativen, wobei der HSV-Profi wohl die besten Einsatzchancen hätte.
Löw hat alles getan, um die ruhmreiche Geschichte der deutschen Nationalelf mit einem weiteren Klassiker zu bereichern. Wenn seine Spieler nur annähernd an die Topform ihres Trainers heranreichen, ist ein Sieg möglich. "Ich habe das feste Gefühl, dass es noch weitergehen kann", sagte Löw. "Diese Mannschaft spielt nicht nur miteinander. Sondern füreinander."
Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen:
ARGENTINIEN:
22 Romero/AZ Alkmaar (23 Jahre/10 Länderspiele/0 Tore) - 15 Otamendi/Velez Sarsfield (22/9/0), 2 Demichels/Bayern München (29/29/2), 4 Burdisso/AS Rom (29/33/2), 6 Heinze/Olympique Marseille (32/67/3) - 8 Veron/Estuadiantes del al Plata (35/73/9), 14 Mascherano/FC Liverpool (26/60/2), 17 Gutierrez/Newcastle United (26/19/1), 10 Messi/FC Barcelona (23/49/13) - 9 Higuain/Real Madrid (22/8/6), 11 Tevez/Manchester City (26/57/10). - Trainer: Maradona
DEUTSCHLAND: 1 Neuer/Schalke 04 (24/9/0 Tore) - 16 Lahm/Bayern München (26/69/4), 17 Mertesacker/Werder Bremen (25/66/1), 3 Friedrich/Hertha BSC Berlin (31/76/0), 20 Boateng/Manchester City (21/7/0) - 6 Khedira/VfB Stuttgart (23/9/0), 7 Schweinsteiger/Bayern München (25/77/21) - 13 Müller/Bayern München (20/6/3), 8 Özil/Werder Bremen (21/14/2), 10 Podolski/1. FC Köln (25/77/40) oder 18 Kroos/Bayern München (20/5/0) - 11 Klose/Bayern München (32/99/50). - Trainer: Löw
Schiedsrichter: Rawschan Irmatow (Usbekistan)