Die U 21-Nationalmannschaft startet heute mit dem Vorrundenspiel gegen Spanien in die EM. Trainer Horst Hrubesch schielt nach dem Titel - nur einen echten Torjäger hat er nicht.

Göteborg. Für einen Experten wie Junioren-Bundestrainer Horst Hrubesch bietet das weite Land um Göteborg alles: Zander, Hecht, Forelle - und die Binnenlachssaison ist im vollen Gange. Die Stimme von Hrubesch wird auch schlagartig weich, als das Gespräch vom Fußball zu den Fischen im Västra Götaland wechselt. "Aber, ach, die Angel ist schon seit Jahren ganz weit weg von mir", sagt Hrubesch, Koautor des 1980 erschienenen Bestsellers "Dorschangeln vom Boot und an den Küsten". Man habe als Trainer doch so wenig Zeit.

Er sitzt im Hotel im Städtchen Lerum nahe Göteborg, ohne Angel zwischen Aspen- und Mjörnsee, und nur die Begeisterung klingt verblüffend ähnlich, ob die Fachleute über die südwestschwedischen Gewässer reden ("Absoluter Geheimtipp" und "einmalige Möglichkeiten") oder Hrubesch seine Auswahl beschreibt, die an diesem Montag in Göteborg mit dem Vorrundenspiel gegen Spanien (20.45 Uhr, live im ZDF) die Europameisterschaft der Klasse Unter 21 Jahren beginnt. "Ich finde schon, dass meine Spieler ruhig vom Titelgewinn reden können", sagt Hrubesch. "Wir können hier jedem Gegner in die Augen schauen." Spanien und vor allem Serbien mit Manchester Uniteds Zoran Tosic und Hertha Berlins Gojko Kacar sind die Favoriten, zu denen ansonsten alle aufblicken.

Noch nie gewann eine deutsche Elf die EM dieser Altersstufe. Doch nachdem die Deutschen jüngst sowohl bei der EM der U-17 wie der U-19 triumphierten, soll die U-21 in Schweden ein bislang nur geflüstertes Gefühl bestätigen: Die Deutschen, bis Ende der Neunziger in der Jugendarbeit heillos verfangen in veralteten Ideen und Selbstgefälligkeit, gehören nach einem Kraftakt von Bundesligaklubs und DFB ein Jahrzehnt später zu den fruchtbarsten Ausbildern. "Da geht was voran, da ist sehr viel Schwung drin", beobachtet von außen der neue Technische Direktor des Schweizer Verbandes, der ehemalige St.-Pauli-Profi Peter Knäbel (einst auch VfL Bochum), selbst ein Deutscher, auch wenn es sein Schweizer Akzent nach sechs Jahre als Jugendchef des FC Basel kaum noch verrät. In manchem Bereich wie zum Beispiel im Athletiktraining der Jungen "setzten die Deutschen sogar einen richtigen Trend", sagt Knäbel. "Und wenn ich daran denke, wie lange Deutschland brauchte, um sich vom Libero loszusagen, ging dieser Wandel doch ziemlich schnell."

Die Schwedenexpedition von Hrubesch umfasst so viele ansehnliche Talente wie schon lange keine deutsche Juniorenelf mehr, darunter in Manuel Neuer, Andreas Beck, Gonzalo Castro, Mesut Özil und Marko Marin fünf erprobte sowie in Kapitän Sami Khedira einen baldigen A-Nationalspieler. Doch ist es weniger eine einzigartige als die erste normale Generation: Als das deutsche Jugendtraining mit Vehemenz entstaubt wurde, waren sie zwölf, 13 Jahre alt; sie waren die Ersten, die von der Erneuerung voll profitierten. Sie sind die gerettete Generation. Die Jahrgänge nach ihnen werden mehr oder weniger ähnliche Begabungen hervorbringen.

Bloß hat auch der tollste Jahrgang seine Macken, wie Trainer Horst Hrubesch gerade erfährt: Klassespieler für das zentrale Mittelfeld hat er zum Verschenken viele - aber einen einzigen auffälligen Mittelstürmer, einen echten Torjäger gibt es nicht. "Ich hätte doch auch gerne einen Mario Gomez, aber sagen Sie mir einen! Na los, geben Sie mir einen Stürmer, der danach schreit, dabei zu sein!", sagt Hrubesch ein klein wenig erregt. Er hatte den sachlichen Hinweis, er lasse defensiv spielen, er werde also zwangsläufig ein Spielsystem mit nur einem Angreifer wählen, offenbar als Kritik missverstanden.

So ist in dieser Elf voller Talente im Überfluss ein gewöhnlicher Zweitliga-Spieler der seltenste Schatz: Sandro Wagner vom MSV Duisburg, 1,94 Meter groß, ist der Einzige im Aufgebot, der einem klassischen Mittelstürmer nahekommt. "Ich hoffe, er steht das auf diesem Niveau", sagt Hrubesch. Vor 30 Jahren war er selbst ein Mittelstürmer wie gemeißelt, bei der EM 1980 erzielte er beide Tore zum 2:1-Finalsieg über Belgien. Die Junioren-EM in Südwestschweden bringt ihn zu einigen seiner loyalsten Fans zurück. "Das war ja ein Volltreffer, damals 1980", sagt Horst Hrubesch mit berechtigtem Stolz, denn: Die schwedische Auflage von "Dorschangeln vom Boot und an den Küsten" war sofort restlos ausverkauft.