Hamburg. Die Sympathisanten der Freezers tun alles, um ihre Leidenschaft am Leben zu erhalten – und erfahren Unterstützung aus aller Welt.
Dem ersten Impuls folgte ein Denkprozess. Und dessen Ergebnis war, dass Christopher Schmee sein freies Wochenende opferte und am Sonnabendmorgen von Berlin nach Hamburg reiste. „Zuerst habe ich mich gefreut, dass die kleine, hässliche Schwester, die die Freezers für uns immer waren, endlich weg ist. Aber dann ist mir klar geworden, dass man als Familie zusammenhalten muss und dass uns das, was den Freezers gerade passiert ist, genauso passieren kann. Deshalb bin ich hier“, sagt der kräftige Mann mit der Dynamo-Gürteltasche, die ihn unverkennbar als Anhänger der Eisbären Berlin ausweist.
Weil er ein Zeichen setzen will, ist Schmee am Sonnabendnachmittag in Begleitung einiger Exil-Berliner, mit denen er den Fanclub „Eisbärensektion Nord“ unterhält, vor die Barclaycard Arena gekommen. Auch aus Nürnberg, Krefeld und Düsseldorf sind Menschen angereist. Um zu demonstrieren, dass Eishockeyfans zusammenstehen und nicht alles mit sich machen lassen. Und um zu unterstreichen, dass auch die ärgste Rivalität nicht bedeutet, dass man nicht auch mal gemeinsame Sache machen kann. „In den Farben getrennt, in der Sache vereint“ – dieses Transparent halten die Berliner hoch und erhalten dafür tosenden Applaus der 1500 anwesenden Freezers-Fans.
Leitartikel: Fans lieben die Hamburg Freezers
Bis zum vergangenen Mittwoch waren Hamburger und Berliner vor allem in gegenseitiger Abneigung vereint. Dann entschied die Anschutz Entertainment Group (AEG), die als Eigner sowohl Freezers als auch Eisbären in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) finanziert, für die Hamburger keine Lizenz für die Saison 2016/17 zu beantragen. Die Nachricht schockierte die Eishockeygemeinde, brachte aber gleichzeitig auch eine Welle der Solidarität in Gang, die alle Beteiligten überwältigt.
Kapitän Christoph Schubert, der sich an die Spitze der Bewegung gesetzt hat, ist seitdem in der Stadt unterwegs, um in Unternehmen und Politik für Unterstützung zu werben. 800.000 Euro beträgt die Lizenzgebühr, rund 2,5 Millionen müssten bis zum Dienstagmittag, wenn um 12 Uhr die Frist der DEL zur Beantragung der Spielberechtigung abläuft, eingeworben werden, um immerhin den jährlichen Verlust der AEG ausgleichen und den Eigner, so die vage Hoffnung, davon überzeugen zu können, für eine Übergangsphase von einer Saison im Boot zu bleiben.
Um ihren Beitrag zu leisten, haben die Sympathisanten der Freezers mit unglaublicher Energie und der Hilfe des ehemaligen Pressesprechers Christoph Wulf, der aktuell für den Einkaufszentrenentwickler ECE arbeitet und sein freies Wochenende opferte, eine Reihe an Soforthilfeprojekten angeschoben. Aus aller Welt gab es Solidaritätsadressen in den sozialen Netzwerken und Spenden. Der ehemalige Freezers-Verteidiger Duvie Westcott bot sogar an, in der kommenden Saison kostenlos in Hamburg zu spielen.
Mehr als 180.000 Euro gesammelt
Das wichtigste Element, für das sich auch Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste vom Uhlenhorster HC engagiert hatte, ist allerdings die Einrichtung einer Crowdfunding-Plattform. Seit Sonnabend, 15 Uhr, ist die Internetseite unter bit.ly/freezersretten freigeschaltet. Bis Sonntagabend um 22.07 Uhr hatten 1257 Unterstützer 181.101 Euro bereitgestellt.
Mehr als 10.000 davon werden bei der Demonstration vor der Heimspielstätte eingesammelt. Sportdirektor Stéphane Richer und Cheftrainer Serge Aubin verfolgen das Treiben, in ihren Gesichtern spiegelt sich die Hoffnungslosigkeit, die die Fans längst gegen Kampfeslust eingetauscht haben. Als Schubert vor die Masse tritt, empfangen ihn die Anhänger mit „Danke, Schuby, danke“-Sprechchören. „Für was? Ich hab doch noch nix“, ruft der Kapitän übers Mikrofon zurück. Doch natürlich wissen die Fans die beispiellose Aktion ihres Abwehrrecken zu schätzen. „Hammer, wie sich Schuby reinhaut“, sagt Lars Siemsen.
Dem langjährigen Fan gebührt allerdings ebenso großer Respekt. Als er am Mittwoch an seinem Arbeitsplatz als Disponent in einer Möbelspedition im Radio vom drohenden Aus seines Lieblingsclubs erfuhr, schaltete er sofort in den Kampfmodus. Mit sieben Mitstreitern organisierte er bereits am Abend eine Spontandemo, der sich 300 Fans anschlossen, danach widmete er sich der Planung der Sonnabend-Aktion. Dass sich an zehn weiteren Eishockeystandorten (Berlin, Nürnberg, Mannheim, Straubing, Köln, Düsseldorf, Iserlohn, Krefeld, München und Hannover) sowie bei anderen Sportarten – den Regensburger Fußballern oder Footballern in Kassel – Hunderte Fans zeitgleich solidarisch zeigten und für den Erhalt der Freezers demonstrierten, überwältigt die Anhänger.
„Am Mittwoch war ich völlig am Boden“
Die Fans wollen zudem ihren Beitrag zu einem tragfähigen, langfristigen Zukunftskonzept leisten. So möchte Sabine Hagen, die sich zur neuen Saison erstmals eine Dauerkarte bestellt hat, einen Förderverein gründen, der über Mitgliedsbeiträge eine jährliche Garantiesumme einbringen und zusätzlich die Geschäftsstelle entlasten könnte. Auf der Internetseite freezers-retter.jimdo.com sollen sich Interessierte zusammenfinden.
Im Fanshop gibt es 30 Prozent Rabatt auf alle Merchandisingartikel, der Gesamterlös kommt der Rettung zugute. Für eine Mindestspende von 150 Euro gibt es ein spezielles „Rettertrikot“. Und am Sonntag versammelten sich rund 150 Jugendspieler, um vor der Trainingshalle Volksbank-Arena für den Erhalt des Clubs zu demonstrieren. Auch der Fortbestand der Nachwuchsarbeit, die vom Freezers e. V. organisiert und finanziert wird, ist gefährdet.
„Am Mittwoch war ich völlig am Boden“, sagt Mandy Findeklee, die als Mitglied des Fanbeirats ebenfalls an der Organisation des Protests beteiligt ist. „Aber seit Schuby sich eingeschaltet hat, habe ich wieder Hoffnung und kämpfe. Wir werden alles geben, um die Rettung zu schaffen.“