Für den neutralen Formel-1-Fan hätte es nicht besser laufen können. Nur drei Punkte trennen jetzt Hamilton und Rosberg. Der von der Spitze verdrängte Rosberg verspricht bereits „volle Attacke“ fürs nächste Duell. Aber auch Hamilton ist entschlossener denn je.
Singapur. Im Kurzurlaub auf Thailand muss Nico Rosberg mit Ehefrau Vivian den „bittersten Tag“ in diesem Jahr erst noch verdauen. Ob beim Gruppenfoto mit dem Team, das ihn wie den Singapur-Sieger und neuen WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton mit großem Applaus empfing oder bei seiner traditionellen Video-Botschaft tief in der Nacht: Rosberg konnte und wollte die Enttäuschung über sein unverschuldetes Aus beim Nachtrennen nicht verhehlen. Immerhin konnte sich der 29 Jahre alte Deutsche aber noch zu einer kämpferischen Ansage für das kommende Formel-1-Rennen in Japan aufrappeln: „Ich muss das verarbeiten und dann volle Attacke in Suzuka.“
Rosberg muss im knallharten Duell um den WM-Titel mit seinem Mercedes-Teamkollegen Hamilton jetzt plötzlich Punkte aufholen. Zwar sind es nur drei Zähler, aber der Brite ist entschlossener denn je, diesen WM-Thriller in vermutlich 19 Kapiteln mit dem Finale in Abu Dhabi für sich zu entscheiden. „Wenn ich keine Rennen mehr in meinem ganzen Leben fahre, ist das okay. Aber diese kommenden fünf Rennen müssen es sein!“, sagte Hamilton.
Von der Führung will sich Hamilton nicht verführen lassen. Er wirkt nicht übermütig, aber überzeugt. Nach zwei Siegen in Serie von der Pole aus hat der 29 Jahre alte Weltmeister von 2008 dazu auch allen Grund. Er sei froh, in Bestform zu sein, meinte er. „An solchen Tagen zeigen Fahrer wie Lewis, was den Unterschied zwischen einem Star und einem Superstar ausmacht“, lobte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff den neuen WM-Spitzenreiter für seine Leistung in Singapur.
Zum zweiten Mal erst in dieser Saison musste Rosberg die Führung im Klassement abgeben. Das erste Mal war am 11. Mai nach Hamiltons Sieg in Spanien. Diesmal konnte der Deutsche dem Pole-Mann von Singapur erst gar nicht Paroli bieten. Ein defektes Kabel in der Lenksäule ließ ein neuerliches Asphalt-Duell der beiden Silberpfeile platzen. Auch zum Leidwesen von Hamilton: „Ich wollte diesen engen Kampf haben. Ich genieße die Intensität.“
So aber kam es einzig gegen Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel im Red Bull einmal zu einem packenden Überholmanöver. Ansonsten dominierte Hamilton bei seinem zweiten Sieg nacheinander und dem siebten in dieser Saison (im 14. Rennen!) praktisch nach Belieben. Mit Rosberg wäre das vermutlich nicht so relaxt für den nunmehr 29-maligen Grand-Prix-Gewinner gelaufen.
„Das Glück ist auf Lewis Hamiltons Seite. Der Mercedes lässt Nico Rosberg im Stich“, schrieb der britische „Telegraph“. „Nico Rosbergs türkise Handschuhe winkten aus dem Cockpit seines kränkelnden Mercedes ab. Und so, nach vier Monaten Pech, Schmerz und Groll, bekam Lewis Hamilton die WM-Führung“, befand der „Daily Mail“.
Mit einem Schlag machte Hamilton aus 22 Punkten Rückstand einen Drei-Punkte-Vorsprung. Schon in Japan kann sich das aber wieder ändern. „Auf das Momentum gebe ich nichts“, meinte Hamilton. Seine bis Singapur einzige Führung im Frühjahr hielt auch nicht lange. „Ein Ausfall und alles sieht wieder anders aus.“
Auf dem kommenden Kurs in Suzuka konnten bislang weder Hamilton noch Rosberg jemals gewinnen. Hamilton schaffte es 2009 auf den dritten Platz im McLaren-Mercedes, Rosberg wurde im selben Rennen im Williams Fünfter. In vier der vergangenen fünf Rennen siegte Vettel, der ebenso wie der Singapur-Dritte Daniel Ricciardo im zweiten Red Bull den Mercedes-Titelkämpfern auch in den weiteren Rennen noch Punkte in deren direktem Duell abnehmen könnte.
Um sich perfekt auf den 15. Saisonlauf vorzubereiten, bleibt Rosberg in Asien. Vor einem Jahr hatte der gebürtige Wiesbadener mit Wohnsitz in Monaco erhebliche Jetlag-Probleme beklagt. Diese will er nun unbedingt vermeiden. Wenige Stunden nach dem Rennen verließ er mit Gattin Vivian den Ort des für ihn diesmal unglücklichen Geschehens.
Hamilton genoss derweil hoch oben von einem Wolkenkratzer den Sonnenaufgang. „Es ist so schön hier heute morgen in Singapur“, schrieb er am Montag unter ein Foto, das ihn lässig mit Hut und Sonnenbrille zeigt, den Blick zum Horizont, wo sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen. Den Frust hatte diesmal sein Rivale im Gepäck.