Paris. Fazit zu den Olympischen Sommerspielen und Blick in die eigene Zukunft: Ein Tag mit IOC-Präsident Thomas Bach in Paris.
„Schön, dass Sie da sind. Kann es losgehen?“ Wenn Thomas Bach in Paris von Termin zu Termin eilt und er ein neues Gesicht in seinem Reisetross begrüßt, werden die Offiziellen an den Wettkampfstätten gleich skeptisch. Eine Akkreditierung als Journalist weckt zunächst wenig Vertrauen. Am Stade Yves-du-Manoir, das 1924 bei den zweiten Sommerspielen in Paris noch als Olympiastadion mit einem Fassungsvermögen von 45.000 Zuschauern diente und in dem nun die Hockeyspiele ausgetragen werden, sind sie um den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees besorgt. Ein „Ist schon okay“ seiner Begleiter räumt zwar nicht alle Zweifel in den Gesichtern aus. Aber wenn der oberste Olympier dann noch nickt, um dann Einblicke in seinen Tag bei den Olympischen Spielen in Paris zu gewähren, wird schon alles okay sein. „Dann wollen wir mal“, sagt der 70-Jährige.
Olympia 2024: Im Auto und mit Blaulicht mit Thomas Bach durch Paris
Unmittelbar vor dem Stadion warten schon mehrere Autos auf Thomas Bach. Es muss flott gehen, die Tage sind vollgepackt, manchmal mit einer zweistelligen Anzahl an Terminen. Bach nimmt in der zweiten Reihe des Siebensitzers Platz, neben dem Fahrer sein Bodyguard, im Fond seine Sekretärin Monika Scherer, die seit vier Jahrzehnten an seiner Seite ist, Marina Baramia, die fürs IOC-Protokoll alle Ereignisse festhält, und Kommunikationsdirektor Christian Klaue. Bachs Frau Claudia, die nicht an allen Tagen ihren Mann begleitet, fährt ausnahmsweise wegen des unüblichen Passagiers in einem der beiden Begleitfahrzeuge weiter. Zwei Motorradstreifen mit Blaulicht bahnen der Eskorte den Weg durch die Pariser Straße, hinten dran zwei Polizeiwagen zur Absicherung. Seit den Anfeindungen aus Russland sind die Sicherheitsvorkehrungen stark erweitert worden. „So ist die Welt leider“, sagt Thomas Bach und hebt die Augenbrauen.
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Jeden Morgen wacht der IOC-Präsident um 6.30 Uhr im Hotel Collectioneur, einer Fünf-Sterne-Unterkunft im achten Arrondissement, nicht weit vom Triumphbogen, auf. Eine Unterkunft im Olympischen Dorf wie sonst üblich hat Thomas Bach diesmal nicht. „Es wurden alle Zimmer gebraucht, und die Athleten gehen vor.“ Mails und Nachrichten checkt er zunächst auf „den Maschinen“, wie er seine vier Handys nennt. Es sind so viele, weil auch hier wie bei der Unterkunft in Paris gilt: Sicherheit geht vor. Das IOC und die französischen Behörden müssen während der Olympischen Spiele unzählige Cyber-Angriffe abwehren. Ein Gespräch würde Thomas Bach nur von einem seiner abgespeicherten Kontakte annehmen, aber: „Ich habe hier noch keinen einzigen Anruf bekommen.“
Olympia 2024: IOC-Boss Bach mal bei Business-Terminen, mal bei Stars wie Djokovic
Nach dem Frühstück: verschiedene Meetings vom IOC und mit dem Organisationskomitee. Das Wichtigste an einem olympischen Tag ist es für Thomas Bach jedoch, zu den Wettkämpfen zu fahren. Eine Akkreditierung braucht er nicht, um in die Stadien und Hallen zu gelangen. Er wird überall erkannt, „ich habe sie aber immer dabei“. Zwischendurch geht es auch zu Business-Terminen, weshalb schon mal ein Garderobenwechsel während der Fahrt erfolgen kann. Aber diesmal lautet „der Dresscode: Sport“: legeres Polo-Hemd, leichte Hose und Jacke.
Dass er dabei deutsche Sportlerinnen und Sportler zu sehen bekommt wie an diesem Tag die Handballer, ist eher Ausnahme. Der Posten verpflichtet zur Neutralität. „Im Rahmen der Möglichkeiten“, sagt er und zwinkert mit dem Auge. Bach spricht Englisch, Französisch und ein bisschen Spanisch, kennt zu jeder Disziplin die Historie und die Medaillenanwärter in Paris. Weltstars wie Tennis-Nummer-eins Novak Djokovic, „für den der Olympiasieg der absolute Traum war“, trifft er genauso wie Boxerin Cindy Ngamba aus Kamerun, die mit Bronze im Mittelgewicht die erste Medaille für das Flüchtlings-Team des IOC holte, oder Schwergewichtsringer Mijaín López. Der 41 Jahre alte Kubaner beendet nun nach seinem fünften Olympiasieg die Karriere, ließ wie dafür üblich seine Schuhe auf der Matte liegen. Bach: „Die habe ich direkt fürs Olympische Museum in Lausanne mitgenommen.“
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Als der Tross in der Innenstadt zum Halten kommt, bietet sich bei einer kleinen Stärkung – ein Burger ohne Brot und ein kleiner Beilagensalat, dazu stilles Wasser – die Gelegenheit, über die Spiele von Paris zu sprechen. „Ja“, kommt es aus Thomas Bach bei der Frage herausgeschossen, ob diese genau so sind, wie er sie sich vorgestellt habe. „Wie die Franzosen in Leidenschaft für die Spiele verfallen sind, übertrifft meine Erwartungen.“ Ebenso die Einschaltquoten, die Übertragungen der Wettkämpfe in Paris brechen im Fernsehen und im Internet Rekorde.
Olympia 2024: Bach: „Menschen haben Sehnsucht nach dem, was sie zusammenbringt“
Die verregnete, aber einmalige Eröffnungsfeier mit den Booten auf der Seine, hochklassige Wettbewerbe vor traumhaften Kulissen wie beim Beachvolleyball vor dem Eiffelturm, beim Fechten im Grand Palais, bei den modernen Sportarten am Place de la Concorde – „die Bevölkerung schaut nicht nur zu, sie ist Teil des Ganzen“, sagt Thomas Bach. Es sei richtig gewesen, Tokio 2021 und Peking 2022 unter Corona-Bedingungen durchgezogen zu haben, „wir hätten eine ganze Athleten-Generation verloren und wären sechs Jahre aus der Weltöffentlichkeit verschwunden gewesen. Da noch mal zurückzukommen, wäre schwierig geworden.“ Dass die Zuschauer nun in Frankreichs Hauptstadt wieder in die olympische Welt zurückgekehrt sind, zeige, „dass die Menschen Sehnsucht haben nach dem, was sie wieder zusammenbringt“.
Noch einmal an diesem Abend setzt sich die Eskorte in Bewegung. Es geht ans Seine-Ufer, in die Tuilerien-Gärten. Um 22 Uhr wird hier der Ballon mit der olympischen Feuerschale in den Pariser Abendhimmel gelassen. Auf der Rue Rivoli und der Pont Royal drängen sich die Menschen, um dem Spektakel beizuwohnen. Auch für Thomas Bach ein besonderer Moment. Theoretisch sind es seine letzten Spiele als IOC-Präsident, die zwölf Jahre an der Spitze der Olympia-Bewegung enden 2025. Um noch weitermachen zu können, müsste die Charta verändert werden, worum ihn IOC-Mitglieder im vergangenen Jahr gebeten haben.
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„Gebeten ist die diplomatische Umschreibung für das, was in Mumbai stattgefunden hat“, sagt der 70-Jährige und wirkt tatsächlich nachdenklich. Von Paris lasse er sich nicht mehr beeinflussen: „Meine Entscheidung ist schon länger gefallen.“ Verraten will er sie an diesem Abend nicht, „danke für das freundliche Angebot“, sagt er und lächelt, „von dieser Entscheidung müssen als Erstes die Mitglieder erfahren. Alles andere wäre respektlos.“ Die erste Gelegenheit böte sich dazu an diesem Samstag, wenn die IOC-Session noch einmal zusammenkommt. Warum nicht aufhören, wenn es am schönsten ist? Denkbar ist es für Thomas Bach. Am Sonntag enden die Olympischen Sommerspiele, das Feuer erlischt dann, die Rede für die Abschlussfeier „steht in weiten Teilen“. Wie bei so vielen Athletinnen und Athleten kommt dann ein mentales Loch. „Das ist so“, sagt er und freut sich auf ein paar Tage Urlaub. „Da merkt man doch den vielen Stress – obwohl ich das jetzt noch nicht so empfinde.“
Thomas Bach steigt wieder in seinen Wagen, diesmal ohne Gast. Das olympische Adrenalin wird noch reichen für die letzten beiden Tage seiner Olympischen Spiele in Paris.
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