Paris. Am Freitag könnte Thomas Bach in Paris letztmals Olympische Spiele eröffnen. Wenn er sich nicht doch noch umentscheidet. Ein Portrait.
Als Thomas Bach über seine Zukunft spricht, liegt diese noch gut zwei Jahre entfernt. Es ist Mitte Juli 2023, ein heißer Sommertag in Hamburg, dem Schauplatz der Triathlon-Weltmeisterschaft. Im Hotel Le Meridien frühstücken noch einige Gäste und schauen bei Croissant und Orangensaft auf die in der Sonne funkelnde Außenalster. Ihre Blicke gehen zwangsläufig aber auch immer wieder durch eine Glasscheibe in das Weinzimmer mit lauter kostbaren Tropfen in den Wandregalen, wohin der mächtigste Mann der Sportwelt eine Handvoll Medien eingeladen hat, um über die in einem Jahr anstehenden Olympischen Spiele in Paris zu sprechen.
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Thomas Bach redet eine Stunde lang über die Spiele, ihre Herausforderungen und Probleme, ihre Errungenschaften und Chancen. Er trägt einen blauen Anzug mit einem Fünf-Ringe-Anhänger am Revers, dazu weißes Hemd und Krawatte, auf der randlosen Brille sind ein paar Fingerabdrücke zu sehen. Im Jahr nach den Paris-Spielen endet formal seine Zeit als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC); was er sich danach vorstelle zu sein, wird er gefragt. „Nicht Trainer, Sportdirektor oder Fernsehexperte“, sagt Bach und lacht. „Ich werde mich zurückziehen, dem Sport weiter mit Leidenschaft verbunden bleiben – aber alle Bemühungen unternehmen, keine ungefragten Ratschläge zu geben an die Nachfolger.“
Olympia 2024: Bach-Zukunft wird erst nach Paris behandelt
Gut ein Jahr später geht es wieder um Thomas Bachs Zukunft, die sich inzwischen aber anders darstellt. In Paris, wo von diesem Freitag an die Sommerspiele der XXXIII. Olympiade ausgetragen werden, kommen die IOC-Mitglieder im Grand Amphithéâtre des Palais des Congrès zu ihrer Session zusammen. Die Vergabe einiger Winterspiele-Gastgeber steht an, dazu ein paar Regularien – und eigentlich auch eine fundamentale Klärung. Denn im Raum steht seit der letzten Session in Mumbai der pathetisch formulierte Wunsch einiger Mitglieder, der deutsche Präsident möge doch über 2025 hinaus die olympische Bewegung anführen, wobei die Charta nach acht und vier Jahren keine dritte Amtszeit vorsieht.
Thomas Bach, der zu den Spielen gerne seinen Anzug gegen sportliche Kleidung tauscht und Verbundenheit mit den Athletinnen und Athleten demonstriert, braucht gar nicht zu reagieren, als das Thema eines abzuwandelnden IOC-Grundgesetzes für die Fortführung seiner Regentschaft aufkommt. Ban Ki-moon wiegelt das Thema zunächst einmal ab. Mit der Besetzung des Präsidentenamtes, so sagt der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen und aktuelle Chef der Ethikkommission beim Ringe-Orden, wolle man sich erst nach den Tagen in Paris beschäftigen und mit der Beantwortung dieser Frage nicht die Wettbewerbe im Herzen Frankreichs überlagern.
Bisher hat sich Thomas Bach nicht geäußert, wie es für ihn 2025 weitergehen soll. Dass der 70-Jährige sich durch die Huldigungen in Indien – IOC-Mitglied Nicole Hoevertsz aus Aruba fühlte sich „gesegnet“ mit dem deutschen Präsidenten, die Thailänderin Khunying Patama Leeswadtrakui flehte gar, „niemand kann Sie ersetzen, Ihre Führung, Ihre Weisheit“ – geschmeichelt gefühlt haben dürfte, ist naheliegend. Falls er sich dazu entschließen würde, weiterzumachen, wirft das natürlich Fragen auf: Warum will Thomas Bach das tun? Kann er nicht loslassen? Wäre er dann nicht genauso wie alle Machtmenschen aus der Politik, die ohne ihren Einfluss in ein Loch zu fallen befürchten? Hat die Macht ihn oder er den Posten verändert?
Olympia 2024: Wie Thomas Bach zum mächtigsten Mann des Sports wurde
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Die Antworten darauf zu finden, fällt nicht leicht. „Eher lässt sich ein Pudding an die Wand nageln“, sagt einer von rund einem Dutzend Gesprächspartnern für dieses Porträt, die nicht alle namentlich genannt werden wollen. Es zeigt sich nach den Telefonaten und Videoschalten sowie mehreren Treffen mit dem Mann, der auch als Herr der Ringe, als Wirtschaftslobbyist, einflussreichster Deutscher im Weltgeschehen und neuerdings anlässlich der Spiele in Paris als Sonnenkönig bezeichnet wird: Ob man bei ihm Macht und Mensch voneinander trennen kann, kommt ganz auf die Perspektive an.
Macht ist die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, sich Autorität zu verschaffen, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Und man muss sie irgendwann lernen. Thomas Bach bekommt das Handwerk, das ihm als Athlet wie als Wirtschaftsjurist und Funktionär dienen soll, auf der Planche beigebracht. Als Fünfjähriger tritt er dem TC Tauberbischofsheim bei, den Emil Beck damals zum deutschen Fechtzentrum aufbaut. „Emil war ein absoluter Hierarch und Machtmensch“, sagt Matthias Behr, der Thomas Bach von klein auf kennt und mit dem er 1976 in Montreal Mannschafts-Olympiasieger war. „Emil wusste, was er wollte – und das tat Thomas auch.“
Gemeinsam entwickeln Bach und der zwei Jahre jüngere Behr ihre Fähigkeiten mit dem Florett und den für den Erfolg benötigten Ehrgeiz. Heranwachsende sind sie eher in den Trainingspausen, wenn sie in der Gelateria Dolomiti gegenüber dem Wohnsitz der Familie Bach am Sonnenplatz Eis schlecken. „Thomas war quirlig, er hatte eine unheimlich gute Beinarbeit“, sagt Behr und ergänzt: „Er war strategisch, fintenreich, innovativ und durchsetzungsfähig.“ Sie werden Weltmeister, sie gewinnen Olympia-Gold – auch weil Bach, im Einzel 1976 in Montreal nicht am Start, im Finale gegen Italien drei Siege und damit mehr als die Teamkollegen zum 9:7 beiträgt. Behr: „Wir haben unser Soll gebracht, aber Thomas war noch besser als wir.“
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Olympia 2024: Boykott der Moskau-Spiele beendete 1980 Bachs Fechtkarriere
Bei seiner größten sportlichen Niederlage darf Bach, der seit 1977 mit seiner Frau Claudia verheiratet ist und nahe Nürnberg wohnt, nicht mal das Florett in die Hand nehmen: Als Aktivensprecher im Deutschen Sportbund kann er 1980 Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht davon abhalten, dass Athleten aus der Bundesrepublik die Spiele von Moskau wegen des Einmarschs der Sowjetunion in Afghanistan boykottieren. 14 Tage Ägypten-Urlaub als gut gemeinte Ausfallentschädigung animieren ihn noch eher, im Alter von 26 Jahren seine Karriere zu beenden.
Dieser Rückzug läutet eine Laufbahn ein, die ihn zum mächtigsten Mann des Sports, zum großen Strippenzieher der olympischen Bewegung macht. Als 1983 promovierter Einser-Jurist ist es dem arbeitsbesessenen Thomas Bach zwar wichtig, dass jeder Mandant beim Betreten seiner Kanzlei das Gefühl hatte, man kümmere sich allein um ihn. Gleichzeitig baut er sich aber ein Netzwerk in der Sport- und Politikwelt auf. 1985 nimmt Horst Dassler den FDP-Mann als Direktor für Internationale Beziehungen bei Adidas auf. Bach beteuert stets, von Schmiergeldzahlungen nichts mitbekommen zu haben. Aber Dassler ist quasi der Urheber der systematischen Korruption im Weltsport: Bis zum Konkurs 2001 werden über das Marketingunternehmen ISL mehr als 100 Millionen Euro an Amtsträger im Sport gezahlt. Bach, von NOK-Präsident Walther Tröger damals als Dasslers „Adlatus“ bezeichnet, verlässt den Konzern. Denn er hat ja Größeres im Sinn.
Olympia 2024: Samaranch und Daume als Bachs Ziehväter beim IOC
Der Aufstieg innerhalb des IOCs ist zu dem Zeitpunkt bereits in die Wege geleitet. Bach ist seit 1981 in die Athletenkommission aufgenommen, auf Geheiß von Juan Antonio Samaranch, skandalumwitterter IOC-Präsident, unter dem Größenwahn und Bestechlichkeit ungeahnte Züge in der olympischen Welt annahmen. Vom Spanier lernt er die Hintertürpolitik. Sein deutscher Mentor Willy Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, räumt zehn Jahre später seinen IOC-Stuhl für seinen Protegé. Bach übernimmt mit den Jahren mehrere Posten in der Weltsportregierung, steigt als Vize in den Führungszirkel von Samaranch-Nachfolger Jacques Rogge auf und wird am 10. September 2013 in Buenos Aires selbst IOC-Präsident. „Als wir Papst waren, war man als Nation stolz“, sagt Matthias Behr, denn fortan schlägt Bach sehr viel Skepsis und Kritik seiner Landsleute entgegen. „Ich finde auch nicht alles richtig, was er macht. Aber er war mein Mannschaftskamerad, wir waren immer verbunden. Einmal Bischemer Bub, immer Bischemer Bub.“
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Unangenehme Enthüllungen bis dahin wie seine Beratertätigkeit für Siemens mit einer Jahresgage in Höhe von 400.000 Euro und 5000 Euro Tagesspesen können Thomas Bach wenig anhaben („Es hat nie irgendwo einen Fakt gegen mich gegeben“). Allerdings fällt ihm aktuell das Wie seines Aufstiegs an die Spitze der olympischen Bewegung auf die Füße, zumal er laut der Autoren des Buches „Putins Olygarch. Wie Thomas Bach und das IOC die Olympischen Spiele verraten“ seine Kandidatur von Wladimir Putin hat absegnen lassen.
Die Verbindung nach Russland, das durch Austragungen von Weltmeisterschaften, Sponsorenmilliarden und ranghohen Funktionären Anfang des Jahrtausends zu einer der einflussreichsten Macht der Sportwelt aufsteigt, ist zerrüttet. Die Spiele in Paris sind nun die ersten, die unter Bachs Ägide und nicht schon von Jacques Rogge vergeben wurden. Eine Kreml-Milde, die schon seinen Lehrmeister Juan Antonio Samaranch auszeichnete, zeigt er allerdings schon nach dem Dopingskandal 2014 in Sotschi und infolge der Besetzung der Krim, als das russische NOK zwar suspendiert, aber trotzdem nicht viel weniger „neutrale Athleten aus Russland“ als geplant 2016 nach Rio und 2021 nach Tokio reisen.
Olympia 2024: Streit mit Russland eskaliert – schwere Vorwürfe
Der Streit mit Russland, das die Ukraine zerbombt und Menschenrechte verletzt, eskaliert. Er wird zum Machtkampf, als das IOC auf internationalem Druck den Bann russischer und belarussischer Athleten infolge des Russland-Einmarschs in der Ukraine unmittelbar nach den Winterspielen 2022 in Peking beschließt. Ohne Fahne und Hymne sind nun nicht mal drei Dutzend „individuelle neutrale Athleten“ in Paris am Start.
Stattdessen rollt im zurückliegenden Frühjahr aus Moskau eine Welle aus Vorwürfen, Beleidigungen, Nazi-Vergleichen über Thomas Bach und das IOC hinweg. Kriegstreiber Putin beklagt ob des Olympia-Banns ethnische Diskriminierung, fährt mit der Ankündigung der sogenannten Friedensspiele mit befreundeten Staaten einen Frontalangriff auf die Olympischen Spiele. Die gefälschten Zitate von IOC-Mitgliedern, persönlichen Diffamierungen, Cyberangriffe sind für das IOC eine koordinierte Desinformationskampagne. „All dies hat sich seit 2022 und den vom IOC verhängten Sanktionen gegen die für den Krieg in der Ukraine verantwortliche russische Regierung extrem verstärkt“, sagt Kommunikationsdirektor Christian Klaue.
Anfang Mai in Lausanne, nicht mal mehr 100 Tage bis zur Eröffnungsfeier in Paris. Die Beleidigungen und Holocaust-Vergleiche aus Russland prallen an der geschwungenen Fassade des IOC-Sitzes nur bedingt ab. Die Vorbereitungen auf die Paris-Spiele gehen zwar ihren gewohnten Gang. Aber nachdem Thomas Bach die ringförmige Treppe hinaufgelaufen ist und sich in seinem Büro im dritten Stock mit Blick auf den Genfer See in den Sessel setzt, ist ihm die Anspannung doch anzumerken. Auch wenn er bekräftigt: „Wenn ich angegriffen werde, geschieht dies als Präsident des IOC. Deswegen gilt meine erste Verantwortung der Organisation. Was die persönlichen Drohungen, Beschimpfungen und Diffamierungen angeht, versuche ich sie abprallen zu lassen. Ich bin in der Beziehung ziemlich robust und lasse das nicht zu nah an mich heran. Wir sind mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, absolut im Reinen.“
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Olympia 2024: Vorwurf: Bach führt das IOC wie ein Autokrat
Der britische Guardian hat Bach und Putin einst „das olympische Power-Pärchen“ getauft. Nun ist es so, dass sich das Pärchen getrennt hat – und zwar nicht einvernehmlich. Aus Verbündeten sind Gegner geworden. Der IOC-Präsident betont gerne, dass Olympische Spiele für ihn ein friedliches Zusammenkommen von Sportlern unterschiedlicher Kontinente, Kulturen und Religionen sind – das erschwert wird durch Kriege und Katastrophen. Russlands Kampagne, so Bach, gehe nicht darin auf, „die olympische Bewegung und internationale Sportwelt zu spalten und sie zu einem politischen Instrument zu machen“. Trotz der Ankündigung der Freundschaftsspiele im September in Moskau und Jekaterinenburg „sehen wir für die Olympischen Spiele keine Gefahr. Die Athleten wollen zu ihnen, die Spiele sind so gefestigt im Bewusstsein der Welt.“
Wer Macht hat, wird beäugt – und muss aufpassen, sie nicht für den eigenen Vorteil zu nutzen. Um nicht selbst mit denen in einen Topf geschmissen zu werden, die sie für den Missbrauch verurteilen. Dass Thomas Bach bereits zu viel Entscheidungsgewalt im IOC hat, kritisiert Jules Boykoff. „Autorität zeichnet sich durch konzentrierte Macht aus“, sagt der 53 Jahre alte Politikwissenschaftlicher der Pacific Universität in Oregon im Nordwesten der USA, der seit vielen Jahren in Artikeln für die New York Times oder die Los Angeles Times die olympische Bewegung kritisch begleitet. „So wie Thomas Bach das IOC führt, konzentriert es die Macht in wenigen Händen.“ Als Beispiel nennt er die Vergabe der Spiele. Einst erfolgt durch die Vollversammlung; im Schlepptau des Prozesses immer massive Bestechung und horrende Kosten für die Bewerberstädte, die sich überbieten wollten. Nun, als Teil von Thomas Bachs Agenda 2020, pickt sich ein Expertenkomitee aus dem überschaubaren Kreis von Interessenten einen geeigneten Kandidaten heraus, lässt diesen durch die IOC-Exekutive bestätigen, ehe die Vollversammlung nur noch abnicken kann. Die 107 stimmberechtigten IOC-Mitglieder, so immer wieder der Vorwurf, seien eh alles Ja-Sager.
Die Agenda 2020, die Spiele also diverser und nachhaltiger zu machen, habe Jules Boykoff 2013 hoffen lassen, dass Thomas Bach nach seiner Wahl die richtigen Steine ins Rollen bringen würde. „Es war offensichtlich, dass es einen gravierenden Wandel brauchte, wenn die Olympischen Spiele auch im 21. Jahrhundert noch relevant sein wollten“, sagt der Akademiker. Mehr auf die Städte achten, auf die Menschen vor Ort, was von Olympischen Spielen bleibe. „Mit der Zeit wurde ich aber desillusionierter. Thomas Bach hat die Kunst perfektioniert, hier und da kleine Veränderungen herbeizuführen, ohne dass sich aber wirklich viel geändert hätte.“
Olympia 2024: IOC-Chef Bach wird „mit ungesunder Skepsis“ begegnet
Für den Olympia-Unternehmer Thomas Bach ist wohl eine unerreichbare Aufgabe, Zustimmung in allen Teilen des Erdballens zu ernten. Wer die Kommerzialisierung des Sports beklagt, wird kaum anerkennen, dass das IOC bis 2028 mit Einnahmen in Höhe von 7,3 Milliarden Dollar rechnet, von denen ein Großteil wieder an die NOKs und Weltverbände geht. Wer wohlwollend registriert, dass die nächsten Sommerspiele-Gastgeber Paris, Los Angeles und Brisbane allesamt in demokratisch geführten Ländern liegen, wird trotzdem die Negativfolgen für Städte hervorheben. Wer kritisiert, dass sich die olympischen Wettbewerbe Urban Park Sports (Skateboard, BMX, Klettern) öffnen, denkt eher zweitrangig an die Spiele, die die nächste Generation noch begeistern sollen.
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„Es ist ein schwieriger Job“, sagt Tracey Holmes. Die 56-Jährige war bis 2023 TV-Moderatorin für das australische ABC, hat Fußball-Weltmeisterschaften und Olympische Spiele begleitet, beklagt „das westliche Modell“, Funktionären grundsätzlich mit „ungesunder Skepsis“ zu begegnen: „Es gibt so viele unterschiedliche kulturelle Standards und Systeme auf der Welt, so viele unterschiedliche politische Sichtweisen – und doch wird alles nur aus der eigenen Perspektive beurteilt. Du wirst nie dafür gelobt, egal was du tust.“ Sie hinterfrage bei jedem, wie der- oder diejenige umgehen würden mit der Causa Russland/Ukraine oder Palästina/Israel: „Ich respektiere jeden, der es zumindest versucht, konsequent bleiben zu wollen – mit den ursprünglichen Idealen der olympischen Bewegung. Es ist leicht, den Ausschluss dieses oder jenes Landes zu fordern. Wenn man es tut, ist man selbst Teil der Politik.“
Spätestens wenn in Paris das Olympische Feuer erloschen sein wird, gehen die Diskussionen um Thomas Bachs Zukunft wieder los. Hat er künftig mehr Zeit zum Wandern in den Schweizer Bergen, wenn er schneller als vorgegeben seine Runde laufen möchte, ihm dabei Ideen kommen? Oder geht er häufiger zum Skatspielen mit alten Freunden und für eine Currywurst ins Restaurant am Marktplatz in Tauberbischofsheim? Bach hat ja ein paar Rückzugsmöglichkeiten, obwohl er eigentlich rund um die Uhr arbeitet und den Unterschied zwischen Wochentag und Wochenende nicht kennt. „Dass er immer wieder im Taubertal zu sehen ist, imponiert mir“, sagt Matthias Behr, „er hat unsere Mannschaft nie vergessen – ohne uns wäre er ja auch nicht Olympiasieger geworden.“ Der Eindruck mag durch die Vorgehensweise beim IOC anders sein, aber Nahestehende beschreiben Thomas Bach als sehr umgänglichen, nie abgehobenen Zuhörer, dem die Meinungen und Perspektiven seiner Vertrauten sehr wichtig sind.
Olympia 2024: Bach favorisiert eine Frau als Nachfolgerin an der Spitze des IOC
„Das Ende seiner Amtszeit kann nicht früh genug kommen“, sagt Jules Boykoff. Womöglich aber lässt Thomas Bach die Charta unangetastet, betont deren Bedeutung und schaut von einem neu geschaffenen Posten einflussreich auf seinen Nachfolger. Oder: auf seine Nachfolgerin. Kirsty Coventry, Schwimm-Olympiasiegerin aus Simbabwe, gilt als bevorzugte Erbin, Bach ist ihr Mentor. Die 40-Jährige leitet die bedeutende Kommission beim IOC, die sich mit der Zukunft der Olympischen Spiele beschäftigt. Endlich eine Frau an der Spitze, und dann noch aus Afrika. Durchaus verlockend, aber Jules Boykoff gibt zu bedenken: „Wie unabhängig kann jemand handeln, wenn Thomas Bach noch im Raum ist?“
Thomas Bach wird seinen Plan schon gefasst haben. Entspannt geht er daher den Auftakt heute und die folgenden 16 Wettkampftage an. „Ich freue mich auf die Emotionen, auf die Atmosphäre“, sagt er. „Die Eröffnungsfeier wird eine gigantische Präsentation, aber am Ende aber sehr menschlich sein.“ Die Machtfrage beim IOC wird erst 2025 bei der Session in Athen, dem Geburtsort der olympischen Bewegung, entschieden. Symbolträchtiger geht es kaum.
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