Versailles. Christian Kukuk beschert den deutschen Springreitern in Paris das ersehnte Olympia-Gold. Er bleibt im Stechen ohne Fehler.
In der Nachbetrachtung hat es sich für Christian Kukuk mehr als ausgezahlt, als Teenager stur geblieben zu sein. Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern gehören zum Erwachsenwerden dazu, wenn nach der Schule der weitere Ausbildungsweg besprochen wird. Unzählige haben jetzt das „Mach‘ etwas Vernünftiges“ im Ohr. Christian Kukuk bekam es ebenfalls mit auf den Weg. Seine Leidenschaft für den Reitsport war da schon längst geweckt, der Abiturient sah sich deshalb eher auf dem Rücken der Pferde als im Hörsaal. „Am Ende haben wir uns auf einen Deal geeinigt“, sagte der heute 34-Jährige einmal. „Ich darf reiten, aber ich mache zuerst eine Ausbildung.“ Als Industriekaufmann in der Fleischindustrie hat er nie gearbeitet – dafür ist Christian Kukuk nun aber Olympiasieger der Springreiter, der erste deutsche seit 28 Jahren.
Olympia 2024: Kukuk geht mit Gold in die Geschichtsbücher ein
Den beiden Männern, denen er einen beachtlichen Anteil am Gold zu verdanken hat, trieb Christian Kukuk am Dienstag im Schlossgarten von Versailles die Freudetränen ins Gesicht, nachdem er am Abreiteplatz der olympischen Reitsportanlage bange Minuten mit seinem Pferd Checker verbracht hatte. Seinen fehlerfreien Ritt konnten erst der Niederländer Maikel van der Vleuten und dann der London-Olympiasieger Steve Guerdat nicht kontern, der Schweizer schob sich noch auf den zweiten Platz. Der Olympiasieg aber ging an den 34-Jährigen aus Riesenbeck, der strahlende Held im roten Rock schlug völlig überwältigt seine Hände vors Gesicht und sagte: „Goldmedaillengewinner zu sein, in die Geschichtsbücher einzugehen – das dauert noch ein bisschen, bis ich das realisiert habe.“
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Unweit von Christian Kukuk stand Ludger Beerbaum (60), auf dessen Gestüt in Riesenbeck der neue König von Versailles als Reiter angestellt ist. „Ich könnte nicht stolzer sein“, sagte der viermalige Olympiasieger und Förderer des Champions. Gemeinsam schrieben sie eine Erfolgsgeschichte, auf die auch Bundestrainer Otto Becker, der nach Platz fünf im Team an die Chance im Einzel glaubte, stolz sein kann: Den 14 Jahre alten Westfalen-Wallach Checker „habe ich vierjährig entdeckt und fünf Jahre gehabt“, sagte der 65-Jährige sichtlich gerührt. „Das ist besonders emotional. Das war vom Feinsten, wie Christian das gemacht hat.“ Checker, so lobte der Gold-Reiter selbst, „war in einer eigenen Liga unterwegs“.
Olympia 2024: Kukuk behält den Durchblick, Favorit van Eckermann verliert den Halt
Die königliche Umgebung hatten Christian Kukuk und Checker für eine majestätische Leistung genutzt. Als einziges Paar blieben sie in der Qualifikation, im ersten Umlauf und im Stechen oder Fehler. Auf einem anspruchsvollen Parcours, den der spätere Sieger „so noch nicht gesehen“ hat, mussten Favoriten wie der Brite Ben Maher oder Henrik von Eckermann – den Titelverteidiger aus Schweden war sein Pferd King Edward gar aus dem Sattel – früh ihre Medaillenhoffnungen begraben. Anders Christian Kukuk: „Die Performance, die wir hier abgeliefert haben, war einfach genial.“ Er wurde damit zum ersten deutschen Einzel-Olympiasieger seit Ulrich Kirchhoff mit Jus de Pommes 1996 in Atlanta. Das letzte Team-Gold gab es vor 24 Jahren in Sydney – mit Ludger Beerbaum und Otto Becker damals noch selbst im Sattel. In der Heimat freute sich Fußball-Weltmeister Thomas Müller, er ist mit Madeleine Winter-Schulze Besitzer von Checker.
Weil die Eltern ritten, war Christian Kukuks Zugang zu Pferden familiär gelegt. Der Vater nahm ihn zum Reitplatz oder als Pfleger auf Turniere mit. „Ich begann, mich da reinzudenken, und war sicher, meinem Vater sagen zu können, wie er es besser machen kann“, erinnerte sich der Junior. So leicht war das anfangs nicht. Die Laufbahn nahm jedoch schnell richtig Fahrt auf, als sich Kukuk 2012 die Rufnummer von Ludger Beerbaum besorgt und Vorstellungstermin ausgemacht hatte. Keine zehn Minuten habe die Unterredung gedauert, der Lehrmeister hatte das Potenzial des Schülers bereits in Videos zuvor erkannt und stellte das Talent als Praktikanten ein. Mit der Zeit bildete Kukuk selbst Pferde aus, wurde als Springer immer erfolgreicher. In Tokio gab er 2021 sein Olympia-Debüt, im gleichen Jahr war er Vize-Europameister. Aktuell ist er 13. der Weltrangliste.
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Olympia 2024: Olympiasieger Kukuk überlässt nichts dem Zufall
Als „absoluter Kopfmensch“ mag es Christian Kukuk nicht, situativ zu reiten. Auch beim Olympia-Parcours in Paris plante er jeden Meter, jeden Galoppsprung. „Er überlässt nichts dem Zufall“, schwärmte Teamkollege Philipp Weishaupt, der Zwölfter wurde. „Er gibt alles für den Sport – und der Erfolg gibt ihm recht.“ Das wurde dem neuen Olympiasieger auch allmählich bewusst: „Krass, jetzt ist hier gerade etwas ganz Spektakuläres passiert.“ Er und Checker, sie haben’s gecheckt.
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