Paris. Deutschlands Handballer gewinnen zum Olympia-Auftakt gegen Schweden. Gegen Japan am Montag sind die Frühaufsteher gefragt.

Noch lieber wirft er ja Tore, das ist klar. Aber Renars Uscins verschmäht auch keinesfalls die ein oder andere gute Tasse Kaffee. Der 22-Jährige ist gemäß Selbstauskunft ein „Morgenmuffel und Spätaufsteher“, weshalb dieser Montag zur großen Herausforderung für ihn wird. Uscins ist Handball-Nationalspieler, und die deutsche Auswahl bestreitet in ebenjenen Morgenstunden um 9 Uhr ihr zweites olympisches Vorrundenspiel gegen Japan. „Erster Kaffee um 5.,30 Uhr“, sagte Koffein-Kenner Uscins und zwinkert mit dem Auge, „der zweite um 6.30 Uhr. Keine Sorge, wir werden das schon professionell angehen.“

Vier Augenringe für Olympia

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    Olympia 2024: Deutsche Handballer machen Schritt Richtung Viertelfinale

    Aufnahmefähig zu sein und austeilen zu können, sind für die deutschen Handballer dringend benötigte Voraussetzungen gegen Japan, um ihren Start in das olympische Turnier von Paris zu veredeln. Als sei von jedem Einzelnen ein Brustpanzer gesprengt worden, gingen die Spieler von Bundestrainer Alfred Gislason am Samstagabend erleichtert nach dem 30:27 (12:11) über Schweden vom Platz in der stimmungsgewaltigen Sud-6-Arena im Süden der Hauptstadt. „Bilderbuchspiel“ nannte Linkshänder Uscins, mit acht Toren treffsicherster Schütze der Deutschen, den Auftakt. „Wir haben endlich mal wieder einen Großen geschlagen“, urteilte Torhüter Andreas Wolff, der Parade um Parade mit dem Fuß auf Ohrläppchen-Höhe oder mit seinen Pranken in den untersten Ecken seines Tores gezeigt hatte. Den ersten Schritt in Richtung Viertelfinale, wobei neben der nächsten Partie gegen Japan noch Kroatien, Spanien und Slowenien als Kontrahenten parat stehen werden, wertete Gislason als wichtiges Signal für das Selbstvertrauen: „Hoffentlich behalten wir nun auch unsere Linie.“

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    Diese eigentlich kerzengerade Linie hatte zu Beginn durchaus einige Zacken. Rechtsaußen Tim Hornke verletzte sich gleich beim ersten Angriff und fällt wegen eines Sehnenanrisses unter der Fußsohle für den weiteren Turnierverlauf aus. Nachnominiert wurde am Sonntagmittag Rune Dahmke. Und dann sah Rückraum-Regisseur Juri Knorr Mitte des ersten Durchgangs nach einer harten Entscheidung die Rote Karte. Das volle Anforderungsprofil für eine Mannschaft gleich in den ersten Turnierminuten. „Wir waren für den Kampf mehr bereit als die Schweden“, erkannte Uscins, „man hat gesehen, was möglich ist, wenn wir an uns glauben.“

    Paris 2024: Neun deutsche Handballer ohne Olympia-Erfahrung

    Bundestrainer Alfred Gislason mit den deutschen Handballern.
    Bundestrainer Alfred Gislason mit den deutschen Handballern. © dpa | Marcus Brandt·

    Sich viel zuzutrauen und sich auch zu bestätigen, wird im Verlaufe der nächsten Begegnungen ein entscheidendes Kriterium für die Gislason-Auswahl sein. Neun Olympia-Neulinge hat der Bundestrainer berufen. Mit jedem Einsatz sollen sie in Paris reifen. Der taktische Kniff des 64 Jahre alten Isländers ging schon mal auf, teilweise auf einen etatmäßigen Linksaußen zu verzichten, um den Medaillenanwärter Schweden seiner weltführenden Stärke bei Gegenstößen zu berauben. Dass es beim ersten Erfolg im dritten Spiel des Jahres gegen die Skandinavier keinerlei Leistungseinbrüche gab, „ist etwas, das wir besser machen als in der Vergangenheit“, sagte Kapitän Johannes Golla, der fünf Treffer beigesteuert hatte. Einer, der das mit seinen 33 Jahren gut beurteilen kann, ist Andreas Wolff, in der neuen Saison wieder in der Bundesliga beim THW Kiel im Tor zu bestaunen: „Diese junge Mannschaft hat sich von Eindrücken nicht beirren lassen.“ Widerstandskraft statt Übermut.

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    Olympia: Torhüter Wolff liefert sich Privatduell mit Schweden Palicka

    Wolff war der „der Rückhalt, den wir gebraucht haben“, sagte Renars Uscins über den Teamkollegen. 13 Paraden zeigte der 1,98-Meter-Hüne, elf davon vor der Pause, als er sich mit seinem schwedischen Gegenüber Andreas Palicka ein Privatduell um die Auszeichnung als Spieler des Spiels lieferte. „Palicka hat fantastisch gehalten“, gestand der deutsche Anwärter, „da muss ich versuchen, Paroli zu bieten, um den Schweden nicht den Vorteil zu lassen.“ Dies gelang vorzüglich, das Gislason-Team geriet nur selten in Rückstand, in der zweiten Hälfte ließ Christoph Steinert mit der ersten Drei-Tore-Führung die Hoffnungen auf einen Auftaktsieg wachsen. „Er war Weltklasse in der ersten Halbzeit! Das Beste, was ich seit Langem von Andi gesehen habe“, betonte der Bundestrainer und sagte angesichts der in den zweiten 30 Minuten deutlich gestiegenen Trefferquote aber nicht ganz ernst: „Nach der Pause haben ja beide nachgelassen – Palicka zum Glück mehr als Andi.“

    Wolffs olympia-unerfahrenen Mitspieler wissen nun auch, dass ein Auftakterfolg über Schweden bereits 2016 bei den Spielen in Rio de Janeiro zu einer Bronzemedaille geführt hat. „Ich hätte nichts dagegen, auch hier eine Medaille zu holen“, so der Torhüter. Der erste Schritt dazu ist gemacht.