Paris. Der beste Rugbyspieler der Welt lässt im Endspiel mehr denn je seine Klasse aufblitzen. Sogar Emmanuel Macron verblasst neben ihm.

Den Hauch einer Sekunde stand Antoine Dupont still. Nichts ging mehr. Weil zuvor alles gegangen war. Dann zündete der Endorphin-Cocktail im Superstar, entfesselt stürmte er in Richtung der Haupttribüne des Stade de France und entlud sich der Last, die gefühlt ganz Frankreich auf seine breiten Schultern geladen hatte.

Mit dem Wechsel des Weltklassespielers vom 15er- zum Siebener-Rugby für die Olympischen Spiele in Paris hatte er auch die Aufgabe übernommen, die Goldmedaille zu gewinnen. Nicht einen Moment hatte der 27-Jährige gezweifelt, seiner Bestimmung gerecht zu werden. Den Auftrag hatte er von fast ganz oben erhalten. Zwar nicht von Gott, aber von Staatspräsident Emmanuel Macron, wobei die Unterschiede hier zumindest aus einer der beiden Perspektiven mitunter verschwimmen dürften.

Frankreich ist Olympiasieger im Siebener-Rugby

Das französische Oberhaupt wollte die erste Goldmedaille des Olympia-Gastgebers bei diesen Spielen höchstpersönlich miterleben. Doch am Ende stand nicht der 46-Jährige im Zentrum, sondern Dupont. Schon jetzt ein Nationalheld, vermochte es der Gedrängehalb sogar, den vermeintlich unbezwingbaren Titelverteidiger von den Fidschi-Inseln im Endspiel aus dem Weg zu räumen.

Die Formulierung ist durchaus treffend, denn Dupont entschied das Finale im Alleingang. Dabei waren die Ozeanier schon nach eineinhalb Minuten mit 7:0 in Führung gegangen. Dupont hatte zu diesem Zeitpunkt, wie üblich, noch auf der Bank gesessen, um möglichst frisch im zweiten Durchgang den Turbo zu zünden.

Emmanuel Macron verfolgt erste Goldmedaille live im Stade de France

Wirklich ruhig hielt es ihn dort nicht, nervös zappelte er mit den Beinen. Das Publikum zappelte sowieso unentwegt, sang „Allez les bleus“ in Dauerschleife, flippte bei jedem Metergewinn komplett aus.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (46/2.v.r.) feierte den Olympiasieg der Rugby-Mannschaft im Stade de France mit.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (46/2.v.r.) feierte den Olympiasieg der Rugby-Mannschaft im Stade de France mit. © Getty Images | Cameron Spencer

Doch das Crescendo war Dupont vorbehalten. Mit seiner Einwechslung beim 7:7-Halbzeitstand nahm die Partie eine komplette Wendung, zunächst verlieh die bloße Anwesenheit des Kapitäns auf dem Platz seinen Mitspielern Flügel, dann spielte er geniale Pässe und schließlich akzentuierte er den Sieg mit den finalen zehn Punkten zum 28:7.

Superstar Antoine Dupont beschert Frankreich Olympiagold

Viel hatte in den vergangenen Tagen nicht auf diesen Triumphzug hingedeutet. Nur mit Mühe überstanden die Franzosen die Gruppenphase, zeigten auch im Viertel- und Halbfinale keine Topleistungen. Dann geschah „Super Dupont“, wie seine Landsleute das Rugbyidol nennen.

Die Akteure der Fidschi, die durchs Turnier gestürmt waren, sanken dagegen zunächst tief enttäuscht auf den Rasen. Eigentlich sollte ihr Land es sein, das vor lauter Party stillsteht. Rugby ist eine Religion auf dem Inselstaat. Doch still standen letztlich nur die Spieler bei ihren hilflosen Verteidigungsaktionen gegen Dupont. Zumindest bei der Medaillenzeremonie (Bronze gewann Südafrika, das Australien mit 26:19 besiegte.) waren die initialen Tränen einem sanften Lächeln gewichen.

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Und so genoss auch Antoine Dupont den größten Moment seiner Karriere. Während um ihn herum die französische Nationalhymne inbrünstig durchs Stade de France schallte, seine Teamkollegen wild jubelnd über den Platz sprangen, stand dieser 1,74 Meter kleine Mann einfach nur ganz still und schmunzelnd zwischen all den Hünen. Er hatte seinen Auftrag erfüllt.