Hamburg. Auch das Angebot des Emirs brachte die Besitzergemeinschaft um Lars-Wilhelm Baumgarten nicht zum Verkauf ihres besten Pferdes.

Ob es wieder ein Sonntag wird wie im Märchen? Spielt erneut der Emir von Katar, Hamim bin Hamad Al Thani, eine Rolle? Läuft es so fantastisch wie am 2. Juli des Vorjahres, als Fantastic Moon auf der Zielgeraden den Turbo einschaltete und unter Jockey Rene Piechulek das Deutsche Galopp-Derby in brillanter Manier gewann?

„Fanta“, der Überflieger, hatte den Rivalen die Hufe gezeigt – und seine Besitzergemeinschaft Liberty Racing glücklich gemacht. „Derby ist besser als Weihnachten“, befand Lars-Wilhelm Baumgarten, der Stratege des Triumphs.

Wiederholt sich jetzt das Galoppermärchen von 2023?

Während der neue Turfkönig von Hamburg Streicheleinheiten kassierte, wurde der gebürtige Niedersachse mit Wohnsitz Köln in einem roten Oldtimer-Cabrio über das Geläuf kutschiert. Der Jubel wollte nicht enden, auch später im Ristorante Rossini in Eppendorf nicht.

Kaum vorstellbar, indes nicht absolut ausgeschlossen, dass sich für Baumgarten und Co. ein Galoppermärchen dieser Kategorie im 155. Deutschen Derby an diesem Sonntag wiederholt. Palladium im Besitz des Syndikats Liberty Racing rückt in die ungünstige Startbox 20 ganz außen. Von dort ist der Weg nach vorne besonders weit und tückisch. Doch keiner weiß es besser als der 52 Jahre alte Lars-Wilhelm Baumgarten alias „LWB“: Im Turf geschehen immer wieder Wunder.

Emir von Katar wollte Derbysieger Fantastic Moon kaufen

So wie wenige Tage nach dem Coup vom Horner Moor 2023. Am Handy meldete sich ein weltweit führender Vollblutagent. Im Auftrag des Emirs von Katar unterbreitete er Baumgarten ein Angebot in gehobener Millionenhöhe. Fortan sollte Fantastic Moon für die Farben seines Rennstalls laufen. „LWB“ erbat sich Bedenkzeit. Aus gutem Grund: Derbysieger „Fanta“ gehört 22 Besitzern, zumeist aus Deutschland, teilweise aus Australien und den USA. Baumgarten war und ist Manager dieser Gemeinschaft, aber er besitzt eben nur einen dieser Anteile.

Erstaunlich, jedoch wahr: Die Allianz leidenschaftlicher Turffreunde entschied sich einstimmig gegen die Millionenofferte aus dem Nahen Osten. Die Freude als Mitbesitzer eines Derbysiegers war dem Team wertvoller. Gemeinsam reiste die Besitzercrew Anfang Oktober nach Paris zum Prix de l’Arc de Triomphe, dem renommiertesten Rennen Europas. Dort gab es nichts zu gewinnen.

Keine Chance beim Prix de l’Arc de Triomphe

„Das Erlebnis war dennoch gigantisch“, berichtet Baumgarten, der als Journalist und Jurist begann und sich später zum Sportmanager entwickelte. Der Tausendsassa, der Menschen begeistern kann, betreute namhafte Bundesligaprofis und begleitete das Tennis-Ass Angelique Kerber bis ins Finale nach Wimbledon.

Bis „LWB“ sein Leben auf den Kopf stellte, das „Gewicht eines Jockeys“ abnahm, das überstrapazierte Tempo aus dem turbulenten Alltag nahm – und zwei Gänge zurückschaltete. Ideen sprudelten weiterhin.

In der Nachbarschaft der Galopprennbahn Bad Harzburg aufgewachsen und von Kindesbeinen an mit dem Turf verbunden, professionalisierte er das System Besitzergemeinschaft. Das Prinzip: Eine vorher festgelegte Anzahl Galoppbegeisterter investiert in einen Pool, von „LWB“ Liberty Racing getauft.

Aktuell Sechs Sydikate mit dem Namen Liberty Racing

Sechs dieser Syndikate gibt es aktuell, nach und nach entstanden in verschiedenen Jahren. Das Gründungsjahr folgt dem stets gleichen Namen Liberty Racing. Das Syndikat aus 2020 wurde abgewickelt – mit 10.000 Euro Plus je Beteiligung.

Da der Triumph von Fantastic Moon zusätzlichen Schwung in das Modell brachte, wurden 2023 vier dieser Besitzergemeinschaften mit insgesamt 88 Anteilseignern ins Leben gerufen. Man konnte 10.000, 25.000 oder 40.000 Euro investieren. Für die Gesamtsumme wurden – von Hoffnung beseelt – zehn zweijährige Vollblüter gekauft. Wenn es großartig läuft, platziert sich einer von ihnen im kommenden Jahr im Derby.

Derbysieg hat neuen Schwung ins Geschäftsmodell gebracht

„Für mich handelt es sich um reine Leidenschaft für ein wunderbares Hobby“, sagt „LWB“. Ziel sei es, Interessierte an den Rennsport heranzuführen: „Bei uns ist von Anfang an alles gläsern.“ Die Startinvestition ist fix. Nachzahlungen gibt es nicht. Von den gemeinsamen Einsätzen werden die Pferde ersteigert und in die Hände bewährter Trainer gegeben.

Den Partnern gefällt Baumgartens Talent als Kaufmann mit Visionen und als verlässlicher Motor einer galoppierenden Idee. Als Entertainer ohnehin. Auf dem Unterhaltungsprogramm stehen Besuche in den Trainingsquartieren sowie auf Hippodromen. Starts eines Vollblüters aus gemeinsamem Besitz werden spannend und freudvoll inszeniert und zelebriert.

Manager Baumgarten legt wert auf Transparenz

„Regelmäßige, präzise Abrechnungen sind Ehrensache“, sagt Turfmanager „LWB“. Auf das „Fanta“-Syndikat übertragen heißt das: Jeder der 22 Mitbesitzer erhielt seinen Einsatz von 25.000 Euro zurück – plus Überschussbeteiligung. Bei einer Auktion hatte Fantastic Moon 47.000 Euro gekostet. Allein im Derby 2023 gab es 390.000 Euro Sieggeld.

Vor allem gehört das Pferd dem Team nach wie vor. Ein alles andere als alltäglicher Glücksfall. Nach einem Start in einem Grupperennen in München Ende Juli werden erneut der „Arc“ in Paris oder eine Herausforderung in Großbritannien angepeilt. Letztlich fällt Trainerin Sarah Steinberg in München die Entscheidung. Jockey Rene Piechulek, dem in den Rennfarben Dunkelblau mit goldenen Punkten auf Fantastic Moon der Bravourritt im Derby 2023 gelang, ist ihr Lebensgefährte.

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Zur Tradition des Deutschen Derbys gehört das Derby Dinner am Vorabend des Blauen Bandes. Dort pflegt der Besitzer des vorjährigen Champions eine Rede zu halten. Mal fällt sie spannend, mal langatmig, mal anregend, mal kritisch aus. Offene Worte sind möglich.

„Der Geist meiner Rede soll moderat sein“, kündigt Lars-Wilhelm Baumgarten an, „aber ich werde meine Hoffnung auf ein neues Hamburg zum Ausdruck bringen.“ Hinter den Kulissen meint mancher, dass der Renn-Club Mühe haben wird, das Derby auf Kurs und dauerhaft in der Hansestadt zu halten.

Derby-Renntag beginnt schon am Sonntagmorgen

Lang und süffig wird der Abend im Hotel Vier Jahreszeiten kaum werden: Am Sonntagmorgen startet der Renntag des Jahres. Für Freitagabend haben Baumgarten und Freunde wieder Tische im Ristorante an der Eppendorfer Landstraße reserviert. So wie vor einem Jahr. Ein gutes Omen für Palladium?