Hamburg. Der Runningback der Hamburg Sea Devils wurde vom Junior College und Capoeira geprägt. Am Sonntag trifft er im Heimspiel auf Berlin.

Lucas Candido war 13 Jahre alt, als eine Netflix-Dokuserie sein Leben veränderte. In der ersten Staffel von „Last Chance U“ wurde das American-Football-Team des Eastern Mississippi Community College über eine Saison von einem Kamerateam begleitet, junge Sportler zwischen Arbeitslosigkeit und des Traum einer NFL-Karriere porträtiert.

„Das hat mich so fasziniert, dass ich unbedingt Football spielen wollte. Dann habe ich einen Verein in meiner Nähe gefunden und bin sofort hingegangen“, erinnert sich der gebürtige Altonaer, der seit dieser Saison für die Hamburg Sea Devils aufläuft.

American Football: Candido spielte in Kalifornien

Sechs Jahre nach der Netflix-Serie war Candido selbst am einem Junior College in den USA, spielte ein halbes Jahr lang für das College of the Canyons in Santa Clarita, rund 40 Autominuten nordwestlich von Los Angeles. Das Junior College zählt zu den besten Kaliforniens, knapp die Hälfte seines Teams erhielt Angebote für Stipendien in den beiden höchsten US-College-Ligen, erzählt der Runningback.

„Das Junior College hat mich athletisch extrem nach vorne gebracht. Die Trainingsintensität dort ist ganz anders als in Deutschland, man hat jeden Tag mehrere Stunden Kraft-, Ausdauer- und Football-Training“, sagt der 20-Jährige der zuvor nur bei den Jugendteams der Hamburg Heat und Hamburg Huskies aktiv war.

Sea Devils empfangen am Sonntag Berlin

Bei den Sea Devils, mit denen Candido am Sonntag (16.25 Uhr/ProSiebenMaxx) im Stadion Hoheluft die Berlin Thunder in der Europaliga ELF empfängt, helfe ihm die USA-Erfahrung enorm. „Der Sprung von der Jugend in den Herrenbereich ist in Deutschland riesig. Das Junior College hat mich aber abgehärtet“, sagt Candido, der einer von vier Runningbacks im Hamburger Kader ist.

„Wir haben alle unsere eigene Aufgabe und ergänzen uns gut“, sagt er. Beim 34:17-Sieg am vergangenen Wochenende bei den Cologne Centurios gelang Candido der erste Touchdown. „Wenn ich Spielszenen von früher sehe, merke ich den Unterschied, den die Zeit in den USA bewirkt hat. Ich habe jetzt ein viel besseres Spielverständnis“, sagt er.

Umstellung am Junior College war groß

Die Umstellung kurz nach dem Umzug nach Kalifornien im vergangenen Spätsommer war groß. Geholfen habe, dass sein heutiger Sea-Devils-Mitspieler Victor Omorodion (22/Defensive Back) zufällig am selben College in Kalifornien spielte. Als „Germans“ hätten sie es in den Staaten, wo Football Volkssport ist, besonders hart gehabt, sagt Candido.

„Die ersten Wochen waren sehr schwer für mich. Als ich angekommen bin, ging gerade das Herbst-Camp los. Das Camp ist im Junior College als Höllenwoche bekannt, dort wird noch mal härter trainiert“, berichtet Candido, den es im Winter zurück in die Heimat zog. „Ich habe nicht genug Spielzeit bekommen, sodass ich in den USA an ein gutes College hätte gehen können. Zudem bin ich ein sehr familienverbundener Mensch. Nicht bei ihr zu sein, hat mir im Herzen wehgetan“, sagt er.

Candidos Vater ist Capoeira-Meister

Candidos Vater stammt aus Brasilien, wurde in der Kampfkunst Capoeira fünfmal Meister seines Heimatlandes. Auch seine Mutter kommt aus dem Kampfsport, war Karate-Vizeweltmeisterin. „Durch Capoeira habe ich eine deutlich beweglichere Hüfte. Die Erfahrungen dort helfen mir auch, um Bewegungen oder Aktionen aus dem Augenwinkel zu antizipieren“, sagt Candido, der den Sport seines Vaters im Alter von fünf bis 16 Jahren betrieb. Dann war irgendwann keine Zeit mehr neben dem Football, wo er Mitglied der Jugendnationalmannschaft war.

Aus seiner Zeit bei den Huskies kennt Candido, der abgesehen von seinem Studium (Wirtschaftsinformatik) und einem Werkstudenjob nebenbei für Adidas und AboutYou modelt, viele Spieler aus dem aktuellen Kader der Sea Devils. Obwohl im Winter kein reguläres Teamtraining stattfand, traf er sich mehrmals pro Woche mit anderen Hamburger Spielern des Teams im Fitnessstudio.

„Die Sea Devils sind eine sehr familiäre Umgebung. Deshalb hatte ich schon früh das Gefühl, hier richtig angekommen zu sein“, sagt Candido. Die Kombination aus harter Arbeit und familiärem Zusammenhalt – sie stimmt bei den Sea Devils.