Hamburg. Erster Auftritt am 11. Juni im Volksparkstadion. Gemischtes Team kämpft um Anerkennung als Leistungssport und gegen Sexualisierung.
Beim Betreten der HSV-Trainingshalle in Stapelfeld wirkt es zunächst, als hätte man sich in der Adresse geirrt. Das dicke blaue Auge, das einem in dem dunklen Gang entgegenkommt, erinnert eher an ein Kickbox-Training als an eine Cheerleading-Gruppe.
Halb so wild, sagt Trainerin Shalin Meitzner, ihre Tänzerin habe bei einer Pyramide nur einen Fuß im Gesicht abbekommen. Nichts ungewöhnliches bei den HSV-Cheerleadern, die in diesem Jahr die Hamburg Sea Devils in der American-Football-Europaliga ELF an der Seitenlinie unterstützen.
Cheerleading und American Football gehören zusammen
„Cheerleading und American Football gehören untrennbar zusammen. Das ist historisch in den USA so gewachsen, wo Cheerleading an der Football-Sideline entstanden ist“, sagt Meitzner, die die HSV-Cheerleading-Sparte als Abteilungsleiterin koordiniert.
Bei der Gründung der Abteilung im Jahr 2020 fingen Meitzner und Co. mit 15 Mitgliedern an, mittlerweile ist Abteilung auf neun Teams mit insgesamt rund 200 Sportlern angewachsen. Als Meitzner hörte, dass die Sea Devils ein Cheerleading-Team suchen, nahm sie selbstständig Kontakt zu Generalmanager Max Paatz auf. Der sagte sofort zu. „Es ist ein riesiger Gewinn, solch unglaublich engagierte Sportlerinnen und Sportler an unserer Seite zu wissen“, sagt Paatz.
30.000 Zuschauer am 11. Juni erwartet
Beim Heimspielauftakt der Sea Devils wartet am 11. Juni gegen Rhein Fire bereits eine beeindruckende Kulisse auf die Cheerleader. Im Volksparkstadion werden rund 30.000 Fans erwartet – ein Zuschauerrekord für die ebenfalls erst seit rund drei Jahren existierende ELF.
Bei den Heimspielen der Sea Devils tritt eine Art Hamburger All-Star-Team auf, die besten HSV-Cheerleader haben sich dafür vereinzelt Verstärkung von den ACP Giants und WTB Savages geholt, auf die sie normalerweise im Wettkampfbetrieb treffen. „An der Sideline geht es nicht um eine Maximalleistung in 2:30 Minuten, sondern eine durchgängige Unterhaltung über das ganze Spiel“, erklärt Meitzner. Im Wettkampf-Cheerleading entscheidet eine Jury über den Sieger.
HSV tritt normalerweise im Wettkampf an
Die Vorbereitung auf einen Wettkampf wie der offenen Europameisterschaft, wo der HSV von diesem Freitag bis Sonntag im Moviepark Bottrop antritt, sei stets besonders zehrend. „Da braucht man viel körperliche und mentale Stärke. An der Sideline hat man mit dem Publikum hingegen ein leichteres Spiel. Wenn da mal eine Kleinigkeit nicht funktioniert, merken die Fans das oft gar nicht“, sagt Meitzner.
Vor rund zehn Jahren seien die meisten Cheerleading-Teams noch an der Sideline aufgetreten, während der Wettkampfbetrieb eine untergeordnete Rolle spielte. Dies habe sich mittlerweile gedreht.
Anders als beispielsweise beim Danceteam der Veolia Towers Hamburg gehören auch mehrere Männer zu den HSV-Cheerleadern. Nur so sind die akrobatisch anspruchsvollen Wurf-Choreographien („Baskets“) oder die viel Kraft beanspruchenden Hebefiguren („Pyramiden“) möglich. „Die Towers haben ein reines Dance-Team. Wir hingegen vereinen Dance und Stunt“, erklärt Meitzner.
Unterschied zum Danceteam der Towers
Durch die vielen akrobatisch-turnerischen Elemente, die dreimal wöchentlich hartes Training erfordern, könne man die Auftritte der HSV-Cheerleader auch nicht mit denen des Towers-Danceteams vergleichen. Eine Debatte um eine mögliche Sexualisierung der Cheerleaderinnen wie im Fall Alba Berlin sieht Meitzner deshalb nicht.
Der Basketball-Bundesligist hatte 2019 entschieden, sich von seinem langjährigen Danceteam zu trennen. Man sei „zu der Überzeugung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt“, sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi damals.
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„Es gibt einen Unterschied zwischen Dance-Teams beim Basketball und Cheerleading beim Football. Bei den Towers, wo ich selbst eine Saison lang getanzt habe, wurde aber auch sehr viel Wert darauf gelegt, dass es nicht zu einer Form der Sexualisierung kommt“, sagt Meitzner. „Wenn man sich gut verkauft und den Zuschauern so bewusst macht, dass wir einen Leistungssport betreiben, sollte es einleuchtend sein, dass es einfach um Sport, Akrobatik und Ästhetik geht.“ Das blaue Auge dürfte dafür Beweis genug sein.