Hamburg. Hamburger Vereine begrüßen die Maßnahmen, fordern aber konkrete weitere Schritte, um besser planen zu können.
Die Politik hat dem Breiten- und Freizeitsport wieder die Pforten geöffnet. Zumindest einen Spalt weit. In einem dreiteiligen Stufenplan profitieren in Hamburg (Inzidenz zwischen 50 und 100) von diesem Montag an vor allem Kinder unter 14 Jahren und Frischluft-Individualsportler von den ersten Lockerungen. Zwei Wochen später, vom 22. März an, sollen dann auch die ersten Mannschaftssportarten unter freiem Himmel für über 14-Jährige stattfinden. Bei einer zu erwartenden stabilen Inzidenz zwischen 50 und 100 bedeutet das: Kontaktsport draußen und kontaktfreier Sport in der Halle. Voraussetzung ist ein negativer Corona-Test jedes Beteiligten bei jedem Training. Bei gleichbleibendem Wert sollen diese vom 5. April an nicht mehr notwendig sein.
Der Tenor der Sportvereine Hamburgs dazu ist zunächst positiv: „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, „das ist der richtige Weg zum Ziel“, „jede noch so kleinste Öffnung bringt uns ein Stück weiter.“ Die Freude über ein erstes Signal aus der Politik ist groß. Gleich im Anschluss hagelt es jedoch viel Kritik: „Die Lockerungen gehen nicht annähernd weit genug“, klagt Ulrich Lopatta, der Vorsitzende des Walddörfer SV, der vor allem bemängelt, dass viel zu wenig differenziert wird. Es gebe Dinge, die schon die ganze Zeit über hätten erlaubt sein sollen. „Wieso darf eine Familie aus einem Haushalt keinen gemeinsamen Platz in der Tennishalle buchen? Sie sehen sich doch ohnehin.“ Viele der Maßnahmen hätten von Beginn an keinen Sinn ergeben. Für Lopatta „eine Einschränkung der Grundrechte“.
Corona: Hamburger Vereine brauchen mehr Perspektive
Vor allem die Art und Weise der Lockerungen beklagen die Clubs. Die Anforderungen seien zu schwammig formuliert. „Es ist unmöglich zu planen und zu organisieren, wenn man nicht genau weiß, was man darf“, sagt Mike Schreiber, Geschäftsführer des Niendorfer TSV. „Wir brauchen klarere Aussagen, sonst müssen wir in jede Maßnahme etwas reininterpretieren.“ Viele denken zudem nicht, dass die Selbsttestmaßnahme realisierbar ist.
„Das ist viel zu kompliziert“, sagt Gert-Rüdiger Wüstney vom Ruderclub Favorite Hammonia, für dessen Verein sich durch die Lockerungen bisher nichts geändert hat. Wassersport in Einer- und Zweier-Booten war schon vorher möglich, die größeren Boote bleiben jedoch weiter unbemannt. Auch die Frage, wer die Tests bezahlt, muss gestellt werden. Die Sportler? Die ohnehin gebeutelten Vereine? Oder stellt der Staat Hilfen in Aussicht? Immerhin kostet ein Test rund fünf Euro.
Vereine: Kinder profitieren von Lockerungen
In einem Punkt sind sich alle einig: Die ersten Maßnahmen sind wichtig für Kinder und Jugendliche. „Sie haben extrem gelitten“, sagt Maarten Malczak, Referatsleiter Politik und Kommunikation des Hamburger Sportbundes. Von einem „Ende der sozialen Isolation hin zum sozialen Miteinander“ spricht Nizar Müller, Vorsitzender des VfW Oberalster, der sich genauso für die „Kleinen“ freut wie Jürgen Hitsch, Geschäftsführer von Grün-Weiß Eimsbüttel: „Endlich geht es wieder los. Die Kinder und Eltern sind für jeden noch so kleinsten Schritt dankbar.“
Schritte, die der Verein jetzt ausnutzen will, so wie auch der VfW. Dort liegen konkrete Pläne vor, um die Kinder wieder an den Sport heranzuführen. Ein Fußballcamp soll so bald wie möglich stattfinden, das einem weiteren Zweck dienen dürfte: neue Mitglieder zu gewinnen. Der Aderlass ist schließlich riesig, im Durchschnitt mehr als zehn Prozent bei den Hamburger Vereinen.
Corona: Vereine kämpfen gegen Mitgliederschwund
„Für jedes austretende Mitglied trat bisher ein neues ein“, sagt Niendorfs Schreiber. So lief es normalerweise. Doch seit Beginn des Lockdowns vor einem Jahr treten vermehrt Mitglieder aus, vor allem jene, die im Fitness- oder Schwimmbereich aktiv waren. Das größte Problem ist jedoch: Niemand tritt neu ein. Der NTSV verlor bereits 1400 seiner 8400 Mitglieder (fast 17 Prozent) – und ist damit nicht allein. Beim Walddörfer SV sind es 16, beim Eimsbütteler TV traten zehn Prozent aus.
Etwas entspannter sieht Müller die Lage bei Oberalster. Wie viele andere Vereine entwickelt der Club Modelle, um Mitglieder zurückzugewinnen und neue anzuwerben. Maßnahmen, die Favorite Hammonia nicht braucht. Der Ruderclub, dessen Sport maximal in Kleingruppen und draußen stattfindet, hatte nicht mit Abgängen zu kämpfen, er gewann sogar neue Mitglieder dazu.
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Das ist aber eher ein Einzelfall. Die überwältigende Mehrheit leidet unter dem Ausbleiben eingeplanter Beiträge. „Gerade das Geld aus den Sparten Schwimmen und Fitness fehlt, um unsere Jugendmannschaften zu finanzieren“, sagt Schreiber. „Zudem fehlen 80.000 Euro aus der Vermietung der Tennishalle.“ Rücklagen, die für neue Hallen geplant waren, sind längst weg, tiefrote Zahlen im Sommer nicht zu vermeiden.
Auch auf den Walddörfer SV warten harte Jahre. „Im Vergleich zu anderen Branchen trifft uns Vereine die Krise mit Verzögerung“, sagt Lopatta. Mehr als 100 Clubs sind bereits im Austausch mit dem Hamburger Sportbund über finanzielle Unterstützungen, fast zwei Millionen Euro wurden bereits aus den Hilfsfonds der Stadt abgefordert. Nach Meinung der Vereine sei die größte Hilfe allerdings, den Sportbetrieb freizugeben, so weit es möglich ist. Entsprechende Hygienekonzepte gebe es schon seit dem ersten Lockdown.