Hamburg. Wir dürfen nicht länger ein Volk der Bewegungslosen bleiben – die Beschlüsse der Politik gehen noch nicht weit genug.
Wenn Bund und Länder in den vergangenen Monaten zur Corona-Krise tagten und ihre Beschlüsse vorstellten, suchte man vergeblich nach dem Wörtchen Sport. Die meisten der 28 Millionen Menschen in den 90.000 im Deutschen Olympischen Sportbund organisierten Vereine sind wegen der Corona-Pandemie bis heute zur Bewegungslosigkeit verurteilt.
Insofern darf in einer Zeit, in der es billig ist, auf die Entscheidungen der Politikerinnen und Politiker zu schimpfen, auch einmal gelobt werden: Offensichtlich haben sie endlich verstanden, dass es sich beim ja immer etwas staubig klingenden Begriff „Breitensport“ nicht in erster Linie um ein Freizeitvergnügen handelt, was in der Prioritätenliste ganz unten einzuordnen ist, sondern um einen essenziell wichtigen Teil unserer Gesellschaft.
Sport schützt präventiv vor vielen Volkskrankheiten
Allerdings, so muss gleich eingeschränkt werden, sind die vorgestellten Rahmenbedingungen und Stufenpläne für mögliche Öffnungen nicht mehr als ein kleiner Hoffnungsschimmer, sie bleiben unterm Strich immer noch halbherzig. Viele Experten haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Sport eben nicht Teil des Problems in der Pandemie ist, sondern ein Teil der Lösung sein kann. Schließlich stärkt sportliche Betätigung das Immunsystem, sie schützt präventiv vor vielen Volkskrankheiten wie Herzinfarkt oder Diabetes.
Doch nicht nur das: Was gerade der jüngeren Generation zugemutet wird, ist dramatisch. Die Folgen, die ein so langer Stillstand im Sport haben wird, sind nicht absehbar. Wenn 14- bis 18-Jährige in der wichtigsten Phase ihrer körperlichen Entwicklung auf für sie brutale Art und Weise zum Nichtstun verurteilt sind, ist das verlorene Zeit, die nie mehr aufgeholt werden kann.
Verbesserung der Lebensqualität
Noch schlimmer: Haben sie in jungen Jahren nicht gelernt, den Sport in ihren Alltag zu integrieren, wird es ihnen als Erwachsenen noch schwerer fallen, und das kann signifikante gesundheitliche Folgeschäden haben. Mal abgesehen davon, dass indirekt auch der Leistungssport leiden wird, weil ihm viele Talente verloren gehen.
Selbstverständlich geht es hier nicht darum, tollkühne Lockerungen zu fordern, die die Ansteckungsgefahr auf Sportflächen erhöhen. Aber: Warum soll es nicht möglich sein, verantwortungsbewusste und differenzierte Modelle für Öffnungen auszuarbeiten, die zum Beispiel schon jetzt Seniorensport in Hallen ermöglichen – zum Beispiel mit einer geringen Teilnehmerzahl, mit Impfpässen und Tests? Man stelle sich nur vor, welche Verbesserung der Lebensqualität für viele ältere, vereinsamte Menschen damit einherginge.
Problematische Notbremsen
Problematisch sind die am Mittwoch von der Politik eingebauten Notbremsen: Wie soll ein Verein seine Angebote planen, wenn er Gefahr läuft, dass innerhalb weniger Tage die Erleichterungen wieder gestrichen werden? Und müssen diese Stufenpläne für bestimmte Bereiche des Sports überhaupt greifen? Gerade erst haben 500 Epidemiologen und Experten aus dem Gesundheitsbereich ein Raster der Ansteckungsrisiken erstellt: Demnach gehört Sport im Freien in die Kategorie drei mit einem niedrigen Risiko.
Die Länder und Landkreise sollten deshalb nicht übervorsichtig agieren, sondern ihre Energie lieber darauf verwenden, welche Schritte nun im Sport folgen und wie klare Regelungen aussehen können. Perspektiven gilt es auch für Fitnessstudios aufzuzeigen, die für viel Geld ausgeklügelte Hygienekonzepte erstellt und Schutzmaßnahmen (wie Plexiglaswände) vorgenommen haben.
Kluge Initiativen sind nötig
Und vergessen wir nicht: Wie in allen anderen Bereichen drohen auch im Breitensport Insolvenzen im Stillstand. Wenn Menschen ihre Jobs verlieren und in Kurzarbeit sind, ist es nur zu verständlich, wenn sie ihre Mitgliedschaft in einem Verein kündigen, weil ihnen keine Dienstleistung für ihr Geld angeboten werden kann.
Es wird in einigen Monaten, wenn die Pandemie hoffentlich abgeflacht ist, kluge Initiativen brauchen, um die Menschen zu animieren, wieder in die Clubs zurückzukehren und neue Mitglieder zu werben. Ob dies angesichts veränderter Gewohnheiten der Menschen in dem Maße gelingen wird, wie es für die Betriebe wirtschaftlich notwendig ist? Das weiß heute noch niemand.