Frankfurt/Main. Gebürtiger Hamburger zieht Konsequenzen aus Berichten über verschwiegene Einkünfte. Koch und Rauball übernehmen kommissarisch.
Am Ende kam die Nachricht nicht mehr überraschend – nur der Zeitpunkt verblüffte die Beobachter: Der Hamburger Reinhard Grindel ist am Dienstag von seinem Amt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten.
Das gab der 57-Jährige in Frankfurt in einer persönlichen Erklärung in der Verbandszentrale bekannt, nachdem er in den vergangenen Tagen mehr und mehr unter Druck geraten war. Mit dem Rücktritt zog Grindel die Konsequenzen aus den neuerlichen Negativschlagzeilen und ständigen Putsch-Gerüchten – am Ende zwang ihn die Affäre um eine geschenkte Luxusuhr zu gehen.
"Ich entschuldige mich dafür, dass ich durch mein wenig vorbildliches Handeln in Zusammenhang mit der Annahme einer Uhr Vorurteile gegenüber haupt- oder ehrenamtlich Tätigen im Fußball bestätigt habe", erklärte Grindel, der das Wertstück vom ukrainischen Funktionär Grigori Surkis 2017 zum Geburtstag geschenkt bekommen, aber nicht gemeldet hatte.
Reinhard Grindels Rücktrittserklärung im Wortlaut
Er sei "fassungslos", dass ihm dieser Fehler unterlaufen sei, allerdings auch "tief erschüttert" und "traurig, dass ich wegen eines solchen Vorgangs öffentlich so dastehe". Grindels Stellungnahme endete mit der Bitte um eine "faire Beurteilung" seiner knapp dreijährigen Amtszeit.
Koch und Rauball äußern Respekt
Bis zum DFB-Bundestag am 27. September werden wie vor Grindels Wahl die Vize-Präsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch das Amt kommissarisch bekleiden.
"Mit Blick in die Zukunft kam das Präsidium überein, dass man die kommenden sechs Monate bis zur Wahl eines neuen Präsidenten nutzen wolle, um einen Kandidaten zu finden, der sowohl vom DFB als auch von der DFL getragen werde", hieß es in einer Stellungnahme des DFB.
Koch und Rauball zollten Grindel "großen "Respekt" für dessen Rücktritt. "Reinhard Grindel hat sich mit hohem persönlichem Engagement für den DFB eingebracht und nicht nur in der Bewerbung um die EURO 2024 viel für den Verband getan", sagte Koch. Und Rauball sagte: "Der Druck auf seine Person ist in den vergangenen Wochen auf unterschiedlichen Ebenen permanent gestiegen." Daher sei es "im Sinne des deutschen Fußballs und seiner Handlungsfähigkeit, den Weg für einen personellen, aber auch strukturellen Neuanfang innerhalb des DFB freizumachen".
Grünen-Chefin bringt Silvia Neid ins Spiel
Grindel war am 15. April vom DFB-Schatzmeister zum Nachfolger des im Zuge des Sommermärchen-Skandals zurückgetretenen Wolfgang Niersbach aufgestiegen. Ein Jahr später war er ins Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (Uefa) sowie als Uefa-Vertreter ins Council des Weltverbands Fifa gewählt worden. Diese beiden Ämter sind unabhängig von seiner Tätigkeit beim DFB.
Nach Grindels Rücktritt dringt die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock auf eine Erneuerung des Verbands. "Themen liegen auf der Hand: Fußball Fans zurückgeben, Spieltage nicht weiter zerteilen, Transparenz und gesellschaftl. Verantwortung nach vorne", schrieb Baerbock am bei Twitter. Mit Blick auf eine Nachfolgeregelung fügte sie an: "Vielleicht Zeit für eine kluge Frau wie Silvia Neid?"
Der Präsident des Niedersächsischen und des Norddeutschen Fußballverbandes, Günter Distelrath, nahm Grindels Schritt indes "mit Respekt und Bedauern zur Kenntnis". Dies teilte der niedersächsische Verband mit. "Mit ihm verliert der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen Präsidenten, der sich so stark wie kaum einer seiner Vorgänger für die Belange des Amateurfußballs eingesetzt hat und maßgeblichen Anteil daran hat, dass die EURO 2024 in Deutschland ausgetragen wird", erklärte Distelrath.
Distelrath, seit September 2017 im Amt und zudem auch Präsident des norddeutschen Fußballverbandes, kündigte an, dass es nun "die gemeinsame Aufgabe vom DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen ein Präsident die wichtigen Herausforderungen des Fußballs der Zukunft bewältigen und gestalten kann".
Kritik an Grindel wegen nicht angegebener Honorare
Grindel war am Montagabend bei der Hall of Fame im Deutschen Fußballmuseum mit der gesamten Fußball-Prominenz, darunter Uwe Seeler und Franz Beckenbauer, dem Roten Teppich und allen Fragen ausgewichen. Dabei wurde schon gemutmaßt, dass sein Abgang nicht mehr fern sei.
Grindel hatte sich als "Präsident peinlich" ("Spiegel") entpuppt, nachdem bekannt wurde, dass er Einnahmen verschwiegen hatte, obwohl er seine Amtszeit unter das Motto der Transparenz gestellt hatte. Grindel ist auch mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Russland und für das Aufarbeiten der Pleite.
Hier allerdings hat sich offenbar als positiv erwiesen, dass der Verband an Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff festgehalten hat. Zumindest war der Auftakt in die EM-Qualifikation gelungen.
Nach den vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erhobenen Vorwürfen, dass Grindel Zusatzeinkünfte über 78.000 Euro als Aufsichtsratschef der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft in den Jahren 2016 und 2017 nicht publik gemacht habe, fand der einstige CDU-Berufspolitiker in den vergangenen Tagen kaum noch Rückhalt in der Verbandsspitze. Die DFB-Presseabteilung versicherte, dass Grindel bei seinem Amtsantritt korrekte Auskünfte über seine Einkünfte gemacht habe. Den gut dotierten Aufsichtsratsposten trat er drei Monate später an.
Auch Matthäus und Rettig äußern Kritik
Am Montagabend war die Kritik an Grindel bereits lauter geworden. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sagte: "Wenn man in solch einer Position ist und solche Dinge ans Licht kommen, sollte man zumindest Argumente haben, um sie so schnell wie möglich beiseite zu räumen. Beim DFB wird aber schon einmal gerne zu lange rumgeeiert."
Auch Andreas Rettig, Noch-Geschäftsführer beim Zweitligisten FC St. Pauli, ging verbal auf Distanz: "Einen Platz in der Hall of Fame würde Grindel heute sicher nicht bekommen. Das Erscheinungsbild des DFB ist schon seit längerer Zeit verbesserungswürdig."
Grindel und die Özil-Affäre
Gemeint sein dürfte vor allem das Jahr 2018, als auf das erstmalige WM-Vorrundenaus der deutschen Nationalmannschaft in Russland die Affäre um Mesut Özil folgte. Der 30-Jährige musste nach einem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan den WM-Sommer über harsche Kritik einstecken und fühlte sich vom DFB nicht ausreichend beschützt.
Die Karriere des Hamburgers Grindel (2016)
Danach trat Özil mit einem via Social Media verbreiteten Rundumschlag aus der DFB-Elf zurück und übte dabei auch harsche Kritik an Präsident Grindel. Dieser räumte später ein: "Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen. Da hätte ich klare Worte finden sollen."