Dortmund. Bernardo Silva wird meist von anderen Stars in den Hintergrund gedrängt. Sein Können aber macht Portugal zu einem EM-Favoriten.

Fußballmannschaften bestehen meist aus einem Star, der alles überstrahlt. Aus Arbeitern, geliebt für ihre Grätschen. Aus Mitläufern, ohne die es auch nicht geht. Und dann gibt es Bernardo Silva, für den es gar nicht so leicht ist, eine passende Rollenbeschreibung zu finden. Beliebt ist er, anerkannt auch, trotzdem tritt er nie dauerhaft in den Vordergrund. Einer der besten Fußballer der Welt, dessen Name der breiten Öffentlichkeit nicht sofort auf der Zunge liegen dürfte.

Am Samstagabend im Dortmunder Stadion stand vor dem Portugiesen der kleine, silberne Pokal für den Spieler des Spiels; gerade noch hatte Silva unten in der Kabine geduscht, jetzt saß er einige Etagen weiter oben im Medienraum und berichtete, dass er sehr froh sei über das Spiel seiner Mannschaft gegen die Türkei, über den souveränen 3:0-Erfolg, durch den sich Portugal bereits nach dem zweiten Vorrundenspiel als Gruppensieger für das Achtelfinale qualifiziert hatte. „Es ist ein weiterer Schritt, um unserem Ziel näher zu kommen. Wir wollen Europameister werden.“

Bernardo Silva: „Wir sind auf dem richtigen Weg“

Diesmal rückte also die Auszeichnung für den Mann des Abends den kleinen Portugiesen in den Vordergrund, meist ziehen andere die Kameras auf sich. Bei seinem Klub Manchester City sind dies Erling Haaland und Kevin De Bruyne, bei Portugal natürlich Cristiano Ronaldo. Der alternde Weltstar, der immer im Scheinwerferlicht steht. In Dortmund jagten ihn mehrere Flitzer, um ein Selfie zu ergattern, zudem überzeugte der 39-Jährige durch eine uneigennützige Vorlage für Bruno Fernandes.

Uuuuuunnnd Tor! Bernardo Silva trifft zum 1:0.
Uuuuuunnnd Tor! Bernardo Silva trifft zum 1:0. © dpa | Friso Gentsch

Bernardo Silva aber war der Ruhepol bei den Portugiesen. Pässe blieben am Fuß des 29-Jährigen kleben. Unbeeindruckt vom Hau-Ruck-Fußball der Türken beruhigte er das Spiel, wenn dies nötig war, beschleunigt es wieder, wenn sich die Gelegenheit bot. Die Chance zur Führung nutzte er durch einen platzierten und harten Schuss in die rechte Ecke: sein erstes Tor bei einer Europameisterschaft. Dies sei ihm egal, meinte der Torschütze. Wichtig sei der erste Platz in der Gruppe. „Wir waren sehr gut. Sie haben stark gepresst, doch wir konnten das kontrollieren. Wir konnten kontrollieren, wie gefährlich sie sind.“ Seine Mannschaft wachse. „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

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Als Portugal 2016 in Frankreich den EM-Titel feierte, gehörte Silva nicht zum Kader. Damals begann die Karriere des in Lissabon geborenen Talents gerade. Ausgebildet wurde er in seiner Heimatstadt bei Benfica, von 2014 bis 2017 blieb der Mittelfeldspieler in Frankreich bei der AS Monaco. Dann überzeugte ihn Trainer Pep Guardiola, sich Manchester City anzuschließen. 50 Millionen Euro betrug die Ablösesumme. Sie sollte sich lohnen, denn Silva hat eine tragende Rolle in Guardiolas Erfolgself. Sechs Meistertitel gewann er, einmal hielt er die Champions-League-Trophäe in den Händen. „Er ist bescheiden und alle in der Kabine lieben ihn“, hat Guardiola über Silva erzählt. „Er trägt keine Ohrringe, keine Tattoos, fährt ein ganz normales Auto. Ich habe das Glück, viele Spitzenspieler zu trainieren, und er ist einer der besten, weil er so clever ist.“

Wechselgerüchte um Bernardo Silva halten sich hartnäckig

Silvas Vertrag bei Manchester City gilt bis 2026, die Vereinbarung soll allerdings eine Ausstiegsklausel von knapp 60 Millionen Euro enthalten. Wechselgerüchte fliegen hartnäckig durch die Medien. Paris Saint-Germain und dem FC Barcelona wird ein Interesse an dem Hochbegabten nachgesagt. Abwarten.

Erst mal steht ohnehin die portugiesische Reise bei dieser Europameisterschaft im Vordergrund. Bernardo Silva ist ein Beleg dafür, dass die Mannschaft von Trainer Roberto Martinez längst von anderen Persönlichkeiten als Cristiano Ronaldo getragen wird. Gemeinsam mit Bruno Fernandes gibt Silva den Rhythmus des Offensivspiels vor, durch seine Ballsicherheit, durch seine Laufstärke. „Wir sind bereit für die K.o.-Runde“, meinte er.

Am 1. Juli tritt Portugal als Gruppensieger im Achtelfinale in Frankfurt an, der Gegner muss erst noch ermittelt werden. Zuvor steht das letzte Gruppenspiel gegen Georgien an. Roberto Martinez verriet, dass er in dieser Begegnung anderen die Chance geben möchte, ihr Können zu präsentieren. Vielleicht darf Silva daher seine Beine schonen, spätestens im Achtelfinale wird er wieder gebraucht. Als Schatten-Star, der einer Hauptgründe ist, warum die Portugiesen zu den Titelfavoriten gezählt werden müssen.