Gelsenkirchen. Mit einem Sieg ohne Glanz ist Mitfavorit England in die EM gestartet. Die Three Lions besiegen Serbien dank Jude Bellingham mit 1:0.
Als Jude Bellingham in der 86. Minute den Rasen verließ, sprangen Zehntausende Engländer auf und stimmten direkt danach die Nationalhymne an. Sie wussten, wem sie es zu verdanken hatten, dass England, als Mitfavorit in die EM gestartet, zu diesem Zeitpunkt gegen Außenseiter Serbien führte. Ohne Glanz gewann England mit 1:0 (1:0), musste zwischenzeitlich zittern. Bellingham aber machte den Unterschied.
Überschattet von Auseinandersetzungen in der Gelsenkirchener Innenstadt am Nachmittag - die Polizei nahm nach eigenen Angaben sieben serbische Fans in Gewahrsam - begegneten sich die Fangruppen am Abend im Stadion wieder, freundlich behandelten sie sich wieder nicht: Sie pfiffen bei der Nationalhymne des Gegners.
Die aufgeheizte Stimmung machte Bellingham überhaupt nichts aus - obwohl er, kaum zu glauben, immer noch erst 20 Jahre alt ist. Die 10 trägt er auf dem Rücken - eine Nummer, die vor ihm Geoff Hurst, Gary Lineker, Wayne Rooney trugen. Bellingham wirkte schnell wie der heimliche Kapitän, dürfte definitiv (keine schwierige Prognose) der künftige sein, wenn Harry Kane einmal aufhört. In Verletzungspausen bat ihn Trainer Gareth Southgate an die Seitenlinie - und nicht die anderen, viel erfahrenen Kollegen.
Jude Bellingham bringt England per Kopfball zur Führung
Als großes Talent hatte Bellingham Borussia Dortmund vor einem Jahr verlassen, als Champions-League-Sieger mit Real Madrid und Weltklasse-Spieler kehrte er ins Ruhrgebiet zurück und bestimmte im Alleingang die erste Hälfte des Spiels. Es brauchte nur 13 Minuten, bis Bellingham der ganzen Fußball-Welt einmal mehr zeigte, was ihn in der Offensive so stark macht. Mit einem gescheiten Pass aus dem Fußgelenk setzte er Kyle Walker auf der rechten Seite ein und begann einen 50-Meter-Laufweg in den Strafraum. Walker spielte den Ball weiter auf Bukayo Saka. Die abgefälschte Flanke des FC-Arsenal-Rechtsaußen landete bei Bellingham, der per Kopf zum 1:0 vollendete. Es war in Pflichtspielen bereits das 25. Saisontor für den 1,86 Meter großen Top-Star. Ein eigenes Lied mussten die englischen Fans gar nicht erfinden. Sie riefen „Hey Jude“, den Klassiker der Beatles.
Die Engländer hatten es vor 50.000 Zuschauern in Gelsenkirchen sehr lange leicht. Den Serben fiel nicht mehr ein, als den eigenen Strafraum zu verrammeln, Spielwitz im Offensivspiel fehlte zunächst komplett. Nur wenn den Engländern vermeidbare Fehler in der eigenen Hälfte unterliefen, wurde es etwas gefährlich. In der 20. Minute verlor Trent Alexander-Arnold beispielsweise am eigenen Strafraum den Ball, Aleksandar Mitrovic schoss ganz knapp am rechten Pfosten vorbei.
England zeigt kein herausragendes Spiel, aber führt verdient zur Halbzeit
Das Spiel diktierten die Engländer - weil Bellingham auch außerhalb seines Tores besonders auffiel: Er kam allein in der ersten Halbzeit auf 56 Ballkontakte, entschied aber auch 80 Prozent der Zweikämpfe für sich. Ein Hackentrick hier, ein punktgenauer Seitenwechsel dort - eine Wow-Leistung. Auch an der zweiten guten Chance der Engländer war er beteiligt: Er leitete den Angriff ein, den Kyle Walker knapp am linken Torpfosten vorbeischoss (22.). 1:0 zur Pause für England, kein herausragendes Spiel, aber eine verdiente Führung.
DFB-Team: Die aktuellsten News zur deutschen Nationalmannschaft
- TV-Kritik: Kramer und Mertesacker sind die heimlichen Stars der EM
- VAR-Eingriffe bei der EM: Ist das im Sinne des Fußballs?
- Dänemark nach VAR-Entscheidung sauer: „Lächerlich“
- Pressestimmen: „VAR rettet Deutschland vor Dänemark“
- „Liebe ihn“: Kramer schwärmt von BVB-Star Schlotterbeck
- Nico Schlotterbeck ist mehr als nur ein Reservist – Note 2
- EM 2024: So blickt das Ausland auf das Turnier in Deutschland
Doch auch Bellingham konnte nicht verhindern, dass die Serben deutlich verbessert aus der Kabine kamen und das Spiel zunächst klar dominierten. Das einzige Mittel der Engländer gegen das nun sehr mutige Pressing der Serben bestand aus weiten Befreiungsschlägen nach vorn. Obwohl der Ball oft in den englischen Strafraum flog, eine große Chance indes lange ausblieb, machten sich die in rot gekleideten serbischen Fans, die dort saßen, wo sonst die Fans des FC Schalke 04 in der Nordkurve stehen, lautstark bemerkbar, überstimmten die Engländer sogar. Das waren nicht mehr die selbstsicheren Three Lions aus der ersten Halbzeit - das war passiv, ungenau, einfach nicht gut. Der Außenseiter war dem Ausgleich nah.
+++ZDF-Experte Christoph Kramer redet sich in Rage+++
Bundesliga-Torschützenkönig Harry Kane vergibt große Chance
Erst als der Schlusspfiff näher rückte, kamen die Engländer auch in der gegnerischen Hälfte wieder zu nennenswerten Ballkontakten. Bundesliga-Torschützenkönig Harry Kane, bis dahin unsichtbar, vergab die große Chance zur Entscheidung. Seinen Kopfball in der 77. Minute lenkte Torwart Predrag Rajkovic mit einer Glanzparade gegen die Latte.
Beherzt blieb aber nur die Leistung der Serben, die einmal noch den Ausgleich hätten erzielen können. Doch Englands Torwart Jordan Pickford parierte einen Schuss von Dusan Vlahovic. Es blieb beim Sieg für England. Die Serben hatten an diesem Abend keinen Bellingham.