Hamburg. Nach 25 Jahren scheidet der Organisator unfreiwillig aus. Doch ab Mittwoch soll fünf Tage lang der Pferdesport im Mittelpunkt stehen.
An einem Hindernis ist Hamburgs Pferdesport bereits vor dem 93. Deutschen Springderby am Himmelfahrtswochenende gescheitert: Einen friedlichen, harmonischen Wechsel im Management der Traditionsveranstaltung wird es nicht geben. Der Abschied von Derbychef Volker Wulff, dessen Agentur En Garde das fünftägige Ereignis in den vergangenen 25 Jahren zu internationaler Klasse führte, ist von Missklängen und Schuldzuweisungen getrübt. Verantwortung an dem Zerwürfnis hinter vornehmen Kulissen Klein Flottbeks übernimmt – natürlich keiner.
Grundlage des demnächst beendeten Geschäftsverhältnisses ist ein einstimmiger Vorstandsbeschluss des Norddeutschen und Flottbeker Reitervereins (NFR) vom 19. Februar dieses Jahres. Der Vertrag mit dem Dressurreiter und Turnierveranstalter Matthias Rath ist unterschrieben. Bei der Mitgliederversammlung des Vereins in der vergangenen Woche gab es keinen Widerspruch. Somit ist Wulffs unfreiwilliger Rückzug beschlossene Sache. Rechtlich geht das in Ordnung: Der Vertrag zwischen dem Rechteinhaber NFR und Volker Wulff läuft nach einem Jahrzehnt Dauer aus. Er hätte ausdrücklich verlängert werden müssen. Nach dem grauenhaften Unfalltod des NFR-Präsidenten Claus Büttner im Juni 2023 hat sich die Lage von Grund auf geändert.
Während Wulff trotz Verbitterung dankbar auf 25 Derbyjahre zurückblickt und für das Festival vom 8. bis 12. Mai erneut „Pferdesport vom Feinsten“ verspricht, hält sich Nachfolger Rath dezent im Hintergrund. Zu seinen Plänen will sich der Reitersmann mit Wurzeln in Boostedt bei Neumünster erst nach dem 93. Deutschen Derby äußern. „Alles andere wäre unsportlich und unhöflich“, sagt Rath.
Die Gespräche über sein Engagement beim Spring- und Dressurderby laufen seit mehr als einem Jahr. Eingefädelt wurden sie vom Hamburger Immobilienunternehmer Dietmar Dude, der das Ehrenamt als 1. Vorsitzender nach Büttners Tod übernahm. Ebenso wie sein Stellvertreter Klaus Meyer ist Dude seit Jahrzehnten im 1928 gegründeten Reiterverein aktiv. Den 12.000 Quadratmeter umfassenden Derbypark pachtete der Verein von Martin Freiherr von Jenisch. Auch diese Vereinbarung läuft 2024 aus. Sie wurde gerade um 15 Jahre verlängert, also bis 2039. Da der NFR in den kommenden Jahren rund 2,5 Millionen Euro in die teilweise maroden Tribünen investieren will, scheint dieser Zeitraum nur auf den ersten Blick üppig zu sein. Wahrscheinlich müssten langfristige Kredite aufgenommen werden, um die Qualität der Anlage zu sichern. Die Vision einer neuen Tribüne wird ohnehin kaum realisiert werden können.
Ein Kauf des Geländes ist vom Tisch, der Pachtvertrag verlängert
Die weit entwickelten Pläne mit einem Volumen von rund 15 Millionen Euro sind ad acta gelegt. 2019 hatte sich die Hansestadt bereiterklärt, drei Millionen Euro bereitzustellen. Bedingung: Zwei Drittel der Investitionen müssten privatwirtschaftlich gestemmt werden. Auch die Absicht der Stadt, den Derbypark von der Familie von Jenisch zu kaufen, konnte nicht realisiert werden. Folglich wird der Norddeutsche und Flottbeker Reiterverein Pächter bleiben.
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Durch großflächigen Grundbesitz auf dem Gelände der Reitanlage Flottbek am Hemmingstedter Weg sowie am Forst Klövensteen in Rissen ist der NFR wirtschaftlich abgesichert. Über Geld indes spricht der Vorstand gar nicht gerne. Das war so; und das bleibt so. Dennoch ist bekannt, dass Volker Wulffs Agentur En Garde für die Derbyrechte zuletzt etwa 75.000 Euro pro Jahr an den Verein überwies. Matthias Rath wird deutlich mehr als 100.000 Euro bezahlen müssen.
Das Derby hat sich in den vergangenen Jahren definitiv gut entwickelt
„Diese Zahlen kommentieren wir als hanseatische Kaufleute nicht“, sagte Schatzmeisterin Anka Winberg dem Abendblatt. Sie verweist auf den vorrangigen Vereinszweck der Reitsportförderung. Gut 300 Mitglieder sind im NFR aktiv, davon viele Kinder und Jugendliche. „Mancher heute große Namen hat einmal klein bei uns angefangen“, sagt Klaus Meyer, dessen Vater Hans Meyer einst die Reithalle am Hemmingstedter Weg bauen ließ. Klaus Meyer war mehr als drei Jahrzehnte NFR-Chef und wirkt aktuell als 2. Vorsitzender an Dietmar Dudes Seite. „Ein Teil des Geldes für die Derbyrechte fließt in die Nachwuchsförderung“, sagt Schatzmeisterin Anka Winberg. Zu Informationen, es habe zwischen NFR und Volker Wulff auch Probleme um vereinbarte Zuwendungen für ein Amateur- und Jugendturnier im Derbypark gegeben, möchte sich aus dem Vorstand niemand äußern.
Warum wird dann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Volker Wulff nicht fortgesetzt? Es herrscht Einigkeit, dass Derbychef Wulff die Veranstaltung sportlich aufwertete, Sponsoren wie Idee Kaffee bei Laune hielt, die Medienpräsenz ausbaute und im vergangenen Jahr mit 98.000 Zuschauern einen Besucherrekord verbuchte.
Der Reiterverein sieht sich an den Rand gerückt – wurde Dressur vernachlässigt?
Drei Gründe, so wird preisgegeben, sind Ursache für die unerwartete Klein Flottbeker Disharmonie. Durch Wulffs Vorpreschen und die öffentliche Information über das Aus nach einem Vierteljahrhundert hatte der Marketingprofi aus Uthlede bei Bremen den NFR in die Defensive gedrängt. Dass es Zwist auch um Geld gab, bestreitet keine Seite. Aus NFR-Sicht waren andere Kritikpunkte gravierender. „Der NFR besitzt die Rechte am Deutschen Derby“, sagt Dietmar Dude, „tatsächlich wurden wir mehr und mehr ins Abseits gedrängt.“ Letztlich habe die Tradition im Zusammenhang mit dem Reiterverein kaum noch eine Rolle gespielt. So sei der NFR in einem Magazin zu „100 Jahre Springderby“ überhaupt nicht vorgekommen. Außerdem, ist aus dem Vorstand zu hören, habe man bei En Garde einen Generationswechsel nach Plan vermisst. Zudem habe die Attraktion des parallel durchgeführten Dressurderbys nachgelassen.
Wulff selbst reagiert gelassen. „Das sind alles fadenscheinige Gründe“, sagt er. Er fühle sich ausgetrickst: „Hanseaten pflegen sich anders zu verhalten.“ Unter diesen Umständen hätte ihm ein weiteres Wirken in Klein Flottbek ohnehin keine Freude mehr bereitet. „Alles hat eben doch ein Ende“, meint Volker Wulff, „und ich werde 25 erfolgreiche, unter dem Strich wunderbare Derbyjahre in bester Erinnerung behalten.“
Weniger angenehm ist seine gesundheitliche Situation. Vom Arbeitsaufenthalt in Saudi-Arabien mit der Organisation eines Weltklasseturniers in Riad habe er eine schwere Infektion mitgebracht. Die letzten Tage musste Wulff mit hohem Fieber in einem Bremer Krankenhaus verbringen. Zuletzt ergaben die Laborergebnisse aufmunternde Nachrichten.
Die Stadt sei ein bisschen in Sorge, sagte der Sport-Staatsrat
Dazu trägt die Zusage des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) bei, am zweiten Maisonntag Gast des 93. Deutschen Springderbys zu sein. Im Rathaus wie in den Elbvororten wird diese Geste als Signal und Sympathiebekundung für Hamburgs Pferdesport verstanden. „Wir als Stadt sind von der Entscheidung und dem Wechsel im Derbymanagement kalt erwischt worden“, sagte der für den Sport zuständige Staatsrat Christoph Holstein, „und wussten nichts davon.“ Die Stadt sei „ein bisschen in Sorge, dass eine der spektakulärsten Sportarten Hamburgs ob interner Querelen in Schieflage“ geraten könne. Nach der Veranstaltung wolle man Kontakt zum neuen Derbychef aufnehmen. Vielleicht indes