Hamburg. Die Nationalspielerinnen der vier Hamburger Clubs arbeiten seit Februar jeden Mittwoch gemeinsam im Stadtpark – eine Reportage.
Valentin Altenburg hat gerade seine Spielerinnen im kleinen Kreis versammelt, um das Tagesprogramm durchzusprechen, da röhrt an der Einfahrt eine Maschine los, laut, sehr vernehmlich. „Das soll so ja auch nicht sein, jetzt“, sagt der Bundestrainer der deutschen Damen-Hockeynationalmannschaft (DANA).
Aber was will man machen? Der Kunstrasenplatz des THC Horn-Hamm im Stadtpark muss gereinigt werden, das Spezialunternehmen aus Weimar ist genau jetzt und heute hier gebucht – und Altenburg und die DANAs sind nur zu Gast. So ist das.
Hockeydamen: Olympiaqualifikation im Januar geschafft
Jeden Mittwoch seit Ende Februar sind die Nationalspielerinnen aus Hamburg mit ihrem Coach hier aktiv. Regelmäßig kommen noch Spielerinnen aus Berlin hinzu, die sich dafür frühmorgens in den Zug setzen und am Abend wieder zurück in die Hauptstadt fahren.
Großer Einsatz für das Ziel Olympische Spiele in Paris, das die Mannschaft mit ihrem Sieg beim Qualifikationsturnier im Januar in Indien klar gemacht hatte. „Das war eine Idee und Initiative der Spielerinnen“, sagte Altenburg, „es geht darum, nach Indien den Anschluss an das internationale Niveau nicht zu verlieren.“
Elf Kaderspielerinnen kommen aus Hamburg
Denn bei allem Respekt vor den Leistungen der Clubteams – Tempo, Intensität, individuelle Klasse und Beanspruchung in der Nationalmannschaft ist noch ein ganz anderer Schnack. „Bundesliga hat mit internationalem Hockey wenig zu tun“, sagt der Bundestrainer. Glücklicherweise sehen die Vereinstrainer das ebenso: „Es gab sofortige Unterstützung von ihnen, die Koordination läuft problemlos.“
Hamburg stellt mit elf Spielerinnen das größte Kontingent im deutschen Kader, sieben von ihnen waren beim Olympic Qualifier im Einsatz. Die Spielerinnen aus (Süd-)Westdeutschland und Vereinen in den Niederlanden absolvieren ihren „DANA-Mittwoch“ zeitgleich in Düsseldorf. „Wir haben hier in Hamburg mit den Spielerinnen aus Berlin insgesamt sechs Vereine am Start“, sagt Altenburg, „diese Termine sind auch gut, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mannschaft zu stärken, der soziale Austausch ist wichtig.“
Bundesathletiktrainer Emonts war früher beim FC St. Pauli
Die knatternde Reinigungsmaschine macht glücklicherweise mal Pause, als Janosch Emonts die Spielerinnen zum Dehnen und Aufwärmen bittet. Der Bundesathletiktrainer des Deutschen Hockey-Bundes war bis 2019 beim FC St. Pauli für die Fitness der Fußballprofis verantwortlich, verließ den Verein aber nach Differenzen mit dem damaligen Cheftrainer Jos Luhukay. Jetzt arbeitet er in Hamburg mit Norbert Siblum vom Olympiastützpunkt und Rainer Sonnenburg vom Hamburger Hockeystützpunkt im Athletikbereich zusammen.
„Die Mädels bekommen von uns individuelle Empfehlungen, wieviel und wie oft sie Ausdauer- und Athletiktraining machen sollten“, erklärt der 37-Jährige. Die Belastungen der Spielerinnen werden dafür bei Wettkämpfen und Stützpunkttrainings elektronisch aufgezeichnet. „Belastungssteuerung“ ist eben keinesfalls nur bei Fußballprofis angesagt.
Verfügbarkeit ein Erfolgsfaktor im Spitzensport
„Verfügbarkeit ist ein Erfolgsfaktor im Spitzensport“, erklärt Altenburg, der auch seine Spielerinnen ermutigen möchte, trotz aller wissenschaftlichen Unterstützung selbst in sich hineinzuhören: „Die Spielerinnen müssen lernen, auch mal Nein zu sagen, ihre Steuerung selbst zu leisten. Man darf nicht vergessen, dass bei Frauen auch der hormonelle Zyklus die Trainingsfähigkeit beeinflussen kann.“
Die Platzarbeiter haben sich in den hinteren Teil des Kunstrasens Richtung Open-Air-Bühne zurückgezogen, der wird nicht gebraucht. Statt der Kehrmaschine dröhnt Eminems Rap über den Platz: „Lose yourself“. Passt irgendwie gut zu den Torschüssen: Bass, klack, rap, bumm, Bass, klack – das ist ein Rhythmus, wo jede mit muss. Läuft hier, die Damen trippeln, schnappen sich die Kugel, drei, vier Schritte, ziehen ab, Rückhand oder Vorhand. Bumm. „Männer brauchen viel Zärtlichkeit“, singt Herbert Grönemeyer grade. Die DANAs hier und jetzt eher nicht.
Spielerinnen nur in der Liga Kontrahentinnen
„Das Training hier ist cool und macht echt viel Spaß“, sagt Emma Davidsmeyer (25) vom Club an der Alster, „es ist ein großer Vorteil, dass so viele Spielerinnen in Hamburg sind. Das Trainingsniveau ist einfach höher als im Club.“ Neben Alster sind auch Spielerinnen vom Großflottbeker THGC, dem Harvestehuder THC und dem Uhlenhorster HC dabei. „Konkurrentinnen sind wir nur, wenn wir mit den Clubs gegeneinander spielen“, sagt Amelie Wortmann (27) vom UHC.
Das wird an diesem Sonntag (12 Uhr) so sein, wenn der UHC den GTHGC mit Jette Fleschütz zum letzten regulären Saisonspiel in der Bundesliga empfängt. Da geht es um Platz drei oder vier in der Gruppe A und darum, wer im Viertelfinale Gegner von Gruppensieger Club an der Alster oder eventuell dem HTHC wird, der sich noch mit dem Berliner HC um Platz zwei in Gruppe B streitet. „Wir sind im Moment ganz gut drauf“, denkt Laura Saenger (29) vom HTHC optimistisch.
Am 29. April geht es zum Test nach Paris
Die Medizinstudentin arbeitet gerade an ihrer Promotion, auch Emma Davidsmeyer studiert parallel zur Olympiavorbereitung Medizin, sagt aber: Hockey steht zur Zeit an erster Stelle.“ Amelie Wortmann hat ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin bis nach Olympia unterbrechen können. Zu dem DANA-Mittwoch kommt halt noch zweimal die Woche Vereinstraining und am Wochenende die Spiele. „Planung ist das A und O“ erläutert Saenger wohl stellvertretend für alle Spielerinnen, die das Ziel Paris angehen.
Einen Vorgeschmack werden sie ab dem 29. April für eine Woche erhalten, wenn das komplette Team nach den Viertelfinal-Hinspielen für eine Woche in die französische Hauptstadt fährt und in Testspielen gegen Frankreich das olympische Hockeystadion kennenlernt.
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Nach einem intensiven Spiel auf Kleinfeld, volles Tempo, hin und her, ist Mittagspause im Clubhaus. Salat, indisches Hühnchen, Gemüse auf Reis. Alle an einem Tisch, auch Honorartrainer Julian Torres, der beim Club an der Alster und dem Hamburger Verband arbeitet und Altenburg Mittwochs unterstützt. Schwatzen, scherzen, etwas die wärmende Sonne in der viel zu kühlen Luft genießen, dann geht es weiter.
„Für mich ist erkennbar, dass dieses Training etwas bringt“, meint Valentin Altenburg, „die Nationalspielerinnen spielen gerade herausragend in der Bundesliga.“ Also, noch zwei Stunden bitte. Es gibt viel zu tun bis Paris. Und der laute Kunstrasenreiniger ist auch fertig.