Frankfurt/Main. Der Verband will mit dem Bundestrainer noch vor der EM verlängern. Das bringt viele Klubs in eine schwierige Lage. Auch den BVB.
Am Donnerstagvormittag präsentierte sich Julian Nagelsmann (36) gewohnt lässig, als er in seinem weißen Windbreaker über den Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schlenderte. Mit seinem Assistenten Sandro Wagner spielte sich der Bundestrainer gegenseitig ein paar Bälle zu, natürlich mit Wettkampffaktor: Wer durch die aufgestellten gelben Mini-Tore traf, gewann.
Zuvor hatte der DFB seinem wichtigsten Angestellten sprichwörtlich den Ball zugeschoben. „Die Chemie stimmt“, ließ Präsident Bernd Neuendorf über den Sport-Informationsdienst ausrichten. „Julian hat gesagt, dass er vor dem EM-Turnier gerne Klarheit über seine Zukunft möchte. Einem solchen Wunsch werden wir uns sicher nicht verschließen.“
DFB-Team: Zwei Spiele Zeit, um die Wende zu schaffen
Der Verband befindet sich mal wieder in einer misslichen Lage – nicht nur, weil die sportlichen Ergebnisse der vergangenen Monate nicht stimmten, und die Testspiele am kommenden Samstag in Lyon gegen Frankreich (21 Uhr/ZDF) und drei Tage später in Frankfurt gegen die Niederlande (20.45 Uhr/RTL) die letzten beiden Versuche darstellen, vor der Euro im eigenen Land die Wende zu schaffen.
„Wir haben den Trainer und den Menschen Julian Nagelsmann beim DFB in relativ kurzer Zeit kennen- und schätzen gelernt“, sagte Neuendorf: „Er identifiziert sich voll mit seiner Aufgabe und mit dem Verband und legt eine große Leidenschaft an den Tag. Er kennt unsere Wertschätzung für ihn.“ Nur ist das Problem, dass Nagelsmann über die EM hinaus keinen gültigen Vertrag besitzt.
Um das Thema im Sommer nicht hochkochen zulassen und das nächste Störgeräusch zu entfachen, hat sich der DFB dazu entschieden, in die Offensive zu gehen. Ein anderer Kandidat ist zudem weit und breit nicht zu sehen.
DFB geht bei Julian Nagelsmann in die Offensive
„Erfolgreiche Trainer schickt man nicht weg“, sagte der noch recht neue Geschäftsführer Andreas Rettig. Laut einem Bericht des kicker soll eine Weiterbeschäftigung an das Abschneiden bei der EM gekoppelt sein. Nagelsmann unterschriebe ein Arbeitspapier, in dem eine Klausel aktiviert wird, wenn bestimmte Ziele erreicht werden würden. Welche genau, ist unklar. Der 36-Jährige kokettierte derweil immer wieder damit, ab Sommer wieder einen Klub übernehmen zu wollen, weil er die tägliche Arbeit mit der Mannschaft präferiere.
Ein gesamtes oder halbes Jahr Pause käme nicht infrage, betonte Nagelsmann am Mittwoch. Es gäbe zwei Optionen: „Verband oder Verein.“ Andererseits: Warum sollte er die DFB-Option auch ausschließen? Weitere Unruhe kann niemand gebrauchen. Und die Verhandlungsposition gegenüber Klubs wird so sicherlich nicht schlechter.
Dass mehrere Vereine, die für Nagelsmann interessant wären, im Sommer einen Posten vakant haben, macht die Gemengelage noch pikanter. Bayern München etwa, wo Thomas Tuchel nach der Saison gehen muss. „Ich glaube, da haben ja schon ganz andere gesagt, dass man im Fußball nie etwas ausschließen sollte“, antwortete Vorstands-Chef Jan-Christian Dreesen auf die Frage nach einer Rückkholaktion.
Auch BVB sucht möglicherweise einen Trainer
Möglicherweise wird man auch bei Borussia Dortmund aktiv werden müssen. Hinter vorgehaltener Hand bezweifelt man intern schon etwas länger, dass Edin Terzic (41) die Mannschaft mittelfristig entwickeln kann. Sorge bereitet, dass sich viele Spieler eher verschlechtert als verbessert haben. Nagelsmann war und ist ein Thema.
Der Haken: Noch kämpft Terzic ja um die Champions-League-Teilnahme, er hat das Team zudem ins Königsklassen-Viertelfinale geführt und gegen Atlético Madrid zumindest eine reelle Chance, noch weiter vorzustoßen. Auch für den BVB wären Störgeräusche fatal.
Zweimal schon wollte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Nagelsmann in den vergangenen Jahren ins Ruhrgebiet lotsen. In seiner Funktion als DFB-Vizepräsident zog er im Spätsommer die Fäden, als der Verband einen Nachfolger für Hansi Flick suchte und schließlich Nagelsmann fand. Nun auf Präsident Neuendorf oder Geschäftsführer Rettig einzuwirken, sich von Nagelsmann abzuwenden oder eine Entscheidung auf einen späteren Zeit zu verschieben, ist weder möglich noch gewollt.
Auch andere Klubs haben Julian Nagelsmann im Blick
Denn Nagelsmann steht ja beim DFB unter Vertrag, da sei es nur logisch, dass der Verband auch dessen erster Ansprechpartner sei, heißt es – und wenn Neuendorf und Rettig einen Deal mit Nagelsmann festzurren, sind dem BVB die Hände gebunden. Im Klub nahm die DFB-Offensive allerdings recht gelassen auf. Denn ob Nagelsmann wirklich langfristig Bundestrainer sein möchte, wird bezweifelt.
Am Freitag fliegen Julian Nagelsmann und die DFB-Elf nach Lyon. Offene Zukunfsfragen sind mit im Gepäck.
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