Frankfurt/Main. Die Entscheidung im deutschen Tor ist gefallen. Bundestrainer Nagelsmann setzt auf Bewährtes. Die Hierarchie bleibt wie sie ist.
„Sauber Manuuuu!“ hallte es über den saftig-grünen Rasen des DFB-Campus. Torschusstraining mit Antonio Rüdiger in ungewohnter Position als Angreifer. Eigentlich machte der Verteidiger von Real Madrid nicht viel falsch, er schoss aus kurzer Distanz kräftig und hoch. Aber Manuel Neuer wuchtete sich ihm entgegen und wehrte den Ball ab.
Dann war Marc-André ter Stegen dran. Der Keeper des FC Barcelona tauchte blitzschnell in die Ecken ab, er zeigte auch in Eins-gegen-Eins-Duellen sein Können, indem er lange stehen blieb, sich breit machte, um den Winkel zu verkürzen. Was haben sich da nur die Feldspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gedacht? Egal, wie sie es versuchten. Mit Übersicht, mit Kraft. So oft schien das Tor wie barrikadiert zu sein. Erschreckend selten zappelten die Bälle im Netz, weil Neuer und ter Stegen immer noch irgendwie dazwischen hechteten.
Das Torwart-Spiel, eine deutsche Domäne.
Neuer oder ter Stegen? Schwierige Entscheidung für Bundestrainer Nagelsmann
Und wenn man Neuer, der am Mittwoch der kommenden Woche 37 Jahre alt wird, und den sechs Jahre jüngeren ter Stegen so beobachtete, konnte man nicht nur erahnen, welche schwierige Entscheidung Bundestrainer Julian Nagelsmann da zu treffen hatte. Eine Härtefall, förmlich aus Granit.
Aber Nagelsmann, 36, musste eben in dieser Woche noch eine Antwort finden in der Torwart-Frage. Am Mittwochnachmittag wurde finalisiert, was Nagelsmann selbst schon im Dezember in seiner Sportstudio-Rede zur Fußballnation angedeutet hatte: Die DFB-Elf geht mit Manuel Neuer als Nummer eins in die Heim-Europameisterschaft im Sommer. Am kommenden Samstag im Testspiel in Lyon gegen Frankreich (21 Uhr/RTL) wird der Torhüter des FC Bayern München zum ersten Mal seit seinem Skiunfall vor 15 Monaten wieder im deutschen Tor stehen.
DFB-Team: FC Bayern lobbyiert für Manuel Neuer
„Absolute Weltklasse“ in allen Bereichen, in Antizipation und Ausstrahlung „eine ganz eigene Liga“, so hatte Bayern Münchens Trainer Thomas Tuchel Neuer jüngst beschrieben. Überraschend schnell hat der Weltmeister von 2014 ja nach seiner Verletzung zurück zur Form gefunden. Ob der Erfahrungen des Vorrunden-Aus in Katar, wo Neuer verunsichert wirkte und beim Auftaktspiel gegen Japan in Kooperation mit Nico Schlotterbeck patzte, hatten nicht wenige bezweifelt, dass Neuer nach einer langen des Beinbruchs bedingten Pause seinen Körper überhaupt noch einmal auf ein Top-Niveau hieven könne. Und das so kurzfristig: Erst seit Oktober hält Neuer wieder in der Bundesliga. Nicht erst seitdem betreiben die Bayern-(Ex)-Bosse kräftig Lobby-Arbeit. „Ich kann nur eins empfehlen: Dass Manuel Neuer die Nummer eins wird – auch deshalb, weil jede Mannschaft eine Hierarchie braucht“, sagte Karl-Heinz Rummenigge.
Das einen Glück, des anderen Leid. Marc-André ter Stegen bleibt damit nur der unrühmliche Status der „ewigen“ Nummer zwei. Der gebürtige Mönchengladbacher ist beim FC Barcelona zu einem Weltklasse-Torhüter aufgestiegen. Ter Stegen glänzte in den vergangenen Monaten für seinen Klub. In Neuers Abwesenheit wurde er temporär auch zur Nummer eins der Nationalelf. Achtmal stand er zwischen den Pfosten, überragte dabei zwar nicht, aber er war auch weit davon entfernt, eine Schraube zu sein, an der zwingend noch gedreht werden müsste. Er wähnte sich als Stammtorhüter.
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DFB-Team: Nie ein klares Bekenntnis zu ter Stegen
Dennoch hatte schon Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick stets ein klares Bekenntnis zu ter Stegen auch über Neuers Rückkehr hinaus vermieden. Die Torwart-Koryphäe schwebte wie ein Schatten hinter ter Stegen. Nagelsmann brachte später bei seiner Premiere in den USA- in Neuers Abwesenheit den Barca-Schlussmann, im November dann sagte ter Stegen zweimal wegen einer Rückenverletzung ab. Kevin Trapp von Eintracht Frankfurt, diesmal nicht berücksichtigt, stand im Tor.
Nagelsmann setzt nun auf Bewährtes, auf Struktur, auf Sicherheit. Schon Joachim Löw hatte Neuer 2018 kurz nach einer Fußverletzung und dadurch fast ohne Spielpraxis mit zu WM nach Russland genommen. Seit 2010 hat Neuer sieben große Turnier als DFB-Stammkeeper bestritten.
DFB-Team: Keine neue Hierarchie wie 2006 mit Kahn und Lehmann
Eine Wahl pro ter Stegen hätte noch einmal die Hierarchie der Elf durcheinandergewirbelt – wie 2006, als Jürgen Klinsmann im letzten großen deutschen Torwart-Duell auf Jens Lehmann statt Oliver Kahn setzte. Den Platz im Fünfmeterraum bekommt Neuer zurück, die Kapitänsbinde derweil – auch das war bekannt – behält Ilkay Gündogan, Mitspieler von ter Stegen bei den Katalanen.
Wie es nach der EM unter einem neuen Bundestrainer weitergeht, ist offen. Bei der 2026er-WM in Nordamerika wäre Manuel Neuer 40 Jahre alt. Das kann, muss aber nichts heißen. Er hat es gerade erst bewiesen.
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