Hamburg. Die Hockeyabteilung des Vereins plant ein außergewöhnliches Projekt: Traglufthalle könnte zum Vorbild für alle deutschen Clubs werden.
Hinter den Türen des SC Victoria am Lokstedter Steindamm 72 herrscht Aufregung. Ganz besonders die Hockeyabteilung schart ungeduldig mit den Füßen. Der Grund: Ein womöglich „wegweisendes Pilotprojekt“, so nennen es die Verantwortlichen, steht in den Startlöchern.
Das ehrenamtlich tätige Strategieteam rund um Cheftrainer Stefan Bergmann, Abteilungsleiter Fritz Burkhardt und Thomas Papendieck will auf dem Kunstrasenplatz eine Traglufthalle errichten lassen, die nicht wie die meisten Hallen dieser Art fossil, sondern mit einer Wärmepumpe und dadurch klimafreundlich beheizt werden soll. Schon jetzt zieht diese laut Bergmann in Deutschland bisher einzigartige Maßnahme auch die Aufmerksamkeit anderer Clubs auf sich. Doch was genau steckt hinter dieser Idee?
Hockey in Hamburg: SC Victoria verzeichnet Mitgliederzuwachs
Bei dem Besuch auf dem Gelände des SC Victoria in Lokstedt regnet es. Gerade einmal 14 Grad Celsius zeigt das Thermometer an, außerdem: Windwarnung. Und trotzdem wird es am Nachmittag wohl wieder voll werden auf dem Hockey-Kunstrasenplatz des Hamburger Vereins, das zumindest sagen die Beteiligten des Projektteams.
„Wir verzeichnen einen enormen Zuwachs in unserer Abteilung“, sagt Cheftrainer Bergmann, und auch Burkhardt ergänzt: „Mittlerweile haben wir eine lange Nachrückerliste. Wir würden den Kindern auch gern die Möglichkeit geben, bei uns Hockey zu spielen.“ Zurzeit sei genau das aber einfach nicht möglich, im Gegenteil: „Unsere Jugendteams sind sogar im Winter dazu gezwungen, draußen zu trainieren“, klagt Grotkaß, dessen Tochter beim SC Victoria Hockey spielt.
Hockeytrainer: „Wollten unserem Nachwuchs Perspektiven aufzeigen“
Es gebe immer weniger Spielflächen für die Kinder und Jugendlichen – und das, obwohl klar sei, dass das Spielniveau mit der Sportstättenkapazität korreliert. Aktuell müsse sich der SC Victoria den Platz mit dem Eimsbütteler TV teilen, eine eigene Halle existiert nicht.
Doch das soll sich nun bald ändern: „Wir mussten einfach etwas tun, um unseren Nachwuchs auch richtige Perspektiven im Verein aufzuzeigen“, sagt Bergmann. Das Team setzte sich zusammen und entwickelte mit Unterstützung von Architekt Bernd Mulay schon im vorvergangenen Jahr die Idee, auf dem Platz eine Traglufthalle zu bauen – damals war die Idee der Wärmepumpe noch nicht im Hinterkopf.
Niederlande setzt schon vermehrt auf Traglufthallen beim Hockey
„Der Blick ging dann erst mal in die Niederlande, denn dort wird dieses Konzept schon viel angewendet“, erinnert sich der 45-Jährige zurück. Nach einem Besuch in Groningen und auch bei Rot-Weiß Köln sei dann aber auch schnell ersichtlich geworden, dass dies „eine Operation am offenen Herzen“ werde.
Denn: Der wasserbasierte, kurze Kunstrasen auf dem Hockeyplatz beim SC Victoria muss für die Verankerung der Halle aufgeschnitten, aufgeklappt und dann wieder geschlossen werden. Das könne massive Auswirkungen auf die Qualität des Platzes haben.
Förderung wegen Energiekrise abgelehnt
„Wir wollten dieses Risiko aber eingehen, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Platz sowieso in drei Jahren erneuert werden muss“, so Bergmann. Doch dann die nächste Hürde: Wegen des Plans, die Halle mit Gas zu heizen, wurde eine Förderung abgelehnt. „Der Ablehnungsbescheid kam während des Höhepunkts der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg“, sagt der Cheftrainer. Thomas Papendieck fügt lachend hinzu: „Da packte uns dann aber der sportliche Ehrgeiz, wir wollten das Projekt erneut angehen.“
Der überarbeitete, klimafreundlichere Plan: Die knapp 1600 Quadratmeter große Halle soll mithilfe einer Dreifachmembran isoliert werden. Als Untergrund wird derselbe Boden benutzt, der während der Hallen-EM in der Alsterdorfer Sporthalle verwendet worden ist. „Einerseits betreiben wir durch die Verwendung eines Secondhand-Bodens keine Ressourcenverschwendung, andererseits ist es für die Kids cool zu wissen, dass da die ganzen Stars drauf gespielt haben“, betont Papendieck.
Neue Traglufthalle wird rund 577.000 Euro kosten
Die wichtigste Neuerung im Plan: Die Halle soll mittels einer riesigen Wärmepumpe beheizt werden. „Mit diesem Projekt nehmen wir eine Vorreiterrolle ein. Deshalb wollen wir jederzeit auch anderen Vereinen als Ansprechpartner für dieses Vorgehen behilflich sein“, verspricht Bergmann.
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Insgesamt 577.000 Euro wird die neue Traglufthalle kosten. 177.000 Euro werden als Fördermittel der Bezirke Eimsbüttel und Hamburg-Nord bereitgestellt, auch der Hamburger Sportbund beteiligt sich mit 40.000 Euro. Der Rest der Summe muss über ein Darlehen beim Hamburger Hockeyverband, einen Kredit sowie durch die Umlage in der Abteilung bezahlt werden. Auch Spenden sammelt das Team jetzt per Crowdfunding für das Projekt.
Hockey in Hamburg: SC Victoria wartet auf Bescheid von Bauamt
Noch wartet das Strategieteam auf einen positiven Bescheid aus dem Bauamt. Sobald dieser eintrudelt, starten die Bestellungen und Aufbauarbeiten. Sechs bis acht Wochen, bis die Halle dann steht, schätzt Papendieck. Und auch, wenn das für diese Hallensaison schon zu knapp werden könnte: Aufsehen erregt das Projekt schon jetzt.