Hamburg. Die Zahl der Kunstrasenfelder in Hamburg stieg seit dem Jahr 2013 auf 102. Die neuen Anlagen sollen vielfältig genutzt werden.
Die Hamburger Multi-Sportanlage der Zukunft entsteht an der Außenmühle im Stadtteil Wilstorf im Bezirk Harburg. Drei Millionen Euro kostet die Umgestaltung des traditionsreichen Sportplatzes, die zum Jahreswechsel abgeschlossen sein dürfte. Vom Kleinkind bis ins Rentenalter werden hier Bewegungsangebote für alle Generationen geschaffen, ein bisher in Hamburg einmaliges Ensemble. „Damit steigern wir nicht nur die Lebensqualität, wir fördern auch den Zusammenhalt in den Quartieren, die nun noch enger zusammenwachsen können“, sagte Sportsenator Andy Grote (SPD) beim Spatenstich am 4. April vergangenen Jahres.
Die Außenmühle ist ein Beispiel von inzwischen mehreren für den modernen, zukunftsorientierten bezirklichen Sportstättenbau der Stadt, der vor zehn Jahren im Bezirksamt Mitte in einem Fachamt gebündelt wurde. Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (41/SPD) lud das Abendblatt jetzt zur Vorstellung der Leistungsbilanz in den zehnten Stock des Gebäudes an der Caffamacherreihe ein. Sein Vorvorgänger Grote (55) hatte damals die Idee, den Sportstättenbau der sieben Bezirke zusammenzulegen. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Der Landschaftsarchitekt Torge Hauschild (51) leitet das Amt seit 2017.
Das Team aus derzeit 15 Mitarbeitenden, drei weitere sollen hinzukommen, betreut 150 bezirkliche Sportanlagen mit 215 Großspielfeldern und rund 360 Hektar Grundstücksfläche. In den vergangenen zehn Jahren realisierte das Fachamt für 115 Millionen Euro 140 Instandsetzungs- oder Neubaumaßnahmen. 75 Großspielfelder wurden von dem Geld ertüchtigt oder neu gebaut. In diesem Jahr stehen sieben weitere größere Projekte an (siehe Artikel rechts). Finanzielle Grundlage dafür war, ist und bleibt die „Modernisierungsoffensive“ des Senats.
Die Hamburger Vereine können weiter alle öffentlichen Anlagen entgeltfrei nutzen. Das gilt auch für die rund 600 Schulturn- und Bezirkssporthallen. Um die kümmert sich seit 2019 die Gebäude Management Hamburg GmbH (GMH) mit ihrer neu gegründeten Sparte Sport. Am Montag wurde für die Stadtteilschule Eidelstedt am Niekampsweg eine neue Dreifeldhalle eingeweiht. Kosten: sechs Millionen Euro. „Für den Sportstättenbau stehen uns jetzt zwei ausgewiesene Kompetenzzentren zur Verfügung“, sagt Grote.
Sport wird bei der Stadtplanung nicht immer mitgedacht
In der wachsenden Stadt Hamburg streiten Gewerbe, Wohnungsbau und Sport um die schwindenden freien Flächen. Der Sport hat hier einen schweren Kampf zu bestehen, selbst bei der Entstehung neuer Quartiere, Beispiel HafenCity, wurde er in der Vergangenheit nicht immer mitgedacht – was sich vor allem dank der Active-City-Strategie geändert hat. So sank bei steigender Einwohnerzahl die Zahl der Großspielfelder von 218 im Jahr 2013 auf 214 acht Jahre später.
„In den vergangenen zehn Jahren ist in guter Zusammenarbeit mit dem Hamburger Fußball-Verband (HFV) viel in die Infrastruktur der Sportstätten investiert worden“, sagt HFV-Präsident Christian Okun, dessen Vereine die Hauptnutzer der Anlagen sind. „Es wird aber ein tägliches Bestreben bleiben, die Modernisierung und Neuschaffung von Sportstätten gemeinsam voranzubringen und nicht zuzulassen, dass aus vielerlei Beweggründen notwendige Sportflächen verschwinden. Es müssen wieder mehr Sportstätten werden. Und das trotz der besseren Nutzungsmöglichkeiten von Kunstrasen.“
Die lassen sich belegen. Mit der Steigerung der Zahl der Kunststoffrasenplätze von 37 im Jahr 2013 auf 102 (2021), dem gleichzeitigen Rückgang von Plätzen mit Naturrasen (von 74 auf 59) und Tennenbelag (von 107 auf 53) erhöht sich das jährliche Nutzungspotenzial des Vereinssports von 543.000 (2013) auf 626.000 (2021) Stunden. Aber nicht immer dort, wo Menschen Sport treiben wollen, sind entsprechende räumliche Möglichkeiten gegeben. Weil Sportstätten fehlen, herrscht in vielen Fußball- und Tennisvereinen besonders in den zentrumsnahen Stadtteilen seit Jahren ein Aufnahmestopp.
Grote will zusätzliche Großspielfelder bauen
„Wir ermitteln gerade den Bedarf und wollen weitere Räume für den Sport aktivieren“, sagt Grote. „Unser Ziel für die nächsten Jahre ist es, zusätzliche Großspielfelder zu bauen.“ Auf keinen Fall wolle die Stadt Sportstätten verlieren. Beim sich abzeichnenden Mangel an verfügbaren Grundstücken werden künftig auch kreative Lösungen in den Fokus rücken, sagt Fachamtsleiter Hauschild. Mehrstöckige Turnhallen gibt es in Hamburg bereits, Spielflächen auf Flachdächern – wie etwa in Berlin – sind mittelfristig angedacht. Überlegungen dazu existieren seit Jahren, die Umsetzung scheiterte bisher an den hohen Kosten.
Sportflächen, sagt Hauschild, werden künftig wahrscheinlich nicht nur vom Sport genutzt. Sie seien ideale Standorte auch zur Energiegewinnung, beispielsweise über Photovoltaik oder Erdwärme. Bei der aktuellen Umgestaltung der Sportplätze an der Hagenbeckstraße im Bezirk Eimsbüttel könnten in drei bis vier Metern Tiefe unter den 7500 Quadratmeter großen Spielfeldern Wärmekollektoren installiert werden, die nicht nur den Bedarf der Anlage sicherstellten, sondern – im Sinne der angestrebten Multicodierung städtischer Infrastruktur – ebenso benachbarte Einrichtungen mit Energie versorgten. „Der Ansatz wird vom Bezirk Eimsbüttel und vom Landessportamt unterstützt“, sagt Hauschild. „Selbst wenn es momentan keine Nachfrage geben sollte, perspektivisch wird es sie geben. Wir müssen allgemein dazu kommen, Flächen mehrfach zu nutzen.“
Beirat Bezirklicher Sportstättenbau entscheidet
Wo, wann, was gebaut wird, darüber entscheidet der Beirat Bezirklicher Sportstättenbau. Ihm gehören je zwei Mitglieder der sieben Bezirksversammlungen an, die Sportreferenten der Bezirke, ein Vertreter des Landessportamts und des Hamburger Sportbunds (HSB) sowie Fachamtschef Hauschild.
Der Beirat tagt zweimal im Jahr. Das Fachamt schlägt in seiner Herbstsitzung sport- und baufachlich sinnvolle Maßnahmen vor, die der Beirat im Frühjahr – auch nach politischen Vorgaben des Senats – beschließt. Der anfallende Preis ist heute nicht mehr das allein entscheidende Kriterium, er wird auch auf die Nutzungsdauer umgerechnet. Ein neuer Kunststoffrasenplatz kostet derzeit rund 900.000 Euro. Er hält im Schnitt zehn bis zwölf Jahre.
„Es herrscht hohes Vertrauen in die Unabhängigkeit des Fachamtes, bisher fühlte sich kein Bezirk übervorteilt, alle haben die Entscheidungen mitgetragen, selbst wenn der eigene Bezirk zurückstecken musste“, so Hauschild. Ein Bauzustandsbericht schafft alle zwei Jahre die nötige Transparenz, welchen Anlagen bei Renovierungen und Instandsetzungen vorzuziehen sind. Der Anspruch sei es, „dass bestehende Spielfelder wegen des steigenden Nutzungsdrucks zukunftsorientiert und nachhaltig so modernisiert werden, dass sie ganzjährig und verlässlich mit maximaler Belastung betrieben werden können“. Fußballplätze haben dabei nicht zwangsläufig Vorrang, „bei Leichtathletikanlagen haben wir Nachholbedarf, dem kommen wir seit drei Jahren nach. Für American Football und Rugby sind bereits vier Plätze realisiert worden, weitere sind in Planung“, sagt Hauschild.
Kunstrasenplätze sollen Grandplätze ersetzen
„Der bezirkliche Sportstättenbau ist als Dienstleister für die Bezirke beim Bau und der Sanierung öffentlicher Sportplätze ein wichtiger Player, der die Kunstrasenoffensive umgesetzt hat“, sagt der HSB-Vorstandsvorsitzende Daniel Knoblich. „Diese Expertise hat sich ausgezahlt, steht aber nun vor neuen Herausforderungen, da immer mehr Plätze saniert werden müssen. Die Stadt benötigt ein Erhaltungsmanagement für städtische Sportanlagen, um deren Qualitäten zu sichern.“
Diese Maßnahme sei in der Endphase der Planung, sagt Grote. „Wir brauchen, wie wir es in anderen Bereichen öffentlicher Infrastruktur in der Stadt bereits haben, über die zweijährigen Bauzustandsberichte hinaus ein professionelles Erhaltungsmanagement, damit wir Jahre im Voraus immer wissen, in welcher Verfassung unsere Sportstätten sind, wann wir in welche Anlagen investieren müssen.“
- Der modernste Kunstrasenplatz der Welt – aus Zuckerrohr
- TuRa Harksheide hat jetzt Kunstrasen der neuesten Generation
- EU-Granulatverbot auf Kunstrasen: Eine Milliarde Mehrkosten
Grundsätzlich sei die Beschaffenheit der Hamburger Sportanlagen „in Ordnung“, sagt Hauschild. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren ein Ergebnis geliefert, das mit einer Schulnote ,Zwei‘ bewertet werden könnte.“ Das gelte jedoch nicht für alle Segmente, „in einigen Teilbereichen stehen wir sicherlich etwas schlechter da“. Das liege zum Teil auch daran, „dass wir von den betroffenen Verbänden weniger intensive Rückmeldungen erhalten als von anderen“.
Druck auf die Stadt übt der Fußball-Verband aus. Der fordert weiter ein Drittligastadion mit mehr als 5000 Plätzen und entsprechender Infrastruktur, auch für andere Sportarten. Die Stadt sieht hier weder aktuell noch perspektivisch Bedarf, die vorhandenen Sportstätten reichten angesichts des begrenzten Zuschauerinteresses bei den potenziellen Bewerbern aus. Für den Diebsteich war eine solche Arena aus diesen Gründen verworfen worden.
Der Hamburger Oberliga-Fußballclub Altona 93 wird hier vom Jahr 2027 an der Hauptnutzer, auch andere Vereine seien dort willkommen. Eine Einigung, wer in dem Stadion wann und wie oft spielen darf, erfolgt in den nächsten Jahren.