Hamburg. Football-Experte Patrick Esume spricht vor dem Start der NFL-Saison über die sportlichen Hingucker und das neue RTL-Team.
Ein hochkarätiges Auftaktspiel ist zu erwarten, wenn in der Nacht zu Freitag (2.20 Uhr MEZ/live bei RTL) Titelverteidiger Kansas City Chiefs und die Detroit Lions die Spielzeit 2023/24 in der American-Football-Eliteliga NFL eröffnen. Jedes der 32 Teams bestreitet in der regulären Saison 17 Spiele, anschließend werden in den Play-offs die beiden Teilnehmer am Super Bowl am 11. Februar 2024 in Las Vegas gesucht.
Für Patrick Esume ist diese Saison eine besondere. Erstmals ist der „Coach“, der als profiliertester deutscher Experte seines Sports gilt, für RTL als Moderator am Mikrofon. Im Abendblatt-Gespräch verrät der 49 Jahre alte Hamburger, was diese Saison bringt.
Hamburger Abendblatt: Herr Esume, Experten werden vorm Saisonstart gern nach dem wichtigsten Transfer gefragt. Ist die Vermutung zutreffend, dass das für Sie persönlich der Wechsel von ProSieben zu RTL war?
Patrick Esume: Tatsächlich verändert sich für mich abgesehen vom Sport, über den wir berichten, verdammt viel. Vor allem die Machart und Aufarbeitung der Spiele ist eine andere. Der Sport hat sich entwickelt, wir müssen das auch tun. Unsere Herausforderung besteht darin, als neues Team schnellstmöglich den Groove zu finden. Aber da mache ich mir keine Sorgen, wir haben mit Frank Buschmann, Florian Schmidt-Sommerfeld, Björn Werner, Sebastian Vollmer, Markus Kuhn und all den anderen Top-Mitstreitern eine absurd gute Mischung aus Erfahrung, Expertise und Entertainment beisammen.
Neue Formate für die Fans
Als ProSieben Maxx 2015 in die NFL-Übertragungen einstieg, war Football ein Nischensport. Sind Sie mit dem Wechsel zu RTL jetzt im Mainstream angekommen?
Das müssen wir erst noch beweisen. Wir sind auf der Schwelle, haben den Schritt in den Türrahmen geschafft, müssen nun aber durchgehen. Das schaffen wir nur mit qualitativ hochwertigem Inhalt.
Was verbessert sich bei RTL für den Fan, außer dass Sie jetzt im Studio Anzug tragen?
Der Anzug ist dem Studio, das auf dem Niveau der großen US-Sender mitspielen kann, angemessen. Aber ich weiß, dass sich einige Fans daran noch gewöhnen müssen. Die Versorgung mit Live-Football bleibt wie gewohnt, am Sonntagabend gibt es zwei Partien um 19 und 22.25 Uhr, dazu parallel eine weitere im Stream. Aber wir bringen Football in neue Formate, laufen in den Nachrichten, bei N-TV, haben bei Super RTL das Kinderformat „Toggo Touchdown“ und unter der Woche bei RTL ein zusätzliches Magazin. Dadurch holen wir Menschen ab, die bisher keine Berührungspunkte mit Football hatten. Unsere Sendungen bleiben lustig und mit Augenzwinkern, werden aber hoffentlich noch professioneller als bislang.
Dolphins mit starken Transfers
Sprechen wir über Sport. Auf Spielerseite halten die meisten Experten den Wechsel von Quarterback-Legende Aaron Rodgers (39) von den Green Bay Packers zu den New York Jets für den spannendsten. Haben Sie eine Alternative dazu?
Rodgers ist die große Story. Aber ich glaube, wenn wir nach der Saison zurückblicken, wird man sagen, dass die wichtigste Verpflichtung im Trainerbereich passiert ist. Die Miami Dolphins haben in Vic Fangio einen erstklassigen Mann als Defensive Coordinator geholt, der deren Abwehrarbeit auf ein neues Level heben kann. Außerdem haben sie sich auf der Cornerback-Position die Vollrakete Jalen Ramsey von den Los Angeles Rams geholt. Mich würde nicht wundern, wenn das zwei Schlüsselverpflichtungen sind, die Miami weit kommen lassen können.
Wenn Sie schon in Fahrt sind: Wer sind mit den Eindrücken der Transferpolitik und der Saisonvorbereitung bislang die positiven und negativen Überraschungen?
Sorgen bereiten mir die Arizona Cardinals. Quarterback Kyler Murray hat Knieprobleme, dazu haben sie ihre beiden Superstars Isaiah Simmons an die New York Giants und DeAndre Hopkins an die Tennessee Titans verloren. Außer der Nase läuft bei denen nicht viel. Auch die Cleveland Browns stehen unter Druck. Sie haben enormes Potenzial und mit Deshaun Watson einen teuren Quarterback, sahen in der Pre-Season aber gar nicht gut aus. Allerdings haben sie auch die positive Überraschung in ihren Reihen. Dorian Thompson-Robinson hat als Back-up für Watson richtig abgeliefert in der Vorbereitung. Dass die Browns allerdings ihr Schicksal in die Hände eines Rookies legen wollen, bezweifle ich.
Eagles und Chiefs vorn dabei
Werden die Packers ohne Rodgers Probleme bekommen?
Das hängt ganz davon ab, wie ihr neuer Spielmacher abliefert. Jordan Love ist noch ungetestet und das erste Mal in so einer Verantwortung. Ganz ähnlich ist die Lage bei den Denver Broncos. Wenn Russell Wilson dort nicht ins Rollen kommt, werden auch sie es sehr schwer haben.
Die Chiefs als Super-Bowl-Champion und die Philadelphia Eagles als Finalteilnehmer haben alle auch in diesem Jahr auf der Rechnung. Zu Recht?
Ohne Frage: ja! Die Eagles setzen weiter auf Nick Sirianni als Cheftrainer, spielen das bewährte System und haben noch immer ein junges Team um Quarterback Jalen Hurts, das aber die Erfahrung einer Super-Bowl-Teilnahme hat. Bei den Chiefs hängt einiges davon ab, ob ihr Defensive Tackle Chris Jones aufläuft. Er kämpft gerade um einen neuen Vertrag und mehr Geld. Spielt er nicht, werden sie offensiv sehr viele Punkte machen müssen, um Spiele zu gewinnen. Angesichts ihrer Offense bin ich aber sicher, dass sie diese Punkte machen werden.
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Auch wenn sie dann nicht mehr geheim sind: Verraten Sie Ihre Geheimfavoriten?
Im vergangenen Jahr hatte ich die Las Vegas Raiders oben auf dieser Liste, damit lag ich komplett falsch. Aber ich versuche es wieder. Die Dolphins sehe ich aus bereits erwähnten Gründen als Finalkandidat. Auch die Baltimore Ravens können mit Lamar Jackson als Anführer, Odell Beckham Jr., Rashod Bateman und Tay Flowers als Passempfänger richtig knusprig werden. Die Jacksonville Jaguars habe ich auch auf meiner Rechnung. Und unterschätze niemand die Jets mit Aaron Rodgers! Auch wenn sie in der AFC East mit den Buffalo Bills, Miami und den New England Patriots die heftigste Division erwischt haben, glaube ich, dass daraus drei Teams in die Play-offs kommen. Und da sind die Jets ein Kandidat.
Drei etablierte Deutsche in der Liga
Werfen wir einen Blick auf die drei deutschen NFL-Profis. Die Brüder Amon-Ra und Equanimeous St. Brown und Jakob Johnson haben sich in der Liga etabliert. Welche Entwicklung trauen Sie dem Trio zu?
Aamon-Ra war für die Detroit Lions in der vergangenen Saison eine Säule der Offensive, als Receiver hatte er 1100 Yards und 106 Catches, was wirklich krass ist. Er ist unser Superstar, und ich hoffe, dass er so eine Saison wiederholen kann. Sein Bruder ist in der vergangenen Saison in 16 Spielen für die Chicago Bears zum Einsatz gekommen und damit einen großen Schritt gegangen, er hat aber das Potenzial für noch mehr. Jakob ist bei den Las Vegas Raiders der Mann für die schmutzigen Jobs, man darf aber nicht unterschätzen, dass er als Vorblocker des besten Runningbacks der vergangenen Saison, Josh Jacobs, ganz wichtige Arbeit leistet.
Die drei Deutschen werden bei den beiden Deutschland-Spielen der NFL zwar nicht zu sehen sein, dennoch dürften die Partien der Chiefs gegen die Dolphins am 5. November und der Patriots gegen die Indianapolis Colts am 12. November jeweils in Frankfurt am Main die Höhepunkte für die deutschen Fans werden. Was macht diese längst ausverkauften Partien so wichtig?
Sie sind ein Riesending, weil sie unseren Sport auf die mediale Bühne bringen, wie es kein anderes Einzelevent vermag. Die Deutschland-Premiere der NFL in München im vergangenen Jahr war ein riesiger Erfolg. Dass wir das jetzt zweimal erleben, ist Weltklasse, denn an den beiden Wochenenden kommt kein deutscher Sportfan am NFL-Football vorbei. Und genau das wollen wir doch.