Hamburg. Der Deutschland-Chef der American-Football-Liga NFL spricht über deren erstes Spiel in München, den Hype für die Liga und die ELF.

Der 13. November wird ein historischer Tag für den American Football in Deutschland. Mit der Partie zwischen den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks findet erstmals ein Regular-Season-Spiel der US-amerikanischen Eliteliga NFL in Deutschland statt. Buccaneers-Quarterback Tom Brady, der größte American-Football-Spieler aller Zeiten, wird dabei in der Münchner Allianz Arena auflaufen, der Hype in Deutschland ist riesig. Das weiß auch NFL-Deutschland-Chef Alexander Steinforth, der aus den Expansionsplänen der Liga in Deutschland kein Geheimnis macht.

Hamburger Abendblatt: Herr Steinforth, zeitweise waren im Online-Ticketshop 780.000 Menschen in der Warteschlange, um beim ersten NFL-Spiel auf deutschem Boden dabei zu sein. Hat Sie dieser enorme Ansturm überrascht?

Alexander Steinforth: Wir konnten es anhand der 600.000 Vorregistrierungen schon ein bisschen ablesen. Dass es aber fast 800.000 geworden sind, hat uns doch noch mal positiv überrascht. Vom Ticket-Dienstleister haben wir die Information bekommen, dass wir drei Millionen Karten hätten verkaufen können. Weltweit gesehen, über alle Sportveranstaltungen und Konzerte hinweg, war das der größte Andrang, den ein Event abgesehen vom Super Bowl je hatte. Das ist ein Wahnsinnsstatement, Ansporn und Verpflichtung zugleich.

Haben Sie Verständnis für den Frust der vielen Fans, die leer ausgegangen sind?

Steinforth: Am liebsten hätten wir die Allianz Arena noch mal um die zehnfache Kapazität erweitert. Das hätte aber immer noch nicht gereicht. Wir haben volles Verständnis für die Enttäuschung derjenigen, die ohne Ticket geblieben sind. Ein Trost ist, dass es weitere Spiele in Deutschland geben wird.

Bis 2025 sollen jeweils zwei Spiele in München und Frankfurt stattfinden. Wie geht es danach weiter?

Der Deutschland-Chef der NFL, Alexander Steinforth.
Der Deutschland-Chef der NFL, Alexander Steinforth. © picture alliance/dpa | Maximilian Haupt

Steinforth: Wir sind nicht im Markt, um nur viermal hier zu spielen und dann weiterzuziehen. Es ist eine dauerhafte Strategie, die wir hier haben. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Während viele Fußballfans die zunehmende Kommerzialisierung ihres Lieblingssports eher abstößt, scheint die NFL in Deutschland beliebter denn je. Woher kommt dieser Hype für eine Liga, die für viele der Inbegriff von Sport-Kapitalisierung ist?

Steinforth: Wir stehen für Sport und Entertainment, das ist unsere DNA. Diese beiden Welten wollen wir zusammenbringen. Es ist eine der Stärken der Liga, unter anderem eng mit Musikern zusammenzuarbeiten. Entertainment wie bei Halbzeitshows lehnen wir nicht ab, sondern sehen es bewusst als Teil von unserem Sport an. Wir merken, dass dieser Weg auf großen Zuspruch stößt.

Wie gerne kommen die NFL-Teams für Spiele nach Europa?

Steinforth: Das hat sich in den vergangenen Jahren stark geändert. Während es vor zehn Jahren noch nicht so leicht war, die Teams für diese Trips zu gewinnen, ist die Internationalisierung mittlerweile auch bei den Teams und Eigentümern viel stärker in den Vordergrund gerückt. Mittlerweile gibt es viel mehr Teams, die in Europa spielen wollen, als wir in den Spielen unterbringen können.

Welche Rolle spielen Kooperationen wie zwischen dem FC Bayern und den Kansas City Chiefs bei der Auswahl der Teams, die in Deutschland spielen?

Steinforth: Es spielt schon eine Rolle. Die Chiefs sind die Partnerschaft eingegangen, weil sie Deutschland als einen Kernmarkt für sich erkannt haben. Dann liegt es nahe, dass solche Teams auch in Deutschland spielen wollen. Die Chiefs haben sich deshalb auch erfolgreich um die internationalen Marketingrechte für Deutschland beworben, wir arbeiten sehr eng mit ihnen zusammen.

Vor welche Herausforderungen stellt Sie das erste NFL-Spiel in Deutschland?

Steinforth: So ein Event aufzusetzen ist deutlich komplexer, als ein Fußballspiel stattfinden zu lassen. Zum einen gibt es pro Team nicht 18 Spieler, sondern 50 bis 60 Personen, die in den Umkleiden Platz finden müssen. Zum anderen mussten wir im Sommer in der Allianz Arena Beton gießen, um das Spielfeld auf die nötigen Maße verlängern zu können. Auch für die Goal-Posts mussten wir Fundamente gießen, die mediale Produktion ist zudem überaus komplex. Die größte Herausforderung für das Spiel ist jetzt aber die knappe Zeit. In London rechnen wir normalerweise mit sieben bis acht Tagen Vorbereitungszeit. Aufgrund der Fußball-WM in Katar ist der Bundesliga-Spielplan jetzt aber sehr eng. Da der FC Bayern unter der Woche noch ein Heimspiel hat, bleiben uns nur vier Tage Vorbereitungszeit.

Mit der NFL Europe gab es bereits 1998 einen europäischen Ableger der NFL, der allerdings 2007 eingestellt wurde. Zeitgleich begannen die NFL-Spiele in London. War die Einstellung der NFL Europe aus heutiger Sicht der richtige Schritt?

Steinforth: Das kann ich nicht beurteilen. Die NFL Europe hat damals in Deutschland sehr gut funktioniert, wenn man es am Zuschauerinteresse misst. Mit einem gewissen Abstand wird deutlich, dass die NFL Europe hier in Deutschland ein großes Fanpotenzial gebildet hat. Das hat dazu geführt, dass die NFL in den vergangenen Jahren in Deutschland so stark gewachsen ist und wir erstmals ein reguläres Saisonspiel hier haben.

Mit der European League of Football (ELF) gibt es seit 2021 wieder eine Europaliga. Die Liga hat mit der NFL nichts zu tun, Teams wie die Hamburg Sea Devils dürfen aber den Namen aus NFL-Europe-Zeiten nutzen. Wie nehmen Sie die Entwicklung der ELF wahr?

Steinforth: Wir verfolgen die Liga sehr genau, sind mit der ELF in einem guten Austausch. Wir haben nichts gegen die Liga, sondern freuen uns, dass die ELF oder auch die German Football League (GFL) dem American Football in Deutschland guttun. Wir freuen uns auch, dass durch die ELF die mediale Aufmerksamkeit der Sportart in Deutschland noch mal gestiegen ist.

Inwiefern können sich ELF und NFL gegenseitig befruchten?

Steinforth: Die ELF ist erst im zweiten Jahr, das ist ein großes Unterfangen, sodass den Kollegen dort nicht langweilig wird. Momentan haben wir keine konkreten Projekte, an denen wir zusammenarbeiten. In der Zukunft ist das aber nicht ausgeschlossen. Da kann es auch darum gehen, noch mehr ELF-Spieler in die NFL zu bringen. Mit Patrick Esume oder Björn Werner gibt es wichtige Football-Gesichter in Deutschland, die in beiden Umfeldern sehr aktiv sind.

Ist es denkbar, die ELF irgendwann unter dem Signum der NFL zu veranstalten?

Steinforth: Das ist nichts, was derzeit diskutiert wird. Eine Zusammenführung beider Ligen ist kein Thema.

Zwischen der ELF und dem deutschen Verband (AFVD) gibt es immer wieder Spannungen, GFL-Teams verlieren viele Spieler an ELF-Teams. Schadet dieser Streit dem Football in Deutschland?

Steinforth: Das ist eine Diskussion, die primär zwischen den beiden Ligen stattfindet. Wir sind nicht in der Position, uns da einzumischen. Wir als NFL Deutschland versuchen immer, einen gemeinsamen Weg mit der ELF und der GFL zu gehen.

Wie beobachten Sie die Entwicklung der Sportart in Deutschland insgesamt? Hat American Football das Potenzial zur Nummer zwei hinter dem Fußball?

Steinforth: Wir arbeiten hart daran, American Football so groß wie möglich zu machen. Trotzdem ist Deutschland vor allem ein Fußballmarkt. Es ist unrealistisch, sich irgendwann in ähnlichen Sphären zu bewegen. Wir glauben aber, dass es nicht unmöglich ist, perspektivisch die Nummer zwei bei den Teamsportarten in Deutschland zu werden. Bei Umsätzen oder Reichweite sind wir dort schon auf einem guten Weg. Wir kämpfen aber auch nicht gegen andere Sportarten an, sondern glauben, dass alle nebeneinander ordentlich wachsen können.

Laut dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gibt es in Deutschland zurzeit 500 registrierte Footballteams mit mehr als 70.000 Mitgliedern. Damit ist man noch weit entfernt von Turnen (mehr als 4,6 Millionen) oder der besten Mannschaftssportart Handball (729.000). Wann schlägt sich die Begeisterung auch im Breitensport nieder?

Steinforth: Natürlich ist der Abstand von aktiven Spielern in Deutschland im Vergleich zu anderen Sportarten riesig und wird wohl auch vorerst so groß bleiben. Der Football-Verband und die verschiedenen Ligen leisten in Deutschland aber schon eine ganz wichtige Arbeit an der Basis. Da wollen wir auch weiter mit unterstützen, wie wir es mit unserem Flag-Football-Programm bereits tun.

Und wann gibt es den ersten Super Bowl in Deutschland?

Steinforth: Der Super Bowl ist so tief in der US-Mentalität verankert, dass er in den nächsten Jahren sicherlich nicht außerhalb der USA stattfinden wird – auch wenn ich nach der großen Nachfrage nach dem München-Spiel zu meinen Kollegen auch schon gesagt habe, dass wir gerne die ganze Liga nach Deutschland verlagern können. Aus meiner Sicht darf der Super Bowl sehr gerne nach Deutschland kommen. Ich fürchte aber, dass das in den nächsten Jahren schwierig wird.