Liverpool/Hamburg. Falkensteiner Golfer hat sich für die British Open qualifiziert. Noch tritt er als Amateur an – doch das könnte sich bald ändern.
In Ruhe darüber nachdenken, was er da geschafft hat, konnte Tiger Christensen noch gar nicht richtig. Wahrscheinlich geht das jetzt erst los. Unmittelbar nach dem bislang größten Coup seiner Golfkarriere vor knapp zwei Wochen musste der Hamburger schließlich schon nach Belgien reisen, um mit der deutschen Nationalmannschaft die Team-Europameisterschaft zu spielen.
Am Donnerstag aber ist es soweit: Die 151. British Open. Das traditionsreichste – und für viele wichtigste – Golfturnier der Welt. Und der 19 Jahre junge Amateur ist im Feld der absoluten Weltklasseprofis im Royal Liverpool Golf Club als einer von nur vier Deutschen dabei.
Golf: Seit Montag darf Christensen trainieren
„Ich hatte noch keine Zeit, aufgeregt zu sein“, erzählt der Spieler vom HGC Falkenstein dem Abendblatt vor seiner Abreise auf die Insel: „Aber natürlich wird mit meiner ersten Teilnahme an einem Major-Turnier ein Traum war.“ Spätestens seit Montag, mit der Ankunft in England und der Möglichkeit zum Trainieren, Einspielen und Aufsaugen der ganzen Atmosphäre, wird die Vorfreude weiter steigen. „Inzwischen macht mir Links-Golf auch Spaß“, sagt er mit Blick auf die spielerischen Anforderungen auf diesen windanfälligen Dünenkursen, „hoffentlich haben wir Glück mit dem Wetter, Regen braucht man da gar nicht.“
Ermöglicht hat sich der Hamburger seinen Traum mit Platz vier in einem von vier finalen Qualifikationsturnieren am 4. Juli. Auf dem Küstenkurs Royal Cinque Ports im britischen Kent ließ er dabei Topstars wie Sergio Garcia (Spanien) hinter sich. Christensen ist der einzige der sechs Amateure im Feld, der sich auf diesem Weg die Startberechtigung erspielen konnte. „Das ist einfach sensationell“, urteilte Hamburgs Landestrainer Jens Weißhaupt.
Christensen will Profi werden
Natürlich ist Tiger Christensens Ziel schon lange, dass er irgendwann als Profi bei den ganz großen Turnieren abschlägt, „daran arbeite ich, ganz klar“, sagt er. Aber das es so schnell ging … Sein Name sorgt in der Golfszene natürlich in Erinnerung an Tiger Woods für besonderes Aufsehen. Dabei ist das ein Missverständnis: „Ich bin nach Dariusz „Tiger“ Michalczewski benannt, dem Hamburger Boxweltmeister.“
Sein großes Golftalent wurde früh entdeckt – und er hat das Glück, eine Familie zu haben, die dieses Lebensziel unterstützt. Und sich das auch leisten kann. Vater Alex Christensen ist als Musikproduzent bekannt, seine Mutter Nicci hatte eine Sängerkarriere als „Rollergirl“ – „bis ich dann den Job als Mama übernommen habe“, wie sie sagt. Vater, Mutter und die Hunde reisen jetzt natürlich auch nach Hoylake vor den Toren Liverpools, um den Sohn zu begleiten. „Die Unterstützung meiner Eltern könnte nicht besser sein“, sagt Christensen, „es ist sehr beeindruckend, wie sie versuchen, alles so einzurichten, wie es am besten für mich ist.“
Universitätswechsel in den USA
Dazu gehört auch loszulassen. Im Sommer 2021 brach Tiger nach Stillwater in der US-amerikanischen Provinz auf, um mit einem Golf-Stipendium an der Oklahoma State Universität zu studieren und vor allem sein Spiel zu verbessern. Nach einem Jahr merkte er, dass er dort nicht glücklich wird: „Essen, Unterkunft, das Team, es hat nicht gepasst“.
Also wechselte er nach Tuscon an die University of Arizona. Wohl rückblickend eine gute Entscheidung. „Ich habe mich dort sehr entwickelt“, erzählt Christensen, „die Anforderungen im Collegegolf sind extrem hoch. Die Plätze sind schwer, man muss immer die richtigen Spots treffen, mein Kursmanagement ist besser geworden und ich habe mich bei den wichtigen Puts zwischen 1,5 und 3,5 Metern sehr gesteigert.“
Siebter Platz bei der EM in Litauen
Seine Ergebnisse in dieser Sommersaison spiegelten diese Entwicklung wider. Der geteilte siebte Rang bei der Europameisterschaft in Litauen vor rund drei Wochen nur vier Schläge hinter dem Sieger ließ schon aufhorchen. „Ich bin deshalb sehr zuversichtlich in das letzte Qualifying gegangen, schon beim Qualifikationsturnier im Mai für die US Open haben mir nur drei Schläge gefehlt“, erinnert sich Christensen.
Das ganze Umfeld eines Profiturniers war also kein absolutes Neuland mehr, dabei half auch der Start bei den Porsche European Open in Winsen dank einer Wildcard der Veranstalteragentur U.Com. Die Erkenntnis, dass auch die Profis nur mit Wasser kochen, ist da. „Ich habe auch gesehen, dass sich viele Collegespieler für die US Open qualifiziert haben und wusste, da bin ich nicht weit weg“, sagt er.
Als Amateur darf Tiger Christensen kein Preisgeld verdienen
Tiger Christensen hat offenbar die Fähigkeit, in entscheidenden Situationen nicht zu verkrampfen, sondern eher besser zu werden. Nicht ohne Grund hatte ihn Falkensteins Trainer Matthias Boje beim Stechen um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft 2022 aufgeboten – und Tiger lieferte einen entscheidenden Punkt: „Wenn es einen Moment gibt, in dem ich etwas gewinnen kann, kann ich alles andere ausblenden.“
Seinen Kameraden aus Falkenstein kann er nun nicht helfen, am kommenden Wochenende in Berlin die fehlenden Punkte zur Teilnahme am Final Four um die deutsche Meisterschaft am 5./6. August zu sammeln. „Da versuche ich, dabei zu sein, ich habe zu den Jungs einen wirklich guten Kontakt.“
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Im Spätsommer geht es dann wieder in die USA, das dritte Semester in „Interdisciplinary Studies“, einem Wirtschaftsstudium, beginnt. Ob er das allerdings abschließt, erscheint ungewiss. Dem eigentlichen Ziel, mit Golf seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist er deutlich näher gekommen in diesem Frühjahr. U.Com, das zahlreiche deutsche Profis wie die Hamburgerin Esther Henseleit als Agentur vertritt, hat ihm nicht nur den Start in Winsen ermöglicht, sondern folgt Tiger auch auf Instagram, Kontakte bestehen offenbar. Der Spieler blendet das jedoch aus. „Um alles Geschäftliche kümmert sich mein Vater“, erklärt Tiger Christensen.
Die 70 besten Spieler nach zwei Runden spielen bei den British Open am Wochenende um 16,5 Millionen Pfund Preisgeld. Als Amateur dürfte Tiger Christensen allerdings keinen Cent annehmen, sollte er es in die beiden Finalrunde schaffen. So sind die Regeln. „Mir sind ohnehin Dinge wichtiger, die ich mir nicht kaufen kann“, sagt der junge Mann aus Winterhude, „vor allem dieses Schild an der Schlägertasche: Spieler bei den 151. Open.“