Hamburg. Nach dem Ausstieg der Global Tour gab es beim Hamburger Derby Zukunftssorgen. Zwei Olympiasieger erklären, warum sie unbegründet sind.
Acht Zehntelsekunden hatten Shane Breen gefehlt, um Mario Stevens den Triumph im Championat von Hamburg zu entreißen. Während der 40-Jährige aus Molbergen auf Starissa vor gut 20.000 begeisterten Zuschauern im Derbypark Klein Flottbek den Sieg im Hauptspringen des Donnerstags vor dem 23 Hundertstelsekunden langsameren Hans-Dieter Dreher (51/Rheinfelden) feierte, zeigte sich der mit Cuick Star Kervec drittplatzierte Breen (48) nicht nur als fairer Verlierer.
Der Ire nutzte seine Podiumsplatzierung auch, um ein Loblied auf die Hamburger Pferdesport-Traditionsveranstaltung anzustimmen. „Hamburg ist eine fantastische Show. Das Publikum und das Stadion sind außergewöhnlich. Es ist jedes Mal eine Ehre und ein Vergnügen, hier reiten zu dürfen“, sagte der Weltranglisten-66. – und zauberte mit diesen Worten ein Lächeln in Volker Wulffs Gesicht.
Trennung von Global Tour nach 15 Jahren
Nachdem der Derbychef im Oktober vergangenen Jahres die Trennung von der weltweit höchstdotierten Springserie Global Champions Tour (GCT) bekannt gegeben hatte, war viel über die Folgen diskutiert worden. Seit 2008 hatte die GCT dank ihrer finanziellen Zugkraft die Weltelite nach Klein Flottbek gelockt.
Weil deren Macher sich jedoch daran stießen, in der Publikumsgunst hinter dem Derby nur die zweite Geige zu spielen, war die Kooperation beendet worden. Dass in Jahr eins nach der 15-jährigen Partnerschaft das Teilnehmerfeld überhaupt nichts an Qualität eingebüßt hat, mag manche überraschen. Steve Guerdat jedoch hat nie daran gezweifelt, dass der Schritt, dem Derby Priorität einzuräumen, der richtige war.
„Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Hamburg sich seine Identität zurückholt“, sagt der Schweizer. Guerdat, 2012 in London Einzelolympiasieger und aktuell die Nummer 22 der Weltrangliste, gilt als einer der größten Kritiker der GCT.
Guerdat war seit 2013 nicht in Hamburg
Seit 2015 der Mannschaftswettbewerb Global Champions League eingeführt wurde, in den sich potente Teilnahmewillige für 30.000 Euro einkaufen können, hat er an keinem Global-Tour-Turnier mehr teilgenommen. „Bei zweien hat mir dieser freiwillige Verzicht wehgetan, Madrid und Hamburg“, sagt er.
Was er an dem Traditionsstandort am Rande des Jenischparks besonders schätzt, kleidet der 40-Jährige in blumige Worte. „Hamburg ist ein Turnier für die Pferde. Es gibt immer weniger Events, bei denen man auf Naturrasen reitet. Turniere wie dieses sind die Wurzeln unseres Sports, sie haben das Springreiten zu dem gemacht, was es heute ist“, sagt er.
Wie ein Kind in Disneyland
Mit jedem Atemzug sauge man nicht nur frische Luft ein, sondern auch die Geschichte des Turniers. „Ich habe das Derby früher schon im Fernsehen verfolgt. Wenn ich auf den Derbyplatz einreite, fühle ich mich wie ein Kind in Disneyland. Selbst bei der Parcoursbegehung habe ich Gänsehaut“, sagt er.
Ein Derbypferd für dieses Jahr hat Guerdat nicht, was ihn betrübt. Aber mit dem 14 Jahre alten Wallach Venard de Cerisy, mit dem er am Sonnabend (15.20 Uhr) den Großen Preis von Hamburg in Angriff nimmt, könne er sich einen Start im kommenden Jahr vorstellen. „Selbstverständlich hat das Derby einen besonderen Reiz. Auch deshalb mache ich mir um das Teilnehmerfeld für die kommenden Jahre überhaupt keine Sorgen“, sagt er.
Zwar profitiert Hamburg in diesem Jahr davon, dass es weltweit kein anderes Fünfsterneturnier zum selben Termin gibt. Aber auch mit mehr Konkurrenz müsse sich Veranstalter Wulff um den Stellenwert seines Turniers keine Gedanken machen. Aus vielen Gesprächen mit Kollegen wisse er, dass Hamburg „für sehr viele ein Turnier ist, das man sich im Kalender ankreuzt, sobald die Terminierung steht, weil man unbedingt dabei sein will.“
Hamburg weckt in Maher Heimatgefühle
Das sieht auch Ben Maher so. Der Brite, 2012 in seiner Heimat Olympiasieger mit dem Team und 2021 in Tokio Goldmedaillengewinner im Einzel, fühlt sich in Klein Flottbek an seine Heimat erinnert. „Die Atmosphäre in Hamburg ist ähnlich wie auf den großen Traditionsturnieren in England. Das Publikum ist sehr fachkundig und stimmungsvoll, und das ganze Turnier strahlt unheimlich viel Geschichte aus“, sagt der 40-Jährige.
Er habe nicht das Gefühl, dass sich an der Identität der Veranstaltung durch den GCT-Ausstieg viel verändert hat. „Man spürt auch weiterhin, wie viel Herz und Leidenschaft der Veranstalter investiert, um allen Teilnehmenden etwas Besonderes zu bieten“, sagt er.
Jedes einzelne Turnier habe etwas, das es von anderen abhebe. „In Hamburg ist es für mich diese wunderschöne Anlage. Auf Rasen zu reiten, das ist für die Pferde und auch für mich das Schönste. Hier braucht man etwas Glück mit dem Wetter, weil der Platz bei Regen doch sehr schwierig zu reiten ist, aber das scheinen wir in diesem Jahr ja zu haben.“
Maher ritt das Derby dreimal
Ben Maher ist überzeugt davon, dass das Hamburger Derby auch für eine Zukunft ohne die Global Tour alles habe, was ein Weltklasse-Event benötigt. „Vielleicht könnte der Abreiteplatz etwas größer sein, aber ansonsten gibt es nichts, was ich verändern würde, wenn ich Veranstalter wäre“, sagt er.
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Auch der wegen einer Verletzung auf Position 21 der Welt abgerutschte Brite hat in diesem Jahr kein Derbypferd, will aber für die kommenden Jahre ebenfalls nichts ausschließen. „Ich bin das Derby dreimal geritten und würde es natürlich gern mal gewinnen. So oder so wird Hamburg für mich immer einen besonderen Stellenwert haben, denn ich bin hier schon als junger Reiter herausragend unterstützt worden“, sagt er.
Am Freitag zweite Derbyqualifikation
An diesem Freitag (13.30 Uhr) ist der Preis der Deutschen Kreditbank AG, der als zweite Qualifikation zum Derby am Sonntag (14 Uhr) gilt, die Hauptattraktion des Wettkampftags. Die erste Quali hatte am Mittwoch zum Auftakt der Derbywoche vor 6000 Fans der Brasilianer Carlos Ribas gewonnen.
Der 50-Jährige, der in den Niederlanden lebt und nach seiner Hamburg-Premiere 1997 erst zum zweiten Mal in Klein Flottbek antrat, war mit seinem Wallach Trix mehr als fünf Sekunden schneller als der zweitplatzierte Ire Denis Lynch (47) auf Rubens la Silla. „Dieses Turnier ist etwas ganz Besonderes“, sagte der Nelson-Pessoa-Schüler, „jetzt möchte ich auch Sonntag ganz oben stehen.“ Das hat er indes nicht exklusiv.