Hamburg. Bei der 37. Auflage droht das Wetter am Sonntagmorgen die Spitzenläufer einzubremsen. Wer dennoch auf den Sieg hofft.

In den vergangenen zwei Tagen und Nächten war einmal mehr das Organisationstalent Jurrie van der Veldens gefragt. Der langjährige Athletenmanager des Haspa Marathons musste angesichts des Streiks am Hamburger Flughafen schnell neue Wege finden, um die Top-Läuferinnen und -Läufer aus Ostafrika in die Stadt zu lotsen. Am Ende notierte er 21 Umbuchungen. Statt beispielsweise wie geplant aus Amsterdam oder Brüssel direkt nach Fuhlsbüttel abzuheben, verlief für die meisten die neue Flugroute nun über Frankfurt und Bremen, von dort ging es mit dem Auto weiter nach Hamburg.

Sportsenator Grote läutet den Haspa Marathon ein

Noch sind nicht alle Spitzensportlerinnen und -sportler im Hotel Radisson Blu am Dammtor-Bahnhof angekommen, die letzten werden am Freitagabend erwartet. Der Niederländer ist jedoch optimistisch, dass am Sonntagmorgen um 9.30 Uhr alle in der Karolinenstraße am Fernsehturm an der Startlinie stehen werden, wenn SPD-Sportsenator Andy Grote die 37. Auflage des Stadtlaufes anläutet.

Für die 42,195 Kilometer an Elbe und Alster haben in diesem Jahr knapp 12.000 Ausdauernde gemeldet, etwa zehn Prozent mehr als im Vorjahr, als noch Corona mitlief. Die 1570 Viererstaffeln (6280 Teilnehmende) und die 4670 Plätze des Halbmarathons waren erneut früh ausgebucht.

Am Sonnabend starten 10.000 Schüler beim „Zehntel“

Den Auftakt der größten Breitensportveranstaltung Hamburgs bildet traditionell der Schülerlauf „Das Zehntel“ über 4,2 Kilometer am Sonnabendmorgen rund um das Messegelände. Frank Thaleiser, Geschäftsführer der Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH, erwartet eine neue Rekordbeteiligung. 10.352 Kinder und Jugendliche hatten über ihre Schulen ihren Teilnahmewillen hinterlegt.

Während der Nachwuchs noch um Ehre und Urkunden rennt, liegen für die Elitefelder bei Frauen und Männern 20.000 Euro Siegprämien auf der Straße, 5000 weniger als in den vergangenen Jahren. Der Haspa Marathon, Etat: rund 3,3 Millionen Euro, muss sparen. Die Forderungen von Dienstleistern und Ausstattern sind zum Teil inflationär gestiegen.

Brasilianer do Nascimento ist einer der Favoriten

Einer der ersten Kandidaten auf das höchste Preisgeld ist der 24 Jahre alte Daniel do Nas­cimento, der sich „Danielinho“ nennt, der keine Daniel. Der Brasilianer, 1,65 Meter groß, ist mit einer Bestzeit von 2:04:51 Stunden der bisher schnellste Marathonläufer, der nicht in Afrika geboren wurde. Dort lebt und trainiert er aber seit jetzt drei Jahren, in Kenia, Äthiopien und Uganda. Er hat das Potenzial, die Siegesserie afrikanischer Läufer in Hamburg zu beenden, die seit 2007 anhält.

„Hamburg ist der schnellste Frühjahresmarathon. Ich freue mich auf die flache Strecke, habe auch schon einige Videos des Laufes gesehen“, sagt der WM-Achte des vergangenen Jahres. In Hamburg wolle er „intelligent laufen“, das Rennen diesmal nicht zu schnell angehen. Das sei seine Lehre des New-York-Marathons, als er dort vor fünfeinhalb Monaten dem Feld früh enteilte, lange Zeit auf Weltrekordkurs lag, nach 32 Kilometern aber entkräftet mit Magenkrämpfen aufgeben musste.

Neu-Hamburger Welday peilt Olympianorm für Paris an

Neben ihm gehört der Kenianer Bernard Koech (35) zum Favoritenkreis. Mit seiner Bestzeit von 2:04:09 Stunden ist in Hamburg noch nie ein Läufer an den Start gegangen. Auch Martin Musau (24) aus Uganda, der 2021 in Corona-Zeiten den 35. Haspa-Marathon gewann, meldet Ansprüche auf eine vordere Platzierung an. Er habe hart und gut trainiert, sagte Musau am Donnerstag bei seiner Vorstellung: „Ich bin in Topform.“

Als einer mit Ambitionen gilt auch der Neu-Hamburger Haftom Welday. Der 33-Jährige bereitete sich drei Monate lang in seiner alten Heimat Äthiopien in 2600 Metern Höhe auf seinen dritten Marathon vor. 2:08:10 Stunden, die Olympianorm für Paris 2024, peilt er an, insgeheim scheint er mit noch schnelleren Zeiten zu liebäugeln. Welday will in der ersten Gruppe mitlaufen, hat er bei Jurrie van der Velden hinterlegt, der am Sonnabend die Renntaktik mit den besten Frauen und Männern bespricht.

Drei Tempomacher sollen die Eliten zu einer Endzeit um die 2:05 Stunden führen. Pacemaker steigen gewöhnlich nach 30 Kilometern aus, einige vorher, andere laufen sogar durch. Der deutsche Europameister Richard Ringer (34) aus Überlingen will dagegen das Rennen vorsichtiger angehen, glaubt in der zweiten Gruppe bessere Chancen auf die Olympia-Qualifikation zu haben.

Äthiopierin will am Sonntag neuen Streckenrekord laufen

Bei den Frauen führt wohl kein Weg an Tiruye Mesfin vorbei. Die 20 Jahre alte Äthiopierin kommt mit einer Bestzeit von 2:18:47 Stunden und großem Ehrgeiz nach Hamburg, traut sich zu, den Streckenrekord ihrer Landsfrau Yalemzerf Yehualaw (2:17:23 Stunden) zu unterbieten, den die damals 22-Jährige vergangenes Jahr bei ihrem Marathondebüt lief. Ein halbes Jahr später gewann sie den renommierten London-Marathon.

Wind kommt aus Südwest und bläst den Läufern am Ende ins Gewicht

Cheforganisator Thaleiser fürchtet allerdings, das Wetter könnte am Sonntag die Läuferinnen und Läufer stoppen. „2022 herrschten außergewöhnlich gute Marathonbedingungen, diesmal sind starke Böen angesagt. Das wird dann schwierig mit neuen Bestzeiten.“ Der Wind, hat Jurrie van der Velden auf seiner App gesehen, soll bis zum Mittag aus Südwest kommen. „Dann bläst er den Läufern auf dem Rückweg zum Fernsehturm ins Gesicht. Das bremst.“ Einen anderen Weg zum Ziel gibt es aber nicht. Hier hat van der Velden keine andere Lösung parat, nur die Hoffnung, dass sich der Wind dreht.