Hamburg. Am Weltfrauentag treffen zwei Hamburger Spielerinnen aufeinander. Klar ist: Gleichberechtigung muss ihm Fußball wichtiger werden.

Die Spielvorbereitung auf das große Stadtderby könnte für Sarah Stöckmann einfacher sein. An diesem Donnerstag arbeitet die Erzieherin zunächst in ihrem Kindergarten in Buxtehude, ehe es am Abend nach Delmenhorst geht. Dort bestreitet die Kapitänin der HSV-Frauen mit ihrer Mannschaft in der Regionalliga Nord das Nachholspiel bei Atlas Delmenhorst (19 Uhr). Nur zweieinhalb Tage später kommt es dann am Sonntag in Norderstedt (14 Uhr) zum Duell gegen den Rivalen FC St. Pauli. „Arbeit, Schule, Studium – das ist der Hauptteil unseres Tages. Und der Fußball kommt dann eben danach“, sagt Stöckmann. Die 29-Jährige sitzt am Weltfrauentag im Podcaststudio des Abendblatts, um über die Entwicklung des Frauenfußballs zu sprechen.

Links neben Stöckmann sitzt Julia Hechtenberg. Die Topstürmerin des FC St. Pauli hat vor einem Jahr noch selbst in Delmenhorst gespielt, ehe sie der Transfermarkt nach Hamburg brachte. Anders als bei den Profis des Kiezclubs war es aber kein Angebot, das sie zum Wechsel bewegte. Die 26-Jährige fand beim Onlineportal transfermarkt.de in Hamburg einen neuen Job und beim FC St. Pauli zudem eine neue fußballerische Heimat. Für ein zusätzliches Taschengeld reicht es bei den Frauen an der Feldstraße aber nicht. Im Gegenteil: „Wir spielen komplett unentgeltlich, zahlen Mitgliedsbeiträge. Aber der nächste Schritt wäre auf jeden Fall, weiter in Richtung Professionalisierung zu gehen“, sagt Hechtenberg, mit zehn Treffern die erfolgreichste Torschützin ihrer Mannschaft.

HSV-Frauen: Viermal die Woche hat das Team Training

Deutlich professioneller sind bereits die Strukturen der HSV-Frauen. Seit drei Jahren arbeitet Managerin Catharina Schimpf daran, die Grundlagen für den Aufstieg in die Zweite Liga zu schaffen. Nachdem die Mannschaft im vergangenen Sommer in den Play-offs gegen Turbine Potsdam II verlor, soll in diesem Jahr endlich der Sprung in die Zweite Liga gelingen. Die Mannschaft von Trainer Lewe Timm hat bislang alle 16 Saisonspiele gewonnen. Viermal die Woche hat das Team Training.

Von professioneller Bezahlung oder einer Prämienregelung sind aber auch die Frauen des HSV noch weit entfernt. „Ich hoffe, dass es nach dem Spiel am Sonntag ein kühles Getränk in der Kabine gibt“, sagt Stöckmann, die 2019 vom VfL Jesteburg zum HSV ging und dort einen Vertrag bis 2025 unterschrieben hat. Zuvor hatte sie auch mit einem Wechsel zum FC St. Pauli geliebäugelt. „Letztendlich haben mich die Strukturen und das Projekt beim HSV absolut überzeugt“, sagt die Spielführerin, die das Amt vor der Saison übernommen hat.

Maximal 500 Zuschauer können beim Stadtderby der Frauen zugucken

Auch wenn die Strukturen im Frauenfußball des HSV bereits zweiligawürdig sind, gibt es in der Branche insgesamt noch viel zu tun. Stöckmann und Hechtenberg ist bewusst, dass eine Equal-Pay-Regelung, also die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, im Fußball aktuell noch unrealistisch ist. Dazu fehlen in vielen Vereinen Sponsoren, Investoren, TV-Einnahmen, aber auch die Zuschauerzahlen. Seit der erfolgreichen Frauen-Europameisterschaft im vergangenen Sommer sind die Besucherzahlen in der Frauen-Bundesliga zwar stark gestiegen. Und selbst in der Regionalliga freuen sich die zwei Hamburger Clubs über einen Fanzuwachs. Doch es fehlen die entsprechenden Sportanlagen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Zum Stadtderby am Sonntag auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage in Norderstedt können maximal 500 Zuschauer kommen. 100 Karten sind online aktuell noch zu kaufen. Eine Tageskasse gibt es nicht.

„Wir würden gerne mal ein Regionalligaspiel in einem Amateurstadion austragen. Das ist ja auch geplant“, sagt Julia Hechtenberg, die im Podcast auf Nachfrage von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) auf die suboptimalen Trainingsbedingungen an der Feldstraße verweist. „Wir trainieren zweimal die Woche auf dem halben Platz und einmal die Woche auf einem Viertel des Platzes. Man macht das Beste draus, aber es bräuchte noch mehr Ausweichmöglichkeiten“, sagt Hechtenberg. Stöckmann stimmt ihr zu. „Es geht für uns nicht um Equal Pay, sondern um equal play, damit wir unter ähnlichen Bedingungen trainieren und spielen können“, sagt sie.

Nur drei Prozent der Führungspositionen im Fußball von Frauen besetzt

Mit Sportvorstand Jonas Boldt und Nachwuchsdirektor Horst Hrubesch hat der HSV zwei Fürsprecher des Frauenfußballs in der Führungsebene. Ansonsten hat der Club beim Thema Diversität in der Chefetage aber noch Optimierungsbedarf. Das gilt insbesondere für den Aufsichtsrat, der nach dem Ausscheiden von Nachhaltigkeitsunternehmerin Lena Schrum wieder ausschließlich von Männern besetzt ist. Anders sieht es beim FC St. Pauli aus. Vier von sieben Mitgliedern sind Frauen. Mit Sandra Schwedler hat der Verein zudem eine Vorsitzende im Kontrollgremium. Das sind prozentual deutlich mehr als der Schnitt im deutschen Profifußball.

Wie aus einer aktuellen Studie der gemeinnützigen Organisation „Fußball kann mehr“ hervorgeht, sind zehn Prozent der Aufsichtsratspositionen (39 von 367) von Frauen besetzt. Noch deutlich weniger sind es in den operativen Führungspositionen: vier von 150. Immerhin: Vor drei Jahren war es nur eine. An der Studie hat auch die frühere HSV-Vorständin Katja Kraus als Beiratsvorsitzende mitgewirkt. „Die aktuelle Ausstrahlung des Fußballs, fehlende Vorbilder und unzeitgemäße Karrierebilder ermutigen Frauen nicht dazu, Führungspositionen im Fußball anzustreben“, sagt Kraus, die vor zwei Jahren als DFB-Präsidentin im Gespräch war, nun aber vor allem für mehr Frauen in Führungskräften im Fußball kämpft.

Der FC St. Pauli leistet in dieser Hinsicht Pionierarbeit. „Es ist noch ein weiter Weg, nicht nur divers zu wirken, sondern auch zu sein. Aber die ersten Schritte sind gemacht“, sagt St. Paulis Aufsichtsratschefin Schwedler.

Im Pokalfinale könnten HSV und FC St. Pauli noch mal aufeinander treffen

Nun geht es auch für den Deutschen Fußball-Bund darum, die nächsten Schritte einzuleiten. Ein erster wäre die Reform der Ligenstruktur im Frauenfußball. In der Zweiten Liga sind die Hälfte der 14 Mannschaften Zweitvertretungen der großen Clubs. Dem HSV dagegen ist auch als Regionalligameister der Aufstieg nicht sicher. „Die Strukturen kann man schon infrage stellen. Aus meiner Sicht sollte ein Meister immer aufsteigen“, sagt Stöckmann in Richtung DFB.

Mit einem Sieg im Stadtderby am Sonntag gegen St. Pauli will der HSV den nächsten Schritt auf dem Weg zur erneuten Meisterschaft gehen. Im Hamburger Pokalfinale könnten sich die beiden Clubs dann am Ende der Saison noch einmal wiedersehen. Beim letztjährigen Finale kamen 1800 Fans, als der HSV gegen den Eimsbütteler TV gewann. Die Zuschauerzahl dürfte sich in diesem Jahr noch einmal erhöhen. Sarah Stöckmann und Julia Hechtenberg träumen davon, so ein Spiel entweder am Millerntor oder im Volksparkstadion auszutragen. „Unsere Fans haben Blut geleckt“, sagt Stöckmann, die am liebsten mal in der Bundesliga gegen St. Pauli spielen würde. Kurzfristig geht es am Sonntag aber zunächst einmal um eines: den Derbysieg in der Regionalliga.