Hamburg. Der Hamburger Profiboxer kämpft am 30. April in der Großen Freiheit. Vor allem einen Traum will sich „Hafen-Basti“ noch erfüllen

Sebastian Formella war voll in seinem Element. Immer wieder schrieb der 35-Jährige seinen Namenszug auf Autogrammkarten, T-Shirts oder andere Bekleidungsstücke, die ihm entgegengestreckt wurden. Er posierte mit seinem Weltmeistergürtel für Fotos, für jeden seiner jugendlichen Fans fand er freundliche Worte. Wer den Hamburger Profiboxer beobachtete auf dem Jahrestreffen des Sozialprojekts „Boxschool“ im Blockbräu an den Landungsbrücken, wo er als Vorbild für die Schülerinnen und Schüler eingeladen war, der konnte spüren, warum Formella als Publikumsliebling gilt.

Hamburger Profiboxer Formella als „Hafen-Basti“ bekannt geworden

Genau diese Fans, die den Mann, der wegen seines Hauptberufs als Containerfahrer im Hamburger Hafen als „Hafen-Basti“ bekannt geworden ist, seit Beginn seiner Profikarriere im Jahr 2014 lautstark begleiten, sind einer der beiden Hauptgründe dafür, dass er dem Ring noch nicht den Rücken kehren mag. Die drei Niederlagen in seinem 26 Duelle umfassenden Kampfrekord hat er innerhalb der letzten vier Auftritte erlitten.

Und weil er bei den Ringschlachten gegen US-Superstar Shawn Porter im August 2020 in Los Angeles, den britischen Shootingstar Conor Benn nur drei Monate später in London und dessen aufstrebenden Landsmann Chris Kongo im Juni 2022 ebenfalls in der Wembley Arena, die er allesamt deutlich nach Punkten verlor, einsehen musste, dass er gegen die Weltspitze im Weltergewicht nicht mithalten kann, hätte sich niemand über einen Rücktritt des früheren IBO-Weltmeisters gewundert.

Box-Comeback von Formella in der Großen Freiheit

Dennoch hat sich der ehemalige Kunstturner, der beim TV Fischbek das Boxen erlernte, zu einer Fortsetzung der Karriere entschieden. Am 30. April wird er auf einer „Boxen im Norden“-Veranstaltung des Hamburger Promoters Thomas Nissen in der Großen Freiheit einen Aufbaukampf über acht Runden bestreiten. Die Verhandlungen mit einem anständigen Gegner sind weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. „Ich habe zum bislang letzten Mal im Januar 2020 in Hamburg geboxt und freue mich riesig darauf, meinen Fans wieder einen Heimkampf bieten zu können“, sagt er.

Zwar wird er noch immer von Erol Ceylan und dessen Hamburger EC-Stall promotet, Ceylan allerdings plant in naher Zukunft keine eigenen Veranstaltungen in Hamburg. Gespräche gab es auch mit dem neuen Hamburger Stall P2M, der am 25. März einen Kampfabend im Hotel Grand Elysée am Dammtor veranstaltet. „Aber dort sind die Tickets limitiert. Der Rahmen in der Großen Freiheit ist für meine Fans genau richtig, ich bin froh, diese Chance zu bekommen“, sagt Formella.

Formella hat die Liebe zum Boxen noch nicht verloren

Der zweite Hauptgrund für die Fortsetzung der Laufbahn ist die Freude an seinem Tun. „Ich merke, dass ich das Boxen immer noch liebe“, sagt er. Sein Cheftrainer Mark Haupt hat selbst noch mit 38 im Ring gestanden, „er sagt mir, dass ich weitermachen soll, solange es mir Spaß macht und ich gesund bin.“ Seine Gesundheit, das hat das 1,77 Meter große Kraftpaket seinem Umfeld versprochen, werde er allerdings nicht einem unkalkulierbaren Risiko aussetzen. „Ich habe eingesehen, dass ich es nicht schaffe, die Top Ten der Welt zu besiegen. Aber die zweite Garde kann ich schlagen“, sagt er.

Sich nur noch als „Opfer“ buchen zu lassen und dafür gutes Geld zu kassieren, wie es manche Boxer auch aus seinem Umfeld tun, das kommt für den Sohn polnischer Eltern nicht infrage. Mehrfach habe er finanziell lukrative Angebote für Duelle mit Spitzenleuten abgelehnt, weil diese zu kurzfristig kamen. „Wenn ich noch einen großen Kampf annehme, dann nur, wenn ich mindestens zehn Wochen Vorbereitung habe. Ich gehe in jeden Kampf mit 120 Prozent, alles andere ist mit meinem Image nicht vereinbar“, sagt er.

Sebastian Formella muss für seine Box-Vorbereitung Urlaub nehmen

Sebastian Formella hat den großen Vorteil, nicht boxen zu müssen. Sein Job auf der Containerbrücke ist sicher, er liebt ihn und sieht den Sport als perfekten Ausgleich. Zwar muss er für die Kampfvorbereitungen meist seinen Jahresurlaub aufbrauchen und Überstunden sammeln, „aber das macht mir nichts aus. Ich mag das Gefühl, dass ich nicht boxen muss, um mein Leben zu finanzieren, sondern dass ich es darf, um meinen Fans etwas zu bieten.“

Auch wenn er Gedanken ans Aufhören bislang noch von sich wegschiebt, hat er für die letzte Phase seines Boxerlebens klare Vorstellungen. „Ich möchte noch ein bisschen Geld verdienen, mir etwas zur Seite legen, dann ist alles gut“, sagt er.

Ein paar Events in Hamburg könne er sich vorstellen. Vor allem aber würde er sich den Traum, in den USA vor Publikum zu kämpfen, gern erfüllen. Das Duell mit Porter fand coronabedingt vor leeren Rängen statt. „In der Wembley Arena gegen Kongo habe ich gespürt, welchen Unterschied es macht, wenn Fans dabei sind. Das einmal in Amerika zu erleben wäre die Krönung meiner Karriere“, sagt er.

Wenn ihm diese Krönung jedoch versagt bleibt, dann möchte Sebastian Formella zum Jahresende oder im Frühjahr 2024 einen großen Abschiedskampf in Hamburg organisieren, um sich mit Anstand und auf die für ihn angemessene Art in den sportlichen Ruhestand zu begeben. „Dann lassen wir es noch einmal richtig krachen“, sagt er, und das für ihn so typische Lausbubenlachen unterstreicht, wie sehr er es genießt, noch immer voll in seinem Element zu sein.