Hamburg. Nach ihrem sportlichen Rückzug lehnte die 36-Jährige alle Interviews ab. Mit dem Abendblatt sprach sie nun zuerst.
In Mailand, ihrer Wahlheimat, hat in dieser Woche der Frühling Einzug gehalten. Und obwohl Margareta Kozuch mit der Betreuung ihres sieben Monate alten Sohnes Leonardo und der Unterstützung ihres Verlobten Nicolò, der Anfang Februar ein Bistro eröffnet hat, sehr gut ausgelastet ist, versucht die gebürtige Hamburgerin das schöne Wetter so oft es geht auszunutzen.
Das Interview mit dem Abendblatt führt die 36 Jahre alte Volleyballerin telefonisch aus einem Park. Es ist ihr erstes seit dem Rückzug aus dem Hochleistungssport nach den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio.
Hamburger Abendblatt: Frau Kozuch, viele Jahre war der Leistungssport Ihr Lebensinhalt. Wie schwer fällt es Ihnen, sich nun vollkommen auf Ihre neue Aufgabe als Mutter einzulassen?
Margareta Kozuch: Momentan fällt mir das gar nicht schwer. Mein Verlobter und ich haben entschieden, dass wir in der ersten Zeit komplett für Leonardo da sein wollen. Nicolò arbeitet sehr viel, neben seiner Immobilien- und Eventagentur hat er mit seinem Bruder und seiner Schwester nun noch ein Bistro in Mailand eröffnet. Ich unterstütze ihn, wo ich kann, aber meine Priorität liegt eindeutig auf unserem Sohn. Wir haben bislang bewusst auf eine Nanny verzichtet. Aber mit der Zeit wird sich das nicht vermeiden lassen, wenn ich mich dazu entscheide, in den Sport zurückzukehren.
Haben Sie diese Entscheidung bereits getroffen und arbeiten darauf hin?
Kozuch: Ich versuche, mich körperlich in Form zu halten, trainiere dreimal in der Woche Kraft und Fitness. Leider macht mir derzeit eine Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk zu schaffen, baggern ist gerade nicht möglich. Außerdem merke ich, dass nach mehr als einem Jahr Pause meine Reflexe stark gelitten haben. Das System muss erst wieder reaktiviert werden. Eine Entscheidung über meine sportliche Zukunft ist noch nicht gefallen. Aber ich habe große Lust, an den Ball zu gehen, zu trainieren und zu spielen. Mir ist es wichtig, fit zu bleiben, um mir alle Optionen offenzuhalten.
Kozuch spricht erstmals über Zeit mit Laura Ludwig
Lassen Sie uns über Ihren Abschied von der großen Bühne sprechen. Sie haben seit der Viertelfinalteilnahme bei Olympia in Japan an der Seite von Laura Ludwig nicht über diese Zeit gesprochen. Warum?
Kozuch: Ich hatte nach einigen Presseberichten über mich das Gefühl, dass manche Aussagen von mir und anderen nicht korrekt wiedergegeben wurden. Mir schien, als sei es besser, erst einmal gar nichts mehr zu sagen und mir auch Zeit zu nehmen, die vergangenen Jahre zu reflektieren. Es ist viel passiert, und für mich war es gut, erst einmal Abstand zu gewinnen. Zusätzlich hatte ich körperlich mit mir selbst zu tun. Die Erfahrungen, die wir sammeln, tragen wir immer in uns, man kann sie nicht einfach abhaken, und ich will das auch nicht, denn sie sind Teil von mir. Aber es ist wichtig, Dinge aufzuarbeiten. Ich habe erst vor Kurzem hier in Italien bei einem Vortrag vor Anwälten erstmals öffentlich über diese Zeit gesprochen.
Tatsächlich konnte man das Gefühl gewinnen, dass Sie während Ihrer Zeit mit Laura Ludwig von 2019 bis 2021 oft als sportlicher Sündenbock herhalten mussten, wenn es nicht lief. Ging Ihnen das auch so?
Kozuch: Ich habe von einigen Seiten gehört, dass ich mit der Entscheidung, als neue Partnerin von Laura an den Start zu gehen, nur verlieren könnte. Aber was bedeutet das? Es war schon manchmal so, dass ich als Nachfolgerin von Kira Walkenhorst von außen verantwortlich gemacht wurde, wenn es sportlich bei uns nicht so lief. Es wirkte bisweilen auf mich so, dass manche nur darauf gewartet haben, dass wir verlieren, um mich kritisieren zu können. Das hat mich traurig gemacht. Ich wollte damit professionell umgehen, es nicht so sehr an mich heranlassen. Aber so einfach ist das nicht. Heute weiß ich, dass jeder nur auf seiner eigenen Bewusstseinsebene handelt, und kann es dabei belassen.
Sie haben Wert darauf gelegt, nicht mit Kira Walkenhorst verglichen zu werden, Ihre eigene Rolle spielen zu dürfen. Haben Sie unterschätzt, was es bedeutet, als neuer Teil eines Olympiasieger-Duos einzusteigen?
Kozuch: Natürlich war mir bewusst, welche Leistung die beiden gebracht und welchen Stellenwert sie damit erreicht hatten. Mir war auch klar, dass es normal ist, dass das, was danach kommt, mit dem Vorangegangenen verglichen werden würde. Aber durch das ständige Vergleichen, das von außen an mich herangetragen wurde, konnte ich Teile meiner Persönlichkeit nicht mehr einbringen, sie hatten keinen Raum. Dadurch war ich nicht in der Lage, mein gesamtes Potenzial abzurufen.
Können Sie erklären, warum es nicht möglich war, das Potenzial abzurufen?
Kozuch: Ich war schlicht nicht ganzheitlich auf dem Feld. Ohne hier Einzelheiten zu beleuchten: Ich habe gespürt, dass ich Schwierigkeiten damit hatte, Dinge einzubringen, die für mich fundamental wichtig sind. Vor unserem Viertelfinale gegen die späteren Olympiasiegerinnen Klineman/Ross aus den USA habe ich fast nicht geschlafen. Ich kannte das zwar aus früheren Zeiten auch in der Halle, dass ich vor wichtigen Spielen Probleme hatte, in den Schlaf zu finden. Aber in Tokio fühlte ich mich auf dem Court, als hätte ich Jetlag. Das hat dazu geführt, dass ich nicht ganz bei mir war. Dann hat es nicht gereicht.
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Kozuch: Ich habe viele Tränen vergossen
Hätten Sie Gold gewonnen, wenn Sie Ihr Potenzial hätten entfalten können?
Kozuch: Das will ich im Nachhinein nicht behaupten. Wir können es nicht wissen. Ich finde auch, dass wir mit Platz fünf zufrieden sein dürfen. Es war eine gute Leistung, im Achtelfinale haben wir gegen die Titelfavoritinnen aus Brasilien, Agatha/Duda, einen Sieg erleben können. Rückblickend geht es mir mit meiner Phase im Beachvolleyball sehr gut. Aber ich hätte mir gewünscht, dass ich diesen Weg gefunden hätte, mein gesamtes Potenzial abzurufen.
Machen Sie deshalb sich oder anderen im Rückblick Vorwürfe?
Kozuch: Nein, ich hadere mit nichts, denn ich habe in meiner Zeit nach dem Wechsel von der Halle in den Sand (2017 startete Kozuch für zunächst zwei Saisons mit Karla Borger, d. Red.) viel an Stärke und Erfahrung gewonnen. Ich kann mir auch nicht vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben. Das habe ich auch in Tokio getan. Nur war es dort zwar alles, was in dem Moment möglich war, aber nicht alles, was an Potenzial in mir steckt.
Laura Ludwig hat in ihrem Buch geschrieben, dass sie manchmal das Gefühl hatte, Sie hätten wie ein fünftes Rad am Wagen gewirkt, weil die meisten Teammitglieder enge Vertraute von ihr waren und nicht von Ihnen. Stimmt das?
Kozuch: Ich habe Lauras Buch nicht gelesen. Aber dieses Gefühl gab es, ja. Das wäre wohl jeder anderen auch so gegangen. Ich mache daraus aber niemandem einen Vorwurf. Ich habe auf unserem Weg viele Tränen vergossen, aber da war ich nicht die Einzige. Und ich habe unheimlich viel gelernt und von all jenen, die für unseren Erfolg alles gegeben haben, vieles mitgenommen. Ich glaube, ich bin menschlich gewachsen in dieser Zeit, bin viel stabiler als früher. Und ich bin eine bessere Beachvolleyballerin geworden, was auch immer das bedeuten mag.
Werden Sie das nun nutzen, wenn Sie ein Comeback starten, oder ist auch eine Rückkehr in die Halle denkbar?
Kozuch: Denkbar ist alles. Ich habe mich bewusst nie aus der Halle verabschiedet. Ich liebe gewisse Elemente des Hallenspiels ebenso, wie ich andere Elemente des Beachvolleyballs liebe. Die Dynamik in einem großen Team habe ich immer mit viel Begeisterung gelebt. Andererseits ist der Tagesablauf in einem kleinen Team ohne Verpflichtungen für einen Club besser zu strukturieren, was mit einem Kind sicherlich ein Vorteil ist. Ich lasse mir alle Zeit, um herauszufinden, was ich möchte.
Kozuch kehrt Hamburg dauerhaft den Rücken zu
Werden Sie in Italien bleiben, oder ist eine Rückkehr nach Hamburg eine Option?
Kozuch: Ich liebe Hamburg als Stadt, aber dort leben werde ich auf Sicht nicht mehr. Ich wünsche mir, mittelfristig aus der Stadt in die Natur zu ziehen. Ich fühle mich auch in Polen, wo meine Familie ein Haus hat, und auf Teneriffa, wo meine Schwiegermutter Teile des Jahres lebt, sehr heimisch. Grundsätzlich denke ich aber, dass Italien unser Lebensmittelpunkt bleiben wird.
Haben Sie noch einen Rat an Louisa Lippmann, Laura Ludwigs neue Partnerin?
Kozuch: Ich verfolge natürlich, wie die beiden ihr gemeinsames Tun leben. Ich wünsche ihnen, dass Louisa ihren eigenen Weg findet und ihre eigene Identität ausbildet. Dass sie Louisa Lippmann sein darf und nicht irgendjemanden ersetzen muss. Und ich wünsche den beiden, dass sie sich nicht von den vielen Kritikern beeindrucken lassen, sondern eine gemeinsame Euphorie und Energie entwickeln, die sie trägt. Denn daran glaube ich fest, dass es diese Einheit braucht, um erfolgreich zu sein.