Hamburg. Vor der Endrunde um die Hallenmeisterschaft erklären drei Hamburger Hockey-Keeper, wie Halle und Feld sich unterscheiden
Sie werden im Mittelpunkt stehen, unabhängig davon, ob sie fehlerlos spielen oder gar nichts halten. Wenn an diesem Wochenende in der Süwag Energie Arena (ehemals Ballsporthalle) in Frankfurt am Main die jeweils vier besten Damen- und Herrenteams die deutschen Meistertitel im Hallenhockey ausspielen, stehen die Torleute wieder einmal ganz besonders im Fokus. Ähnlich wie im Handball oder im Eishockey kommt der letzten Instanz in der Abwehr in der rasanten Variante unterm Dach besondere Bedeutung zu. „Ein starker Keeper ist im Hallenhockey mehr als die halbe Miete“, sagt Jimi Lewis, und er muss es wissen.
Schließlich ist der 48 Jahre alte Brite, der in Hamburg die Torwartschule „Iconic Goalkeeping“ leitet, Bundestorwarttrainer, am vergangenen Sonntag gewann er mit den deutschen Herren in Indien WM-Gold.
Das sind für Torhüter die Unterschieden zwischen Hallen-und Feldhockey
Um zu ergründen, was das Torwartspiel in der Halle von dem auf dem Feld unterscheidet, hat das Abendblatt nicht nur mit Lewis gesprochen, sondern auch mit den drei Schlussleuten der Hamburger Teams, die sich für das Halbfinale qualifiziert haben (siehe Infokasten). Und zumindest in einer Sache sind sich Mali Wichmann (22), Tommy Alexander (33/beide Club an der Alster) und Anton Brinckman (22/Harvestehuder THC) zu 100 Prozent einig: Dass Hallenspiele, die wie die Partien auf dem Feld viermal 15 Minuten dauern, vor allem mental, aber auch physisch deutlich anstrengender sind.
Der Grund dafür ist gleichzeitig auch die Begründung, warum alle drei lieber Hallenhockey spielen: Weil Torhüter in der Halle viel mehr ins Spiel eingebunden sind als auf dem Feld, was daran liegt, dass sich das Spielgeschehen viel schneller verlagert. Auf dem Feld, das mindestens 91,4 Meter lang und 55 Meter breit sein muss, können Torleute entspannen, wenn der Ball im gegnerischen Drittel ist. In der Halle, wo die Feldlänge zwischen 36 und 44 sowie die Breite zwischen 18 und 22 Metern variiert, muss der letzte Mann beziehungsweise die letzte Frau in jeder Sekunde fokussiert bleiben.
Jimi Lewis hat dafür den Begriff „Ampel-Effekt“ kreiert. „Auf dem Feld gibt es den grünen Bereich, das ist das gegnerische Abwehrdrittel. Ist der Ball dort, kann der Keeper entspannen. Der gelbe Bereich ist das Mittelfeld, da muss man beginnen, seine Vorderleute zu dirigieren und den Weg des Balles zu verfolgen. Das eigene Abwehrdrittel ist der rote Bereich, da muss man sich komplett auf das eigene Spiel fokussieren und immer online sein“, erläutert er. In der Halle gibt es keine Ampel, sie ist ständiger Rotlichtbereich. „Für die Torleute ist das vor allem mentaler Stress“, sagt Lewis.
Viel Kommunikation hilft den Torhütern in der Halle
Die beste Herangehensweise, um stets im Spiel zu sein, beschreibt das Hamburger Trio ebenfalls identisch. „Mir hilft es am meisten, wenn ich mit meinen Vorderleuten kommuniziere. Der Redefluss lässt mich in der Konzentration bleiben“, sagt Anton Brinckman, der mit den deutschen Herren im Dezember in Hamburg Vizeweltmeister in der Halle wurde. Mali Wichmann, die beim selben Turnier mit den deutschen Damen Gold gewann, sagt: „Ich rede noch zu wenig, weiß aber, wie wichtig das ist, um im Spielfluss zu bleiben.“ Jimi Lewis war in seiner aktiven Zeit als „dauerquatschender Torhüter“ ein Exot. „Damals war es üblich, dass die Ansagen vom Libero kamen. Heute sind die Torleute diejenigen, die die Abwehr stellen, weil sie das Reden brauchen“, sagt er.
Keinen großen Einfluss auf die Torhüterleistung in der Halle hat dagegen die körperliche Konstitution. „Optimal wäre ein großer, massiver Torhüter, der extrem agil und reaktionsstark ist. Das gibt es in der Natur allerdings kaum“, sagt Jimi Lewis. An Alexander und Brinckman lässt sich exemplarisch ableiten, dass verschiedene Fähigkeiten zum Ziel führen können. Beide gelten als herausragende Hallenspieler. Der schottische Nationaltorwart Alexander macht seine geringe Körperlänge von 1,74 Metern mit hoher Beinagilität und außerordentlich guten Reflexen wett. Brinckman dagegen weiß seine 187 Zentimeter den Gegenspielern mit einer Wucht entgegenzuwerfen, die einschüchtern kann.
Tommy Alexander ist auf seine Reflexe angewiesen
„Anton ist dazu für seine Körpermaße auch ein ziemlich wendiger Torhüter“, sagt Jimi Lewis. „Grundsätzlich denke ich, dass im aktuellen Hallenhockey Größe einen Tick wichtiger ist, weil man damit mehr Fläche abdecken kann. Das Spiel ist so schnell geworden, dass Geschwindigkeit oft kein Faktor mehr ist, weil das Schusstempo so hoch ist.“ Tommy Alexander sieht das ähnlich. „Meine wichtigste Stärke sind meine Reflexe, aber ich muss wegen meiner fehlenden Größe auch viel mehr an Athletik und Geschwindigkeit arbeiten. Ich muss die Bälle aktiv halten, ein großer Torwart wird eher mal angeschossen“, sagt er.
Dabei spiele das Stellungsspiel eine immens wichtige Rolle, sagt Mali Wichmann, mit 1,82 Metern durchaus eine der Großen ihres Fachs. „Wenn man weiß, wo die Gegnerinnen stehen und wie sie abschließen, kann man den entscheidenden Schritt schon machen, bevor der Ball da ist“, sagt sie.
Verändert hat sich das Torwartspiel in der Strafeckenabwehr. Waren die Schlussleute früher die erste Abwehrbastion, weil sie, von Vollmontur geschützt, entweder auf der Linie stehen blieben oder als erster Rausläufer die Schützin oder den Schützen attackierten, ist heute vor allem das Ablaufen gefragt, für das die Abwehrspieler mittlerweile Bein- und Kopfschutz tragen.
Bei Strafecken reagieren die Hockey-Torhüter proaktiv
„Das Wichtigste bei der Eckenabwehr ist, die Schützen vor Herausforderungen zu stellen. Wir wollen proaktiv sein und die Gegnerinnen unter Druck setzen“, sagt Mali Wichmann, die vor den Strafecken die Abwehrvariante ansagt. Tommy Alexander sagt, die Eckenabwehr sei heutzutage „viel mehr Teamwork als früher“. Dennoch hat der Torwart laut Anton Brinckman „noch immer eine hohe Relevanz, er kann dem Schützen die Ausführung so schwer wie möglich machen.“
Die härteste Komponente des Hallenspiels ist für Torhüter der Fakt, dass deutlich mehr Tore fallen als im Feld – was fast zwangsläufig mehr Gegentreffer bedeutet. „Alle Torhüter hassen Gegentore. Aber ich habe gelernt zu akzeptieren, dass in der Halle ein Zu-Null-Spiel kaum möglich und nicht jedes Gegentor ein Fehler meinerseits ist“, sagt Alexander.
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Er versuche, nach jedem Tor des Gegners kurz zu analysieren, was er hätte besser machen können. „Aber in der Halle muss man schnell abhaken können“, sagt er. Schließlich will keine Torhüterin und kein Torhüter als Schießbude im Mittelpunkt stehen.