Hamburg. Von Kodolitsch über ihren Plan für mehr Frauen in Führungspositionen und das Fehlen des Bildungsministeriums beim Bewegungsgipfel.
Bei der Frage nach dem Getränk muss Katharina von Kodolitsch nicht lange überlegen: „Cappuccino“ entscheidet sie mit gewohnter Entschlusskraft. Seit dem 13. November 2021 führt die 52-Jährige als erste Präsidentin den Hamburger Sportbund (HSB), die größte Personalgesellschaft der Stadt mit rund einer halben Million Mitgliedschaften in 800 Vereinen und einem Jahresumsatz von 22 Millionen Euro. Zeit also für ein Gespräch im siebten Stock der Redaktion am Großen Burstah über die ersten gut 13 Monate ihrer Amtszeit.
Von Kodolitsch wirkt entspannt, lacht viel und verbindet ihre optimistische Ausstrahlung mit der Hoffnung, „dass wir nach Corona auch alle Vereine durch die Energiekrise bringen, keiner aufgeben muss. Ich bin mir sicher, wir schaffen das mit dem Dreiklang aus moderaten Beitragserhöhungen, Einsparungen und Hilfen, obwohl das in Einzelfällen eine Herausforderung werden könnte.“
In Zusammenarbeit mit der Stadt hat der Sportbund ein recht differenziertes Hilfsprogramm ausgearbeitet, für das bis zum April 2024 rund neun Millionen Euro an nicht rückzahlbaren staatlichen Zuschüssen abrufbar sind. Seit dem 6. Dezember können die Clubs beim HSB Anträge stellen. 90 haben das bisher getan. 330 Hamburger Vereine unterhalten eigene Anlagen. Sie sind besonders von den Preiserhöhungen betroffen.
Interview mit HSB-Präsidentin von Kodolitsch
Hamburger Abendblatt: Frau von Kodolitsch, Sie hatten nach Ihrer Wahl nicht die besten Startbedingungen. Kontaktbeschränkungen wegen Corona, ein neues Präsidium und ein neuer Vorstand haben Ihnen die Einarbeitung erschwert. Inwieweit verstehen Sie inzwischen den Hamburger Sport und den HSB?
Katharina von Kodolitsch: Ich bin ja eine Quereinsteigerin, hatte zwar Verbandserfahrung im Deutschen Ruderverband gesammelt und im Weltverband als Kommissionsmitglied für Küstenrudern (Coastal Rowing), der HSB ist jedoch noch mal eine ganz andere Herausforderung. Ich führe viele Gespräche, versuche bei möglichst vielen Veranstaltungen und internen Meetings dabei zu sein. Ich tausche mich so oft es geht mit unseren Vorständen Daniel Knoblich und Christian Poon aus, die das operative Geschäft verantworten. Das HSB-Präsidium hat nach der Strukturreform die Rolle des Aufsichtsrats übernommen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich bin immer noch eine Lernende, habe aber, hoffe ich, schon einige Fortschritte gemacht.
Sie sind die erste Frau an der Spitze des HSB. Wie oft werden Sie ein Jahr danach noch darauf angesprochen?
Von Kodolitsch: Das hat sich gelegt. Das war anfangs ein Thema, jetzt ist es keins mehr. Von den 16 Vorsitzenden der deutschen Landessportbünde sind vier Frauen. Auch im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sitzen viele Frauen an maßgeblichen Stellen der Organisation, auch wenn es bisher keine Präsidentin gab.
Von Kodolitsch hat einen Plan für mehr Frauen
Auf Ihrer HSB-Agenda steht, mehr Frauen in Vereinen und Verbänden in Führungspositionen bringen zu wollen. Wo sehen Sie da die größten Probleme?
Von Kodolitsch: Das ist nicht nur das Anliegen des HSB und mein persönliches, auch die Stadt fordert und fördert dies. Wir haben einen Mangel an Ehrenamtlichen. Deshalb wäre es fahrlässig, nicht verstärkt zu versuchen, Frauen für diese wichtige Arbeit zu begeistern. Wie bei der Vereinbarung von Familie und Beruf bleibt offenbar auch die Vereinbarung von Familie und Ehrenamt schwierig; gerade abends, wenn die Kinder bekocht und zu Bett gebracht werden wollen. Ein Ansatz wäre es, Gremiensitzungen zu anderen Zeiten oder stärker digital abzuhalten, was von vielen Organisationen bereits praktiziert wird. Bei der Präsentation von Vereinen würde ich mir wünschen, dass mehr Frauen auf Bildern, Videos und in den sozialen Medien zu sehen sind und damit wahrgenommen werden. Als Sprecherin in der Sprecherinnengruppe der Frauenvertretungen im DOSB für die olympischen Spitzenverbände bin ich zudem bei diesem Thema gefordert. Damit es solche unaussprechlichen Titel nicht mehr geben muss, schon allein deshalb wäre es schön, würden wir dem Gebiet der Gleichstellung und Partizipation weitere Fortschritte erreichen.
Wie viel Zeit nehmen Sie sich für den HSB?
Von Kodolitsch: Im Schnitt sind es vielleicht zwei Tage die Woche. Unser Sohn ist allerdings schon erwachsen.
Kommt Olympia nach Hamburg?
Die DOSB-Mitgliederversammlung hat Anfang Dezember einstimmig beschlossen, im nächsten Jahr die Möglichkeiten einer deutschen Olympiabewerbung auszuloten. Wie steht der HSB dazu?
Von Kodolitsch: Wir begrüßen diese Initiative. Große Sportveranstaltungen schaffen Begeisterung, fördern Begegnungen und Miteinander, kreieren viele positive, emotionale Momente, machen einfach Spaß. Im München schwärmen sie immer noch von European Championships im vergangenen August. Solch ein Multisportevent hätte ich auch gern in Hamburg. Es lohnte sich auch die „Finals“, die deutschen Meisterschaften in zahlreichen Sportarten, in die Stadt zu holen. Hamburg kann solche Events.
Olympia also eher nicht?
Von Kodolitsch: Das ist noch mal eine gewaltig größere Herausforderung. Da muss vieles stimmen, um die Bevölkerung mitzunehmen. Der jetzt beschlossene nachhaltige Ansatz, nur mit bestehenden Stadien und Hallen ins Rennen zu gehen und sich deshalb mit mehreren Städten oder einer ganzen Region zu bewerben, könnte die Akzeptanz entscheidend erhöhen. Die bisher letzte Hamburger Olympiabewerbung ist im November 2015 auch daran gescheitert, weil es bis zur Abstimmung unklar blieb, wer welche Kosten übernimmt. Der Bund hatte sich bis zuletzt dazu nicht geäußert. Das darf sich und wird sich nicht wiederholen.
Für das Internationale Olympische Komitee (IOC) wäre eine Olympiabewerbung für Sommerspiele von mehr als einer Stadt ein Paradigmenwechsel. Warum sollte das IOC Deutschland entgegenkommen?
Von Kodolitsch: Wenn das IOC seine eigene Agenda ernst nimmt, und Nachhaltigkeit steht dort ganz oben drauf, wäre es nur konsequent, neue Wege zu gehen.
Eine WM an den Landungsbrücken?
Der HSB versteht sich vor allem als Breitensport-Organisation. Sie scheinen dagegen viel Spaß an Events und dem Leistungssport zu haben. Wie passt das zusammen?
Von Kodolitsch: Das passt bestens. Die Hamburger Topevents sind immer auch Volksfeste, bieten zahlreiche Möglichkeiten zum Mitmachen, Ausprobieren und zum Austausch mit Spitzensportlerinnen sowie -sportlern. Wer einmal beobachtet hat, wie sich Leistungssportlerinnen und -sportler auf ihre Meisterschaften vorbereiten, mit wie viel Leidenschaft und Intensität, auf den wirkt diese Begeisterung ansteckend. Das sind die Vorbilder, die wir brauchen, von denen wir immer alle reden.
Welche weitere Events wünschten Sie sich für Hamburg?
Von Kodolitsch: Als Ruderin natürlich eine Ruder-Weltmeisterschaft, aber auch Küstenrudern auf der Elbe entlang der Landungsbrücken würde zur Stadt passen. Und wie gesagt Multisport-Events. Da scheint mir der Trend hinzugehen.
Viele Hamburgerinnen und Hamburger können mit der Active-City-Strategie der Stadt immer noch wenig anfangen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Von Kodolitsch: Active City ist ein Prozess. Da ist vieles im Werden. Hamburg aber den Status einer Sportstadt abzusprechen, weil mal Duschen nicht funktionieren oder Hallenzeiten fehlen, was ohne Frage weiter ein großes Problem darstellt, halte ich für zu kurz gesprungen. Was ich sehe und höre, ist, dass der Sport jetzt bei allen Quartiersplanungen mitgedacht wird, dass inzwischen überall Bewegungsräume vorgesehen werden. Neulich war ich bei einer Sitzung, da kam zur Sprache, dass Erdgeschosswohnungen schwer zu vermieten oder zu verkaufen sind. Der Vorschlag vonseiten der Behörden war es dann, die Räume Sportvereinen oder -verbänden zu übergeben. Das ist Active City, dass Sport ressortübergreifend wahrgenommen und berücksichtigt wird.
Wie kommt das Senatsprogramm Active City bei anderen Landessportbünden an?
Von Kodolitsch: Als Vorbild. Gerade bei der Bekämpfung der Folgen von Corona für die Vereine oder jetzt der Energiekrise sind ein Großteil der Hamburger Konzepte übernommen worden oder werden es. Sportsenator Andy Grote genießt einen guten Ruf unter meinen Kolleginnen und Kollegen.
Auch bei Ihnen?
Von Kodolitsch: Ich denke, dass er überzeugt von den Werten des Sports ist und was sie für die Gesellschaft und die Demokratie bedeuten. Natürlich will ein Verband als Interessenvertretung immer noch mehr, noch diese Maßnahme zusätzlich, hier und dort mehr Geld. Das werden wir auch fordern, wir müssen jedoch auch realistisch bleiben. Im Augenblick versuchen wir und die Stadt alles, die Vereine durch die nächste Krise zu bringen. Das ist weiter eine Mammutaufgabe.
HSB-Präsidentin von Kodolitsch über Lauterbach
Sport ressortübergreifend zu denken, war vergangene Woche ein zentrales Thema beim „Bewegungsgipfel“ der Bundesregierung in Berlin. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, „Sport ist das beste Medikament, was wir jemals erfunden haben“. Waren das alles nur schöne Worte oder folgen daraus konkrete Maßnahmen?
Von Kodolitsch: Das bleibt abzuwarten, in erster Linie war es ein wichtiger politischer Schritt. Im Laufe des nächsten Jahres soll es Beschlüsse geben – und hoffentlich entsprechende Mittel, um sie umzusetzen. Wichtig war jedoch der übergreifende Impuls, der von diesem Treffen ausging: Sport als Querschnittsaufgabe zu verstehen, wie das bereits in Hamburg passiert. Übrigens: Vertreterinnen und Vertreter von acht Bundesministerien nahmen an dieser Zusammenkunft teil, das Bildungsministerium aber fehlte. Das kennen wir ja: Wenn Mathematik oder Deutsch ausfallen, machen die Eltern mobil, fällt Sport aus, kümmert das fast niemanden. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden. Die Vorteile von Bewegung für die körperliche und geistige Entwicklung sind seit Langem hinreichend belegt.