Baden-Baden/Hamburg. Der Deutsche Olympische Sportbund spricht sich für eine Austragung aus. Wie ein nachhaltiges Konzept aussehen könnte.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erwägt eine Bewerbung um Olympische und paralympische Winter- oder Sommerspiele. Die DOSB-Mitgliederversammlung beschloss am Sonnabend in Baden-Baden einstimmig, entsprechende Vorbereitungen einzuleiten. Hamburg wäre im positiven Fall, dann wahrscheinlich gemeinsam mit Berlin, einer der möglichen Kandidaten für Sommerspiele 2036 oder 2040.

Neue Pläne für Olympische Spiele sollen 2023 konkretisiert werden

Das nächste Jahr soll dazu genutzt werden, eine im Dezember 2023 anstehende Grundsatzentscheidung vorzubereiten: ob, wann, unter welchen Bedingungen und mit welchen Städten oder Regionen eine neue Kandidatur gestartet werden könnte. Dazu gehöre zuvor ein ergebnisoffener Dialog mit allen Sportverbänden, der Politik, der Zivilgesellschaft, Olympiagegnern – und 2024 ein Bürgervotum nach der Fußball-EM in Deutschland. Arbeitstitel: „Allympics. Für alle. Mit allen.“ 960.000 Euro stehen dafür Kommunikationschef Stephan Brause (47) und seinem Team im nächsten Jahr zur Verfügung.

Eine repräsentative bundesweite Forsa-Umfrage, bei der sich zwei Drittel der Befragten für eine weitere deutsche Olympiabewerbung aussprachen, hatte den DOSB zu diesem Schritt ermutigt.

„Wir als Bund begrüßen und unterstützen diesen Vorstoß ausdrücklich“, sagte Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium (BMI). Sie vertrat in Baden-Baden die verhinderte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Nach dem Zweiten Weltkrieg waren bisher sieben deutsche Olympiakampagnen gescheitert, in Hamburg (2015) und in München (2013) an einem negativen Bürgerentscheid. Einzig München erhielt vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für die Sommerspiele 1972 den Zuschlag.

Dass Deutschland als eine der führenden Wirtschaftsmächte der Welt und der nach den USA und der Sowjetunion/Russland international erfolgreichsten Sportnation seit 1945 bei 43 Entscheidungen über die Austragung Olympischer Winter- und Sommerspiele nur einmal berücksichtigt wurde, könnte auch der kritischen Haltung der Deutschen gegenüber Organisationen wie dem IOC und dem Weltfußballverband Fifa geschuldet sein. „Warum sollten wir Olympia in einem Land veranstalten, in dem wir nicht willkommen sind“, sagte einmal ein prominentes IOC-Mitglied dem Abendblatt.

Olympischer "Gigantismus" soll der Vergangenheit angehören

Der bei vier Enthaltungen einstimmig wiedergewählte DOSB-Präsident Thomas Weikert (61) soll nun in Gesprächen mit dem IOC und dessen deutschem Präsidenten Thomas Bach das zuletzt belastete Verhältnis entspannen. Und er muss am Schweizer IOC-Sitz in Lausanne für ein deutsches Olympiakonzept werben, das dem olympischen Gigantismus abschwört, auf Nachhaltigkeit setzt, das ausschließlich vorhandene, jedoch modernisierte Sportstätten nutzen will. Anders sei in schwierigen Zeiten wie diesen der Bevölkerung eine Olympiabewerbung nicht zu vermitteln, heißt es beim Sportbund.

Weil keine deutsche Kommune eine komplette olympische Infrastruktur mehr vorhält, Berlin besitzt diese zu 73, München zu 67 Prozent, würde der DOSB mehrere Städte gemeinsam oder eine ganze Region wie etwa Nordrhein-Westfalen (NRW) ins Rennen schicken wollen, NRW fehlen indes für die olympischen Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmen große Stadien. Das bedarf beim IOC weiterer Überzeugungsarbeit, da die bisherigen Olympiavergaben stets an einen Hauptaustragungsort gebunden waren. Es wäre ein Paradigmenwechsel.

„Bei Winterspielen wie zuletzt in Peking 2022 gab es bereits Entfernungen von mehreren Hundert Kilometern zwischen den Eis- und Schnee-Austragungsstätten. Die waren länger als die Strecke zwischen Hamburg und Berlin, die von der Bahn weiter ausgebaut wird, womit beide Städte zeitlich noch schneller verbunden wären“, sagt Daniel Knoblich, der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Sportbundes (HSB). Zwei olympische Dörfer in Berlin und in Hamburg wären vorstellbar.

Hamburg ist offen gegenüber einer erneuten Olympia-Bewerbung

Auch Hamburgs Sportsenator Andy Grote (SPD) könnte sich mit einer neuerlichen Bewerbung der Stadt anfreunden, sagte er dem Abendblatt: „Wir begrüßen es, dass der DOSB einen ergebnisoffenen Dialogprozess anstoßen will, der sich mit der Frage einer erneuten Ausrichtung Olympischer und Paralympische Spiele in Deutschland beschäftigt. Grundlage einer neuen Bewerbung muss unter anderem eine breite Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung sein, weshalb insbesondere die übergreifende Nutzung bundesweit vorhandener Sportstätten in die weiteren Überlegungen einbezogen werden sollte.“

Hamburg stehe bereit, sagte Grote, diesen Prozess konstruktiv zu begleiten. „Wir sind überzeugt, dass das unmittelbare, emotionale Erleben von Sportwettkämpfen die Menschen zu Sport und Bewegung animieren kann. Sportgroßveranstaltungen bieten zudem die Chance, Menschen aus unterschiedlichen Ländern willkommen zu heißen und über Sport Begegnungen und Verbindungen zu schaffen.“

Olympia-Bewerbung Hamburgs scheiterte auch an der Kommunikation

Grote und Knoblich sind sich einig, dass die Kommunikationsfehler der vergangenen Kampagne vermieden werden müssen und zuvor klargestellt werden sollte, wer was finanziert, wer welche Risiken trägt.

Hamburgs Bewerbung um die Sommerspiele 2024 und 2028 verfehlte beim Referendum im November 2015 wahrscheinlich auch deshalb um 1,7 Prozent die Zustimmung, weil die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) bis zuletzt eine verbindliche Zusage vermied, welche Kosten sie für eine SPD-geführte Stadt übernehmen wolle. „Es herrscht jetzt Konsens beim DOSB, dass vor einer Bewerbung der Bund eindeutig erklären muss, welche Mittel er bereitstellt“, sagt Knoblich.

Die politische und juristische Bindung des negativen Olympia-Referendums in Hamburg galt nur für die Kampagnen für die Sommerspiele 2024 und 2028, nicht aber grundsätzlich für weitere Bewerbungen – etwa für 2036 oder 2040. Über diese müsste neu abgestimmt werden.

Winterspiele wurden vom IOC bis 2026 (Mailand/Cortina d’Ampezzo) vergeben, Sommerspiele für 2024 (Paris), 2028 (Los Angeles) und 2032 (Brisbane/Australien). Eine Olympiakampagne für 2036 müsste Mitte des Jahres 2025 starten.