Hamburg. Der Hamburger Ruderer ist nach dem Pausenjahr zurück im Leistungssport. Sein voller Fokus gilt Olympia 2024 – dafür trainiert er hart.
Ein nerviges Ziehen im unteren Rücken hat Tim Ole Naske zu Beginn dieser Woche vom Training abgehalten. Nichts Schlimmes, er kennt das schon. Wenn er sich im Kraftraum verhebt, verkrampft schon mal die Muskulatur; zumal dann, wenn sie lange nicht in der Form beansprucht wurde, wie es seit einigen Wochen wieder der Fall ist. Schmerzen sind Teil der Arbeit, und dass die Plackerei, die auf ihn wartet in den kommenden Monaten, hart werden wird, hat er gewusst. Aber genau das ist es, was er will. Schließlich hat er ein Ziel, das er verfolgt, seit er den Weg in den Leistungssport suchte: olympisches Gold. Dafür ist Tim Ole Naske nun zurückgekehrt.
Seit Mitte September ist das Pausenjahr, das der 26 Jahre alte Topathlet der Ruder-Gesellschaft Hansa nach den Sommerspielen im August 2021 in Tokio eingelegt hatte, beendet. Ende des vergangenen Monats holte er in seinem ersten Wettkampf bei den norddeutschen Meisterschaften im Regattazentrum Allermöhe die Titel in allen drei Skull-Bootsklassen – Einer, Doppelzweier, Doppelvierer, dazu kam noch Bronze im Achter. Aber Tim Ole Naske wäre nicht der Vorzeigesportler, der er ist, wenn er damit zufrieden gewesen wäre. „Ich habe gespürt, dass mir die Rennhärte fehlt“, sagt er rückblickend, „es wird wohl noch bis Jahresende dauern, bis ich körperlich wieder auf dem Niveau von Tokio bin.“
Rudern: Tim Ole Naske trainiert weiter regelmäßig
Pausenjahr ist im Leistungssport ein etwas irreführender Begriff. Natürlich kann sich niemand, der zu Olympischen Spielen möchte, zwölf Monate Auszeit von allen körperlichen Aktivitäten gönnen. Auch Tim Ole Naske hat mindestens dreimal pro Woche trainiert, 80 Prozent seiner Einheiten hat er auf dem Rennrad absolviert, je zehn im Boot und im Kraftraum. Aber für einen, der zwei bis drei tägliche Einheiten gewöhnt war, fühlt sich ein solch reduziertes Pensum wie Wellness-Urlaub an. Mit Folgen, die auch Normalsportliche kennen, die in den Ferien faulenzen. „Mein Körperfettanteil ist bei nahezu identischem Gewicht deutlich höher geworden“, sagt Naske, der nun zunächst daran arbeiten muss, Fett wieder in Muskelmasse umzuwandeln.
Dass der Ausstieg aus der Mühle Leistungssport notwendig war, hatte der gebürtige Hamburger schon vor seiner ersten Olympiateilnahme gespürt. Die coronabedingte Verschiebung der Spiele um ein Jahr war mental enorm zehrend. Der enttäuschende achte Rang mit dem Doppelvierer, der 2012 und 2016 Olympiagold gewonnen hatte, tat sein Übriges. „Ich habe gespürt, dass Kopf und Körper die Pause dringend brauchten“, sagt der Sportsoldat. Die frei gewordene Zeit nutzte Naske, um sein Jurastudium voranzutreiben.
„Ich freue mich einfach, wieder beim Team zu sein"
Physisch brachten die Monate fern des Wassers Erholung von über Jahre aufgebauten Abnutzungserscheinungen, mental sorgte der Verzicht dafür, dass die Lust auf die Quälerei, die ihm abhanden gekommen war, wieder groß ist. „Ich freue mich einfach, wieder beim Team zu sein und bin jetzt bereit, meinen Fokus komplett auf die Sommerspiele 2024 in Paris zu legen“, sagt Naske.
Er habe in der gesamten Auszeit nie ernsthaft erwogen, im sportlichen Ruhestand zu bleiben. „Dazu liebe ich das Rudern zu sehr. Mir war immer klar, dass ich zurückkommen werde“, sagt er. Allerdings habe er sich bewusst nur am Rande mit dem sportlichen Abschneiden seiner Teamkollegen beschäftigt. Die Rennergebnisse hat er zwar schon nachgeschaut, auch Nachrichten mit seinen Kameraden ausgetauscht. „Und wenn die Regatten anstanden, war da schon der Impuls, dabei sein zu wollen“, gibt er zu.
Naske will sich zu Querelen nicht äußern
Aber sich rauszuziehen aus dem Umfeld, das sei wichtig gewesen, um Abstand zu gewinnen. Deshalb will er auch die Querelen, die nach dem ernüchternden Abschneiden in Japan, vor allem aber nach den bitteren Ergebnissen bei der Heim-EM in München im August und der WM im September in Racice (Tschechien) im Deutschen Ruder-Verband (DRV) hochkochten, nicht kommentieren.
„Ich habe einiges gehört, aber war nicht selbst dabei, deshalb steht es mir nicht zu, dazu öffentlich eine Meinung zu äußern“, sagt der Mann, der früher selbst mehrfach mit den Verbandsoberen über Kreuz gelegen hatte. Die neue Chef-Bundestrainerin Brigitte Bielig hält Naske immerhin „für die derzeit beste Lösung, ich habe sie als sehr fair erlebt und finde es gut, dass sie sich der Verantwortung stellt.“
Ansprüche auf einen Platz im Doppelvierer stellt Naske noch nicht
Seiner eigenen Verantwortung obliegt es nun, sich wieder ins Team zurückzuarbeiten. Aus dem Tokio-Doppelvierer ist neben ihm noch Max Appel (26/Magdeburg) im A-Kader verblieben. Der Berliner Karl Schulze (34) ist zum Küstenrudern gewechselt, Hans Gruhne (34/Potsdam) hat seine Karriere beendet. Als heiße Kandidaten für die zwei freien Plätze gelten die Frankfurter Marc Weber (25) und Jonas Gelsen (21). Allerdings sieht sich Tim Ole Naske noch längst nicht wieder in der Position, überhaupt Ansprüche auf einen Platz im Skuller-Paradeboot zu erheben. „Es kann sein, dass ich im Frühjahr froh sein muss, es überhaupt ins Team zu schaffen“, sagt er.
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Die Grundlagen dafür, in der Saison 2023 bei der WM in Belgrad (Serbien) die Paris-Qualifikation zu sichern, will er über den Winter legen. Zunächst wird am Stützpunkt in Allermöhe trainiert, Anfang Dezember stehen in Dortmund für den gesamten deutschen A-Kader ein 2000-Meter-Ergometertest und die Sechs-Kilometer-Langstrecke an.
Rudern: Naske will "wieder zu den Schnellsten zählen"
Im Januar und Februar geht es mit dem Nationalteam ins Trainingslager, im März folgt ein individuelles Camp mit seinem Vereinstrainer Stephan Froelke. „Ich will in Deutschland wieder zu den Schnellsten zählen, dafür muss ich akribisch arbeiten“, sagt Tim Ole Naske. Das Ziehen im Rücken wird nicht der letzte Schmerz gewesen sein auf seiner Reise.