Hamburg. „Generationenprojekt“: Der traditionsreiche Verein gestaltet sein Gelände an der Jenischstraße um, die Polofläche wird kleiner.
Donnerstag war das letzte Training auf dem Hockeyplatz am Hemmingstedter Weg. Anschließend gab es Pizza und Bier. Und an diesem Sonnabend um 14 Uhr empfangen die Hockey-Herren des Hamburger Polo Clubs in der Bundesliga dort den Münchner SC. Dann ist Schluss. „Es ist ein seltsames Gefühl“, sagt Trainer Matthias Witthaus, „aber ich freue mich total auf die Zukunft, wenn wir bei uns direkt im Club spielen können.“
Spitzen-Hockey war seit Jahrzehnten bei Polo ausgelagert auf die städtische Sportanlage – ohne Clubhaus, ohne anständige Umkleideräume. Das wird sich ändern. Unter dem Schlagwort „Generationenprojekt“ hat der Verein eine gigantische Umbaumaßnahme begonnen, die sein seit 1906 genutztes, historisches Gelände nachhaltig verändern wird. „Es wird die Belebung unserer Sportfläche bedeuten und neue Möglichkeiten bringen“, sagt Vereinspräsident Thies Algner, „das Gelände wurde bislang zu wenig genutzt.“
Pachtvertrag bereits bis 2071 verlängert
Seit 1928 steht das von Heinrich Amsinck entworfene und denkmalgeschützte Clubhaus an der Jenischstraße. Davor liegt der gigantische Poloplatz. Und vor unserem geistigen Auge sehen wir dort die edlen Ponys mit ihren Reitern im sportlichen Wettstreit, während elegante Damen mit Hut und Sommerkleidern zusehen und Pimms genießen. Eine britisch-noble Sportwelt, die das Image von Reichen und Schönen provoziert, die es aber so nicht mehr gibt.
Stattdessen ist auf einem Teil des Rasenplatzes bereits ein neuer, blauer Hockeyplatz verlegt, der bisher weltweit einzige Kunstrasen auf einem Clubgelände, der CO2-neutral und vollständig recycelbar ist. Zwei weitere Tennisplätze sollen dazukommen und zwei Courts für die neue, angesagte Sportart Padel-Tennis. Am 31. März zum Beginn der Sommersaison soll der Hockeyplatz einschließlich kleiner Tribüne und Drumherum spielbereit sein.
„Die Genehmigungen sind erteilt“, erzählt Algner, „und durch das Zukunftskonzept war es möglich, dass der Pachtvertrag mit der Stadt über das Gelände bereits bis 2071 verlängert wurde.“
Sportlicher Aufschwung zur deutschen Vizemeisterschaft
Rund 1600 Mitglieder hat der Verein, im April hat die große Mehrheit auf einer gut besuchten Versammlung die ambitionierten Pläne beschlossen. Insgesamt soll für das Projekt, zu dem auch die Renovierung des Clubhauses gehört, ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag investiert werden. Finanziert wird das zu großen Teilen durch Spenden solventer Mitglieder und Kredite sowie, wenn nötig, aus Umlagen.
Seit knapp zehn Jahren meint der Club es ernst mit dem Leistungssport im Hockey und Tennis. Davor war es eher ein gesellschaftlich orientierter Verein, dessen Talente irgendwann zu anderen Hamburger Clubs abgewandert sind. Seit Matthias Witthaus, der erfolgreichste deutsche Hockey-Nationalspieler, 2014 als sportlicher Leiter anheuerte, geht es sportlich im Hockey nach oben bis hin zur deutschen Vizemeisterschaft in diesem Jahr. 2018 hatte der Verein die ersten Herren in eine GmbH und Co KG ausgegliedert, um wirtschaftlich die Voraussetzungen für Leistungssport zu schaffen.
"Trauriger Moment für größten Poloclub Deutschlands“
„Wir denken, dass es nötig ist, Vorbilder im eigenen Verein zu haben und damit die Talente zu binden“, sagt Algner. Die Hockeyspieler können nun also bald näher an den Club rücken, sich nach dem Training treffen, von anderen Mitgliedern wahrgenommen werden, Spiele beim Getränk nachbereiten. Wie es sein soll. Ebenso hat der Tennissport eine rasante Entwicklung genommen und viele jugendliche Mitglieder dazugewonnen.
Und die Polospieler, denen fast die Hälfte ihrer angestammten Spielfläche verloren geht? „Der zweitälteste Poloclub Europas wird damit abgeschafft“, heißt es in einem anonymen Protestschreiben, das dem Abendblatt vorliegt: „Ein trauriger Moment für den größten Poloclub Deutschlands.“
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Tatsächlich mussten die Polospieler, deren Vorgänger den Club 1898 gegründet hatten, kräftig schlucken, als sie von den Umbauplänen erfuhren. „Es ist ein harter Schritt für uns“, sagt Polo-Obmann Christopher Winter, „wir verlieren schließlich den letzten innerstädtischen Poloplatz in Deutschland.“ Circa 275 mal 180 Meter misst so ein Feld für ein normales Spiel, in dem sich vier Spieler in jedem Team gegenüberstehen. „Es gibt in Hamburg nur diesen einen Platz für Turniere“, sagt Winter.
Polo bleibt mit neuer Spielform präsent
Aber – tatsächlich wird der Platz kaum genutzt. Das Training findet ohnehin in der Osdorfer Feldmark statt, wo auch die Stallungen für die Pferde sind. Ein nächster turniertauglicher Platz ist in Elmshorn. Circa 80 Mitglieder hat die Poloabteilung, 25 davon sind aktiv. „Inzwischen denke ich, dass dies die beste Entscheidung für den Polosport bei uns ist“, sagt Winter. Eine Polofläche von etwa 120 mal 60 Metern soll auf dem verbliebenen alten Platz entstehen, auf das Gras wird Sand verbracht und der Platz wird mit einer 1,5 Meter hohen Bande eingefasst.
Die recht neue Spielform „Arena-Polo“ kann dann gespielt werden. Mit nur drei Spielern pro Team ist sie schneller, und die Einstiegshürden sind niedriger. „Wir wollen es Downtown-Polo nennen“, sagt Winter, „wir können Neues schaffen, wieder als Erste in Deutschland. Der älteste Mannschaftssport der Welt wird moderner und findet neue Spielformen.“
125-jähriges Jubiläum
Im kommenden Jahr begeht der Club an der Jenischstraße sein 125-jähriges Jubiläum. Das ist ein Grund zu feiern, ohnehin. Wenn alles läuft wie geplant, dann hat die Anlage bis dahin ein neues Gesicht und schaut in die Zukunft statt zurück. Auch das ist ein Grund zu feiern.