Hamburg. Der 24-Jährige ist der namhafteste Zugang der Herren-Bundesliga und möchte den Polo Club variabler machen. Was ihn hier begeistert.
Das Wesen des Spitznamens ist, dass niemand eine Chance hat, sich gegen dessen Verwendung zu wehren. Es gibt kein Amt, auf dem eine Änderung zu erwirken wäre, sondern nur die meist unbarmherzige Gruppe von Menschen, die sich die Koseform ausgedacht hat, um einen bestehenden Namen mehr oder minder kreativ umzugestalten. Wer Niklas Bosserhoff fragt, wie es sich anfühlt, von vielen nur „Boss“ genannt zu werden, der erhält zur Antwort ein säuerlich-gequältes Lächeln, das fast schon alles sagt, was man über den Charakter des 24-Jährigen wissen muss. „Es könnte wohl kaum einen Namen geben, der weniger zu mir passt als der“, sagt er dann.
Man mag das als Understatement empfinden bei einem Mann, der es im Hockey in die deutsche Nationalmannschaft gebracht hat und der am vergangenen Sonnabend in seinem ersten Spiel für den Hamburger Polo Club bereits von seinem Posten in der Außenverteidigung Anweisungen erteilte. Tatsächlich jedoch ist der namhafteste Neuzugang des deutschen Feld-Vizemeisters ein Akteur, dessen Auftreten auf dem Spielfeld sich kaum von dem zurückhaltenden, stets bedacht wirkenden Erscheinungsbild abseits des Platzes unterscheidet.
Hockey: Bosserhoff „extrem wertvoll“
Bosserhoff ist einer, der sich mit seiner Laufstärke sowohl auf der Außenbahn als auch im Mittelfeld das Prädikat „extrem wertvoll“ verdient – und der, so sieht es Polo-Cheftrainer Matthias Witthaus, „mit seiner körperlichen Präsenz und seinem technischen und taktischen Spielverständnis auf seinen Positionen mit das Beste ist, was man in Deutschland so kriegen kann.“
Dass sie ihn überhaupt kriegen konnten, das lag weniger an der Finanzkraft von Polos Geldgebern, wie die ebenfalls an Bosserhoff interessierte Hamburger Konkurrenz mutmaßte. „Da ich als Sportsoldat eine gute finanzielle Absicherung habe, war das Geld nicht der ausschlaggebende Punkt“, sagt der Medizinstudent. Vielmehr habe ihm die Entwicklung des einzigen Herren-Bundesligisten aus dem Hamburger Westen über die vergangenen Jahre – vom Aufstieg 2018 bis zur Finalteilnahme in diesem Frühsommer – imponiert. „Ich sehe hier für die Zukunft das größte Potenzial“, sagt er.
Fokus an der Ruhr liegt auf Jugendarbeit
Dazu komme, dass er bei Uhlenhorst Mülheim, wo er als Fünfjähriger mit dem Hockey begann und bis zum Sommer spielte, ein komplett anderes System gewohnt war. Zum einen, weil an der Ruhr der Fokus auf einer exzellenten Jugendarbeit liegt, dank der immer wieder herausragende Talente den Weg in die Bundesliga und die Nationalmannschaft finden, während bei Polo fast eine komplette Elf allein aus ausländischen Nationalspielern gestellt werden könnte.
Zum anderen, weil Mülheim die Mannschaft in der Bundesliga ist, die den größten Wert auf Ballbesitzhockey legt und die Gegner damit spielerisch müde macht, während Polo aus einer herausragenden Abwehr das wohl beste Umschaltspiel der Liga aufzieht und die Gegner damit überrumpelt.
"Es herrscht eine sehr herzliche Atmosphäre"
„Ich fand es von außen betrachtet sehr spannend, mich mit Polos Herangehensweise zu beschäftigen“, sagt Bosserhoff, der auch nicht verschweigt, dass das Engagement seiner Freundin Lucie Hiepen, die seit vergangenem Jahr bei Polos Zweitligadamen spielt, seine Entscheidung zumindest nicht negativ beeinflusst hat.
Nun, da er seit einigen Wochen interne Einblicke hat, habe ihn am meisten überrascht, „wie sehr die alteingesessenen Mitglieder den neuen Weg des Herrenteams nicht nur mittragen, sondern total unterstützen. Es herrscht eine sehr herzliche Atmosphäre, die mir sehr gut gefällt“, sagt er.
Stellenwert des Hockeysports in Hamburg fasziniert Bosserhoff
Gleiches gelte für das Verhältnis zwischen den vier Hamburger Bundesliga-Rivalen Polo, Club an der Alster, Harvestehuder THC und Uhlenhorster HC. Zwar habe er am vergangenen Wochenende während der 3:7-Niederlage zum Saisonauftakt beim UHC gespürt, welchen Stellenwert die Stadtderbys haben.
„Aber davor und danach gehen alle sehr respektvoll miteinander um, es gibt viele Freundschaften untereinander. Mir gefällt das sehr, auch das war ein Grund, nach Hamburg zu wechseln, weil mich der Stellenwert des Sports in der Stadt fasziniert hat“, sagt der in Boston (USA) geborene Auswahlspieler, der mit der deutschen Nationalmannschaft im Januar die Feld-WM in Indien bestreiten möchte.
Bosserhoff will deutscher Meister werden
Gute Leistungen im Verein sind dafür die Grundlage. Die Polo-untypischen sieben Gegentore beim UHC haben zwar für ein wenig Nachdenklichkeit gesorgt, andererseits glaubt Niklas Bosserhoff, dass diese Partie rückblickend Gold wert sein wird. „Wir haben sofort unsere Baustellen aufgezeigt bekommen, wussten aber auch, dass wir Zeit benötigen, um uns zu finden“, sagt der passionierte Tennisspieler, der in der Fußball-Bundesliga Borussia Dortmund die Daumen drückt. Schließlich müsse der Wandel vom Jäger zum Gejagten zunächst einmal in allen Köpfen verankert werden. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich im ersten Saisonheimspiel am Sonnabend (14 Uhr, Hemmingstedter Weg) gegen Düsseldorf.
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Niklas Bosserhoff ist überzeugt davon, dass der nächste Entwicklungsschritt der sein müsse, mehrere Spielsysteme zu beherrschen, ohne die Polo-Konterspiel-DNA zu verändern. Seine Aufgabe sieht er darin, diesen Schritt zu mehr Komplexität und Variabilität nicht nur zu begleiten, sondern mit den anderen Führungsspielern anzuleiten. „Mein persönliches Ziel ist es, in den kommenden Jahren mit Polo deutscher Meister zu werden“, sagt er deutlich, „das Potenzial dazu haben wir.“
Hockey: Bosserhoff siegte schon mit Mülheim
Auch wenn sein Spitzname mit dann drei Meistertiteln – 2018 und 2019 siegte er mit Mülheim – besser zu ihm passen würde, muss er sich darum die wenigsten Gedanken machen: Bei Polo heißt Niklas Bosserhoff Hoffi oder Niki.