Hamburg. Die deutschen Damen gehen bei der WM an diesem Sonnabend als klarer Favorit in die Viertelfinalqualifikation gegen Südafrika.
Diese Leere! Dieses verdammte Gefühl, mit nichts nach Hause zu kommen und dort angesehen zu werden wie eine Hobbysportlerin, obwohl man doch immerhin ein olympisches Viertelfinale erreicht hatte! Nike Lorenz erinnert sich mit Schrecken an die Zeit nach den Sommerspielen in Tokio im August vergangenen Jahres, als auch sie, wie so viele deutsche Hockeydamen nach der 0:3-Niederlage gegen Argentinien, mit dem Gedanken spielte, den Leistungssport aufzugeben. „Es war schon sehr überwältigend, das erlebt zu haben“, sagt die 25-Jährige.
Ein knappes Jahr später ist die für Rot-Weiß Köln in der Bundesliga engagierte Führungsspielerin zum Glück noch immer Kapitänin der Nationalmannschaft, nachdem sie auf einem Auslandssemester in Nottingham (England) die Freude am Hockey zurückgewann. Sie führt das Team bei der laufenden Feld-WM in den Niederlanden und Spanien an, und die Erinnerung an das verlorene K.-o.-Spiel ist auch nur deshalb wieder präsent, weil sie danach gefragt wurde.
Weltmeisterschaft: Hockeydamen wollen K.-o.-Spiele gewinnen
Grundsätzlich hat der neue Bundestrainer Valentin Altenburg, der zu Jahresbeginn von Xavier Reckinger übernommen hatte, die Maßgabe ausgegeben, Vergangenem wenig Raum zu geben. Seine Prämisse, dass jedes Spiel wie ein leeres Glas sei, das es neu zu befüllen gelte, versteht Nike Lorenz „zu 100 Prozent“, zu einem etwas geringeren Satz teilt sie sie auch. „Individuell ist es natürlich wichtig, dass man aus Erfahrungen lernt“, sagt sie, „aber grundsätzlich fühlt es sich sehr richtig an, dass jeder Anfang ein neuer Versuch ist.“
K.-o.-Spiele gewinnen, so lautet das Mantra der deutschen Hockeydamen für diese WM, und an diesem Sonnabend (17 Uhr/DAZN) wollen sie damit beginnen. In Amstelveen, wo sie die Gruppenphase als Zweite hinter Gastgeber Niederlande abschlossen, geht es gegen Südafrika. Eine Nation, die dem deutschen Hockey seit Langem nahesteht, schließlich absolvieren die Auswahlteams beider Geschlechter ihre Zentrallehrgänge gern am Kap. Die Damen haben im Grootbos-Reservat nahe Stellenbosch einen Wald mit rund 800 Bäumen pflanzen lassen, um ihren durch die im Leistungssport nötigen Flugreisen entstehenden CO2-Fußabdruck zu kompensieren.
„Wir haben sie noch nie richtig abgeschossen"
Sportlich, sagt Nike Lorenz, werde man Südafrika keinesfalls unterschätzen. „Wir haben sie noch nie richtig abgeschossen. Unsere Spielanlage ist überlegen, aber sie stehen defensiv immer gut und versuchen zu kontern, das wird eine Herausforderung“, sagt sie. In Tokio gab es im Gruppenspiel einen 4:1-Sieg, Deutschland ist klarer Favorit, muss das aber auch unter Beweis stellen. Die größte Veränderung im Vergleich zu den Sommerspielen sieht Nike Lorenz darin, „dass wir trotz eines noch engeren Zusammenhalts mehr Wert auf Individualität legen“. Niemand werde in ein Schema gepresst, das es abzuspulen gelte. Jede ist aufgefordert, kreativ zu sein und das eigene Potenzial zu entfalten.
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Bei Nike Lorenz sieht das so aus, dass sie von ihrer Rolle als Defensivchefin in die Position der Spielgestalterin gerutscht ist. Beim 3:0-Sieg gegen Irland zum Vorrundenabschluss überzeugte sie nicht nur als Eckentorschützin, sondern auch als Antreiberin, die mit Alleingängen Lücken riss, aber auch das Zusammenspiel intensivierte. „Mir tut das sehr gut“, sagt sie. Das strukturierte Denken als ihre große Stärke muss sie dennoch nicht unterdrücken. Im Gegenteil, ihr Organisationstalent bleibt weiter genauso gefragt wie ihre körperliche Präsenz in Zweikämpfen.
Weltmeisterschaft: Die Berlinerin hat ein Ziel
Weil die gebürtige Berlinerin auch für ihre klaren Worte bekannt ist, kann es niemanden überraschen, dass sie trotz allen Fokussierens auf den nächsten Schritt auch ein Ziel formuliert, das darüber hinausgeht. „Ich will hier so viele Spiele wie möglich bestreiten“, sagt sie. Werden es noch vier, wäre die Erinnerung an die furchtbare Leere wohl endgültig getilgt.
Viertelfinalqualifikation: Belgien – Chile Sa., 19.30 Uhr; Spanien – Indien So., 18 Uhr; England – Südkorea So., 21.30 Uhr. Direkt im Viertelfinale: Australien, Neuseeland, Argentinien, Niederlande.