Hamburg. Favorit So Moonstruck wurde Dritter. Jockeys des Siegers und des Zweiten nach dem Rennen gesperrt. Fast 400.000 Euro an den Sieger.

Helmut von Finck hatte von der Haupttribüne aus keinen guten Blick auf den Einlauf des 153. Deutschen Galopp-Derbys, und deshalb musste der Besitzer und Züchter Sammarcos wie die 12.500 Zuschauenden auf der Horner Rennbahn minutenlang auf die Auswertung des Zielfotos warten. Die dauerte einige Zeit und steigerte Fincks Nervosität ins Unermessliche, weil die Abstände zwischen den drei erstplatzierten Pferden mit bloßem Auge kaum auszumachen gewesen waren.

Als Bahnsprecher Marvin Schridde schließlich die Spannung auflöste, bekannt gab, „der Derbysieger heißt Sammarco, Zweiter wird Außenseiter Schwarzer Peter“, konnte der 63-Jährige sein Glück kaum begreifen: „Ein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen. 39 Jahre lang habe ich auf diesen Moment gewartet. Es ist unfassbar.“ Dann hob er beide Hände in die Höhe, drückte sie fest zusammen, rief „Sammarco! Wow!“ Seine Ehefrau fiel Hamburgs Bürgermeister Peter Tschen­tscher (SPD), der später mit Ehefrau Eva-Maria die Siegerehrung vornahm, um den Hals, umarmte jeden und jede, die ihr auf dem Absattelplatz gratulieren wollten.

Derby: Fast 400.000 Euro dank Sammarco

Nicht nur für das jüngste Kind des Großgrundbesitzers und Bankiers August von Finck (1898–1980) war der Derbysieg eine Premiere, auch der Kasache Bauyr­zhan Murzabayev (29), dreimal in Folge in Deutschland Champion der Berufsreiter, ritt bei seinem fünften Derbystart erstmals den Gewinner. Von den insgesamt 650.000 Euro Preisgeld in diesem Rennen galoppierte Sammarco 390.000 Euro für das Gestüt Park Wiedingen ein, das bei Soltau im Zentrum der Lüneburger Heide liegt und etwa 80 Hektar groß ist. Für Trainer Peter Schiergen (57) war es dagegen schon der sechste Erfolg im wichtigsten deutschen Galopprennen.

Jockeys des Siegers und des Zweiten nach Rennen gesperrt

Hinter Schwarzer Peter mit Andreas Helfenbein (54) im Sattel wurde, ebenso knapp geschlagen (kurzer Kopf), Totofavorit So Moon­struck Dritter. Für den Hengst hatte Gestüt Schlenderhahn den italienischen Weltklassejockey Lanfranco „Frankie“ Dettori (51) am Sonntag­morgen mit einem Privatjet aus London-Stansted nach Hamburg einfliegen lassen. Mit an Bord saßen drei Kollegen und Hollie Doyle (25), Europas beste Reiterin. Die Engländerin kam mit der mitfavorisierten Stute Wagnis nach suboptimalen Rennlauf jedoch nur als Elfte ins Ziel, auch die Schweizerin Sibylle Vogt (27), zweite Frau im Feld, verpasste es, mit Nerik ins Finish einzugreifen, wurde Fünfte.

Murzabayev und Helfenbein mussten ihren Sieg indes teuer bezahlen, weil sie die Peitsche zu oft eingesetzt hatten: Murzabayev siebenmal, fünfmal sind erlaubt, Helfenbein sechsmal. Der Kasache wurde für 17 Tage gesperrt, Helfenbein für 14. Beide verloren zudem 50 Prozent ihrer Prämie, Murzabayev 9750 Euro, der Kollege 3250. Das entschied die Rennleitung nach Videostudium. Am Rennergebnis änderte die Bestrafung der Jockeys nichts.

Derby startet mit Verspätung: Pferde der Sonne ausgesetzt

Das Derby hatte schon mit einer unerklärlichen Panne begonnen. Die 20 Startboxen passten in ihrer Breite von 25 Metern nicht auf die Bahn, es fehlten gut zwei Meter. „Es ist mir unbegreiflich, wie das passieren konnte“, klagte Hans-Ludolf Matthiessen, der Präsident des Hamburger Renn-Clubs. Es habe eine Probemessung gegeben, da sei alles in Ordnung gewesen. Auf beiden Seiten wurden schließlich die das Geläuf begrenzenden Eisenstangen (Rails) auf einer Länge von fast 100 Metern zurückgesetzt. Pferde und Jockeys mussten bei fast 30 Grad Celsius im Horner Borgen ausharren, bis der Starter das Rennen nach 21 Minuten freigab.

Das alles hatte von Finck längst abgehakt, als er die Geschichte seines Derbysiegers erzählte. Er sollte nach einer Bus-station in Venedig benannt werden. Die Lagunenstadt hatte er früher mit seinem Vater oft besucht. Die Haltestelle heißt jedoch „San Marco“, wie von Finck später feststellte, Sammarco dagegen sei ein guter Rotwein. Der sollte am Abend bei der Siegesfeier kredenzt werden, vorher musste das benachbarte NH-Hotel aber nach einem Feueralarm kurz geräumt werden.

Positive Derby-Bilanz in Hamburg

Trotz all dieser Vorkommnisse zog Renn-Club-Präsident Matthiessen (82) am Abend ein positives Fazit der Rennwoche. Nach zwei Corona-Jahren hatten sich die Publikumsresonanz, 35.000 Zuschauende an den fünf Renntagen, und der Wettumsatz von 2,397 Millionen Euro auf das Niveau des Jahres 2019 eingependelt. „Beide Zahlen lagen damit deutlich über unseren Erwartungen und Planungen“, sagte Matthiessen.

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Auch Michael Vesper (70), Präsident des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen in Köln, würdigte die Stimmung des Derby-Meetings. „Das sind ermutigende Signale der Zuversicht, die von dieser Rennwoche in Horn ausgehen“, sagte der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens. 200 Jahre nach den ersten Rennen im mecklenburgischen Doberan (von 1921 an Bad Doberan) hat der Galopprennsport hierzulande nicht nur mit den Corona-Folgen zu kämpfen, auch mit strukturellen Problemen.

Ob Horn mit gestiegenen Zuschauerzahlen und Wettumsätzen mit zur erhofften Trendwende beitragen wird, müssen die nächsten Monate zeigen. In Hamburg meinte es zumindest das Wetter sehr gut mit den Galoppern. Und mit Torquator Tasso (siehe Artikel unten) befindet sich derzeit im Gestüt Auenquelle im ostwestfälischen Rödinghausen ein Weltstar im deutschen Besitz, der auch außerhalb der Turfszene wahrgenommen wird.