Hamburg. Zwei Deutschrapper steigen beim Universum-Kampfabend in Wilhelmsburg in den Ring. In der überfüllten Halle kommt es zur Eskalation.
Ihren Idolen nacheifern zu wollen, diesen Gedanken nahmen einige Hundert Fans der Deutschrapper Bözemann und Sinan-G am Sonnabendabend in der Wilhelmsburger Edel-optics.de Arena etwas zu genau. Der in Stuttgart lebende Albaner Bözemann und der iranischstämmige Essener Sinan-G waren im Rahmenprogramm eines Kampfabends des Hamburger Profiboxstalls Universum zu einem auf sechs Runden à zwei Minuten angesetzten Kräftemessen in den Ring gestiegen.
Die hitzige Atmosphäre unter den rivalisierenden Fangruppen, die schon in den Tagen zuvor durch gezielte Provokationen aufgebaut worden war, entlud sich schließlich schon während des laufenden Kampfes in verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen.
Universum-Boxabend: Ausschreitungen während YouTuber-Duell
Der am Ring sitzende Livestream-Kommentator Tobias Drews, einer der renommiertesten deutschen Boxexperten, forderte noch während der Übertragung einen Abbruch der Veranstaltung. Auch der Ordnungsdienst, den zu einem Großteil das renommierte Unternehmen Pütz Security aus Kaltenkirchen stellte, hatte große Mühe, die Ordnung wieder herzustellen.
Die Veranstaltung in der offiziell mit 4400 Menschen besetzten, aber völlig überfüllten Arena stand mehrfach vor dem Abbruch, vor der Tür wurde eine Hundertschaft der Polizei in Bereitschaft versetzt. Universum-Chef Ismail Özen-Otto versuchte, über das Saalmikrofon die Ausschreitungen zu beruhigen, was immerhin so weit gelang, dass der nicht vom für den Abend zuständigen Bund Deutscher Berufsboxer sanktionierte Kampf sportlich mit einem K.-o.-Sieg für Sinan-G beendet werden konnte.
Universum versucht, die Schuld von sich zu weisen
Özen-Otto schob die Schuld für das Chaos dem Hallenbetreiber zu. „Die haben den Bestuhlungsplan geändert, ohne uns zu informieren, so dass viele Fans, die Karten gekauft hatten, keinen Sitzplatz hatten und vor der Halle noch viele standen, die nicht eingelassen wurden. Es war eine Frechheit, wir werden nie wieder in dieser Halle veranstalten“, sagte er. Arena-Chef Nico Bein widersprach dieser Darstellung vehement. „Universum ist mit einem Plan in den Verkauf gegangen, den wir nicht freigegeben hatten“, sagte er. Seine Mitarbeitenden hätten vor Ort noch versucht, zusätzliche VIP-Plätze zu schaffen, die verkauft, aber nicht vorgesehen waren.
Pütz Security bestätigte diese Version. Es seien zu viele Tickets verkauft worden, ohne die dazugehörigen Plätze überhaupt anbieten zu können. Die Lage sei für die unbeteiligten Zuschauer und auch für den Sicherheitsdienst brenzlig gewesen, eine mangelhaftere Organisation hätten viele Mitarbeiter noch nie erlebt. „Der Veranstalter hat leider keinen fachkundigen Veranstaltungsleiter stellen können, die Veranstaltungssicherheit wurde nicht in der notwendigen Form ernst genommen“, sagte Nico Bein, der seinerseits eine erneute Zusammenarbeit mit Universum ausschließt. „Ganz bestimmt wird es die nicht noch einmal geben.“
Mehr Schaden als Werbung für den Boxsport?
Tatsächlich gilt es infrage zu stellen, ob der Effekt, den sich Özen-Otto von der Einbindung der publikumsträchtigen YouTube-Stars versprochen hatte, nicht vom Schaden überlagert wird, den Szenen wie die vom Sonnabend für den Boxsport haben. Özen-Otto verwies auf die rund 2,5 Millionen Zugriffe auf den Livestream, die seine Veranstaltung vor allem dank der beiden Gastkämpfe – vor dem Eklat zum Ende des Abends hatten der Hamburger Denizon und der Düsseldorfer Kaan Yavi ein weitgehend faires Duell geführt – bis zum Sonntagnachmittag gehabt habe
Er schränkte allerdings ein: „Natürlich sind die Leute, die provozieren und sich nicht benehmen, nicht das Publikum, das wir haben wollen.“ Dennoch werde er auch künftig YouTube-Stars auf seinen Veranstaltungen einbinden. „Es ist der einzige Weg, Boxen wieder für die Masse interessant zu machen“, glaubt er. Wie viele Fans der umstrittenen YouTuber tatsächlich als neue Boxinteressierte hängen bleiben, muss sich noch zeigen.
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Ach ja, sportlich Hochwertiges gab es auch zu sehen. Der Kasache Zhan Kossobutski (33) ist neuer internationaler Meister des Weltverbands WBC im Schwergewicht. Er besiegte den Franzosen Johann Duhaupas (41) durch Abbruch nach Runde fünf und darf nun hoffen, Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres um die WM kämpfen zu können. Im zweiten Hauptkampf besiegte Leichtgewichtler Dzmitri Asanau (26/Belarus) in seinem dritten Profikampf den erfahrenen Mexikaner Marcos Villasana (31) über acht Runden einstimmig nach Punkten und wies nach, warum Özen-Otto große Stücke auf ihn hält.