Hamburg. Spielvereinigung Groß Flottbek muss Gelände an Forschungszentrum Desy abgeben. Finanzierung des Millionenprojekts bisher nicht gelöst.

Gewerbe, Wohnungsbau, Sport und Natur konkurrieren in Hamburg um die weniger werdenden freien Flächen. Ein bekannter Sündenfall bleibt die HafenCity, in der bis heute kein normgerechtes Fußballspielfeld existiert. In anderen neuen Quartieren wie am Diebsteich, dort soll für Regionalliga-Absteiger Altona 93 ein Fußballstadion entstehen, und der Neuen Mitte Altona wird der Sport inzwischen mitgedacht oder ist wie in Oberbillwerder sogar Ausgangspunkt der Planungen.

Fußballplatz soll aufs Hallendach umziehen

In Bahrenfeld bringen jetzt der Bezirk Altona, die Spielvereinigung Groß Flottbek von 1912 (630 Mitglieder, 400 Fußballspielende) und Christian Okun, Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes, ein innovatives Konzept gegen die Raumnot ins Spiel. Weil das Forschungszentrum Deutsches Elektronen-Synchrotron (Desy) auf Teilflächen des städtischen Sportgeländes Wilhelms­höh den Bau einer Halle plant, könnte der Fußballplatz aufs Dach des Gebäudes ziehen.

Dem Verein bliebe so erspart, ein Teil seines Betriebs auf die Ausweichanlage am Stiefmütterchenweg oder später in die Science City auf der heutigen Trabrennbahn Bahrenfeld weit weg vom Clubzentrum zu verlagern. „Für den Club wäre der Platz auf dem Dach die optimale Lösung. Da ist unsere Heimat“, sagt der Vorsitzende Udo Goldenstein.

Vorbild bleibt der Berliner Bezirksligist Blau-Weiß Friedrichshain

Die Idee ist nicht neu. Vor drei Jahren regte der damalige FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Daniel Oetzel entsprechende Überlegungen an: „Künftig sollten verschiedene Nutzungsmöglichkeiten übereinander errichtet werden.“ Das geschieht zum Teil bereits. Schulsporthallen werden in Hamburg auch zwei- oder dreistöckig geplant und gebaut – wie etwa die doppelgeschossigen Hallen der Stadtteilschule an der Neustädter Straße und des Gymnasiums Hoheluft – oder wandern unter die Erde. Die Handelskammer hatte 2012 vorgeschlagen, auf dem Metro-Markt Altona ein Spielfeld zu errichten, um Platz für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Die Pläne wurden nicht weiter verfolgt.

Vorbild bleibt der Berliner Bezirksligist Blau-Weiß Friedrichshain. Auf dem Dach eines Großmarktes entstand 2006 in der Nähe des Ostbahnhofes in zwölf Metern Höhe ein 8750 Quadratmeter großer Kunststoffrasenplatz mit mobiler Tribüne für 300 Zuschauende. Die Windverhältnisse dort sind gelegentlich gewöhnungsbedürftig. Weder Bäume noch Hauswände bieten Schutz. Wenn es stürmt, gewittert oder friert, ruht aus Sicherheitsgründen der Sportbetrieb.

Desy steht dem Projekt auf der Wilhelms­höh „offen gegenüber“

Desy steht dem Projekt auf der Wilhelms­höh „offen gegenüber“, wie Unternehmenssprecher Dr. Thomas Zoufal sagt, „und würde die Stadt bei der Realisierung unterstützen“. Technisch sei dies machbar. Die Statik der Halle müsste auf die Verwendung abgestimmt, Flucht- und Rettungswege ausgebaut werden. Hinzu kämen Ausgaben für Spielfeld, Ballfangzäune, Aufzüge und Flutlicht. Die Kosten beliefen sich auf drei bis fünf Millionen Euro und müssten von der Stadt übernommen werden. „Dafür könnten rund zehn Millionen für Grunderwerb an anderer Stelle eingespart werden“, sagt Sven Hielscher, Vorsitzender der der CDU-Fraktion in der Altonaer Bezirksversammlung.

Desy plant mit dem Röntgenmikroskop Petra IV den Umbau des 2,3 Kilometer langen Teilchenbeschleunigers Petra III, der 100-mal besser sein wird und entscheidende Entdeckungen bei der Suche nach neuen Materialien und medizinischen Wirkstoffen ermöglicht. Dazu müssen die Komponenten des Petra-IV-Beschleunigers auf Girdern, modulare Tragkonstruktionen für die Beschleunigerkomponenten, auf 30 Mikrometer genau montiert werden. Diese hochpräzise Montage soll in der Halle stattfinden.

Behörden haben Bedenken bei der Realisierung des „Dachprojekts“

Die städtischen Behörden hegen dagegen Bedenken bei der Realisierung des „Dachprojekts“: „Anders als in Berlin liegt das Gelände nicht in einem Gewerbe-, sondern in einem Wohngebiet, was genehmigungsrechtliche Fragen aufwirft. Auch ist die Fläche deutlich kleiner.“ Diesbezügliche Gespräche seien aber nicht abgeschlossen, in Abstimmung mit verschiedenen Ämtern ermittele die Behörde für Standentwicklung und Wohnen gerade den Sportflächenbedarf im Bereich der Science City.

Für Hielscher wiederum ist ein Dach auf der Desy-Halle nicht nur eine charmante Idee, „sondern fast schon ein Muss angesichts von 10.000 erwarteten Neu-Bürgerinnen und Bürgern in diesem Gebiet. Darin sind sich in Altona alle Fraktionen einig. Die Stadt behauptet, den Sport bei der Planung neuer Quartiere mitzudenken. Dann soll sie es bitte auch tun. Und wenn es auf der Ebene keine Flächen mehr gibt, auf den Dächern wären welche vorhanden.“