Frankfurt/Berlin. Mögliche Verbindungen des WM-Gastgebers zu Islamisten sind längst Wahlkampfthema. DFB-Direktorin äußert sich zu Boykott.

In dieser Woche spielen wieder etliche Nationalmannschaften um die Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Das überaus reiche Emirat am Persischen Golf steht seit der Vergabe des Turniers Ende 2010 öffentlich in der Kritik. Längst wird auch in Deutschland ein möglicher WM-Boykott der Nationalmannschaft diskutiert. Im Frühjahr hatte sich etwa der inzwischen zurückgetretene Nationalspieler Toni Kroos erstmals öffentlich kritisch etwa über die Arbeitsbedingungen in dem Emirat geäußert. Zuvor hatten sich unter anderem norwegische Nationalspieler für einen möglichen Boykott starkgemacht.

In dieser Debatte hat sich nun DFB-Direktorin Heike Ullrich nach einer Reise nach Katar allerdings gegen eine Verweigerung der Teilnahme an der Endrunde ausgesprochen. „Es können nur Missstände aufgedeckt und Verbesserungen erreicht werden, wenn die Öffentlichkeit hinschaut. Und das tut sie ganz besonders, weil in Katar im kommenden Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet“, sagte die kommissarische Generalsekretärin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in einem Interview auf der Verbandshomepage (Mittwoch). Sie stellte aber klar, dass Menschen-, Arbeits- und Frauenrechte „nicht verhandelbar“ seien.

Katar-WM: "Lernen, wie Uefa helfen kann"

Katar wird als Ausrichter öffentlich kritisiert – vorrangig wegen der Menschenrechtslage und den Lebensbedingungen für ausländische Arbeiter. Der WM-Gastgeber hatte zuletzt Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International erneut bestritten und auf Reformen sowie Fortschritte bei den Arbeitsbedingungen verwiesen.

Ullrich war mit der einer Arbeitsgruppe der Uefa in Doha. Man wolle lernen, „wie die Uefa und ihre Mitgliedsverbände helfen können, positive Entwicklungen vor Ort zum Beispiel in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte zu stabilisieren und zu fördern“.

WM als Katalysator für Verbesserungen?

Der DFB sei bereits seit einiger Zeit in einem intensiven Austausch mit Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Experten zur Lage in Katar, so Ullrich. „Es ist wichtig, einen möglichst differenzierten und auch sachlichen Blick auf dieses Land zu entwickeln.“ Das Land sei im Wandel, aber: „Es ist noch längst nicht alles gut in Katar, auch das bestätigen die Stakeholder. Man kann sich aber die Frage stellen: Hätte es einige konkrete Verbesserungen in den vergangenen Jahren auch ohne die WM-Vergabe nach Katar gegeben?“

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Die Uefa-Arbeitsgruppe habe Handlungsempfehlungen formuliert. Unter anderem sollen Nationalverbände darauf achten, nur mit Geschäftspartnern Verträge zu schließen, die eine Einhaltung gewisser Mindeststandards an Arbeitsrechten nachweisen.

Katar und die Taliban als Wahlkampfthema

Jüngst stand Katar als Ausrichter der WM 2022 in der Kritik, weil das Emirat angeblich die militant-islamistischen Taliban aktiv im Kampf in Afghanistan unterstützen soll. In Deutschland wurde die Verbindung sogar zum Wahlkampfthema. Dabei steht vor allem eine Behauptung im Raum: Die Taliban betreiben seit Jahren ein Büro in Katar. Das beweist, dass der WM-Gastgeber die Islamisten unterstützt. Dass diese Bewertung falsch ist, offenbart dieser Faktencheck:

Die Taliban unterhalten seit Jahren ihr sogenanntes politisches Büro in der katarischen Hauptstadt Doha. Die Luftwaffe des Golf-Emirats flog kurz nach der Einnahme der Hauptstadt Kabul auch den Vizechef der Taliban und Leiter des politischen Büros, Mullah Abdul Ghani Baradar, zurück nach Afghanistan. In Deutschland wurden danach wieder Rufe nach einem Boykott der WM laut, unter anderem von der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Auch CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Armin Laschet kritisierte den WM-Ausrichter.

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Katar und Taliban: Komplexe Beziehung

Tatsächlich hat Katar ein gutes Verhältnis zu den Islamisten, das sich auch durch die Religion erklären lässt. Beide sind Anhänger des sunnitischen Islam. Die Islam-Lesart der Taliban geht auf die in Indien entstandene Deobandi-Bewegung zurück. Diese wurde über Jahre stark vom saudischen Islam geprägt, dem puritanischen und streng konservativen Wahhabismus, der auch in Katar praktiziert wird.

Bundesaußenminister Heiko Maas am Dienstag in Doha bei einer Pressekonferenz mit dem katarischen Amtskollegen Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani: Die möglichen Verbindungen des WM-Gastgebers zu den Taliban sind längst zu einem Politikum geworden.
Bundesaußenminister Heiko Maas am Dienstag in Doha bei einer Pressekonferenz mit dem katarischen Amtskollegen Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani: Die möglichen Verbindungen des WM-Gastgebers zu den Taliban sind längst zu einem Politikum geworden. © Imago/NurPhoto | Unbekannt

Doch im Detail ist die Beziehung komplexer. Während der ersten Herrschaft der Taliban in Kabul zwischen 1996 und 2001 erkannte Katar diese im Gegensatz zu seinen Golf-Nachbarn Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate (VAE) nicht an. Gleichzeitig behielt das Emirat zu den Taliban aber „freundliche“ Beziehungen, wie es damals hieß.

USA als Treiber des Taliban-Politbüros?

2013 eröffneten die Taliban dann das politische Büro in Doha. Allerdings wird in Katar darauf verwiesen, dass dies auf Wunsch der US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama erfolgt sei. Die Amerikaner hätten damals einen Gesprächsfaden zu den Taliban gesucht, um über einen Gefangenenaustausch zu verhandeln.

Auch später übernahmen die Katarer bei der Kommunikation zwischen Washington und den Taliban eine zentrale Rolle als Vermittler. So war Doha Gastgeber der Friedensgespräche zwischen beiden Seiten, die unter Obamas Nachfolger Donald Trump begannen. Wieder sei Katar einem Wunsch der Amerikaner nachgekommen, heißt es aus Kreisen im Emirat.

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In den vergangenen Tagen flogen die Luftwaffen Katars und der USA nach Angaben aus Doha mehr als 40.000 Zivilisten aus Afghanistan zur katarischen Luftwaffenbasis Al-Udeid. Katar nutzte seine Kontakte zu den Taliban, um die Schutzbedürftigen in Kabul einzusammeln und in einem Konvoi zum Flughafen zu bringen. Darunter waren auch Deutsche.