Frankfurt/Main. Seit Mitte September arbeitet eine Taskforce intensiv an Ansätzen für die Zukunftsgestaltung des Profifußballs. Nun liegt das Ergebnis vor. Jetzt ist es an den Vereinen, die Reformvorschläge umzusetzen.
Mitten in der größten Finanzkrise der Bundesliga-Geschichte hat die Taskforce "Zukunft Profifußball" anspruchsvolle Ziele für das Jahr 2030 ausgerufen und dafür 17 Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
"Mit dem Abschlusspapier machen wir viele zukunftsweisende Reformvorschläge, mit denen einige Schieflagen, die wir in den letzten Jahren im Fußball erleben mussten, ernsthaft in die richtige Richtung bewegt werden können", sagte Grünen-Politiker und Taskforce-Mitglied Cem Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. "Jetzt liegt der Ball für die DFL auf dem Elfmeterpunkt, das Tor muss sie aber selber schießen. Wir feuern an!"
Den sechs Fanvertretern im 37-köpfigen Gremium mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Sport und Zivilgesellschaft gehen die Vorschläge jedoch nicht weit genug. "Die guten - auch kontroversen - Ergebnisse, die wir in der Taskforce erarbeitet haben, werden leider im Endbericht nur teilweise sichtbar", sagte Anna-Maria Hass.
Demnach würden in dem am Mittwoch in Frankfurt vorgestellten Papier wichtige Konkretisierungen fehlen. "Dies betrifft vor allem Maßnahmen zur Integrität des Wettbewerbs, das heißt den wirtschaftlichen (Kern-)Bereich des Fußballs", heißt es in einem Statement der Fans. "Einmal mehr entsteht der Eindruck, dass die handelnden Personen sich dringend notwendigen Reformen verweigern. Wir sehen dies als Rückschlag für alle Fans an - egal ob im Stadion oder vor dem Fernseher."
Dabei hatte Psychologie-Professorin Heidi Möller zu Beginn der Vorstellung des Ergebnisberichts erklärt: "Bitte fangen Sie an, mit mir zu träumen." Angestrebt wird bis 2030 unter anderem eine sportlich erfolgreiche und wirtschaftlich gesunde Bundesliga, in der die Menschenrechte geachtet und geschützt werden, eine stärkere Bindung der Fans an die Vereine - die bis dahin durch Maßnahmen zur Nachhaltigkeit breite Bevölkerungsschichten gewonnen haben - sowie ein professioneller Frauenfußball.
"Der grundsätzliche Ansatz war es, Entwicklungen der Vergangenheit zu diskutieren und zu reflektieren. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, einen breiten und vielstimmigen Diskurs zu initiieren", sagte DFL-Boss Christian Seifert zur Arbeit der Taskforce. "Es ist etwas sehr Besonderes entstanden. Ein solches Format ist meines Wissens nach einzigartig im gesamten Weltsport."
Zu den Handlungsempfehlungen der Taskforce gehören unter anderem ein grundsätzliches Bekenntnis zu Nachhaltigkeit im deutschen Profifußball inklusive der Einrichtung einer entsprechenden Kommission, die zeitnahe Einberufung einer Arbeitsgruppe zur Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität von Profivereinen, die Gründung einer Kommission zur Intensivierung des Dialogs mit unterschiedlichsten Fangruppen, die Förderung von Frauenfußball und Frauen im Fußball, die Deckelung von Spielergehältern und die stärkere Regulierung der Beraterbranche.
"Gemessen werden wir, die DFL und die Clubs, an der Umsetzung. Es ist nun an uns zu überlegen, wie wir diesen wertvollen Prozess in die Zukunft tragen und zum Leben erwecken können", sagte Seifert. Der 51-Jährige warb dabei aber um Geduld. "Die Ideen sind Leitplanken, die es nun gilt, in die Zukunft zu bauen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wir dürfen nicht vergessen, wir sind nach wie vor in einer immensen Krise. Ein Zweitligist, der momentan um den Klassenerhalt kämpft, kann nicht von heute auf morgen 17 Maßnahmen umsetzen."
Das Präsidium der Deutschen Fußball Liga werde sich aber intensiv mit den Handlungsempfehlungen beschäftigen und prüfen, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden sollten. Die finale Entscheidung darüber obliegt den 36 Erst- und Zweitligisten.
Kurzfristig genieße für die Vereine das Überleben in der Corona-Krise höchste Priorität. "Die wirtschaftliche Stabilität in dieser außergewöhnlichen Phase ist von besonderer Bedeutung. Das Thema hat jeder Verein und die DFL auf dem Schirm", sagte Seifert. "Wir werden uns sehr intensiv damit beschäftigen."
Fest steht auch: Der interdisziplinäre Dialog soll in jedem Fall fortgeführt werden. "Wir verstehen den zusammenfassenden Ergebnisbericht nicht als Ende des Austauschs", sagte Seifert, "sondern als Auftakt eines kontinuierlichen Prozesses der Kommunikation mit elementaren Anspruchsgruppen des Profifußballs." Dafür warb auch Bundesligaprofi Andreas Luthe vom 1. FC Union Berlin: "Wir haben den Scheinwerfer auf gewisse Themen ausgerichtet. Wichtig, ist, dass es jetzt weitergeht."
DFL-Geschäftsführer Seifert sprach sich zudem für eine Diskussion über Gehaltsobergrenzen im europäischen Fußball aus. "Das ist echt ein dickes Brett. Es würde sich aber lohnen, darüber nachzudenken. Der gesamte europäische Fußball wird aus dieser Krise massiv wirtschaftlich angeschlagen hervorgehen", sagte er.
Die Frage sei völlig berechtigt, warum es nicht gelungen sei, "in einer boomenden Branche an der größten Ausgabeposition irgendwie eine Lösung zu erzielen, die mit europäischem Recht noch vereinbar wäre". Bei einer Salary Cap, einer in US-Sportarten schon länger üblichen Gehaltsobergrenze, könnten sich für Fußballprofis Einbußen bei den Gehältern ergeben. "Selbst mit einer Salary Cap würde man, glaub ich, immer noch recht gut verdienen", ordnete der Funktionär ein.
Kritisch sieht Seifert in diesen Zeiten Pläne für neue Wettbewerbe. "Wenn ich höre und sehe, welche Summen im Umlauf sind für eine vermeintliche Super League oder auch nicht - dann habe ich ehrlich gesagt nicht den Eindruck, dass das Denken insbesondere in den Fußball-Hochburgen wie Spanien und Italien schon angekommen ist, das muss man ganz klar so benennen", sagte der 51-Jährige. In Deutschland haben sich nach Seiferts Aussage der FC Bayern und Borussia Dortmund klar zur Bundesliga bekannt. "Dieses Bekenntnis werden sie in anderen Ländern vermeintlich suchen."
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