Hamburg. Die Agentur Upsolut Sports will Veranstaltungen mit Zuschauern trotz Corona wieder möglich machen. Pilotprojekt im Dezember geplant.
Es klingt, wenn man die Verordnungen für den neuen „Lockdown light“ im Ohr hat, wie ein verwegener Traum: Mehrere Hundert Athleten und ebenso viele Zuschauer sollen am 12. Dezember in den Hamburger Messehallen zu einer Indoor-Veranstaltung zusammenkommen. Die Aktiven sollen sich im sportlichen Wettkampf messen, die Zusehenden sie anfeuern dürfen. Sie sollen gemeinsam feiern und einen von Corona-Sorgen unbeschwerten Tag erleben können. So, wie es war, bevor das Virus die Welt veränderte. So, wie wir alle es uns zurückwünschen.
Die beiden Männer, die dieses Event planen, sind jedoch keine verwegenen Träumer, sondern verfolgen eine Vision. Moritz Fürste (36) und Christian Toetzke (52) führen gemeinsam die Hamburger Agentur Upsolut Sports. Der zweimalige Hockey-Olympiasieger und der Veranstaltungsprofi hatten vor drei Jahren die Idee, mit dem Fitnesswettkampf Hyrox eine neue Sportart zu erfinden. Das Konzept, bei dem acht verschiedene Workouts im Wechsel mit acht Ein-Kilometer-Läufen auf Zeit absolviert werden müssen, fand in der Fitness- und Crossfitszene großen Anklang, es expandierte in die USA, sogar eine WM gab es.
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Alle Beteiligten werden per Schnellverfahren auf Sars-CoV-2 getestet
Corona jedoch zwang auch die Hyrox-Macher in die Knie. „Seit neun Monaten haben wir quasi Berufsverbot. Weil wir das nicht mehr lange durchhalten, suchen wir seit Monaten nach Lösungen und haben nun bei den zuständigen Stellen, dem Bezirksamt Mitte, dem Sportamt und der Gesundheitsbehörde, ein Konzept eingereicht, mit dem wir glauben, für die gesamte Veranstaltungsbranche eine Blaupause liefern zu können, wie in Zukunft unabhängig vom Infektionsgeschehen Events auch mit Zuschauern wieder möglich werden“, sagt Toetzke. 28 Seiten umfasst dieses Konzept, das, inhaltlich komprimiert, die Schaffung einer sogenannten „Negativblase“ ermöglicht.
Das bedeutet: Alle am Event beteiligten Menschen werden per Schnellverfahren auf Sars-CoV-2 getestet. Jeder Teilnehmer erhält einen festen Termin für seinen Test, wartet in einem dafür eingerichteten Bereich auf sein Ergebnis. Wer negativ ist, wird zugelassen, die positiven Fälle werden herausgefiltert und der vorgeschriebenen Versorgung zugeführt. Genutzt werden soll ein vom koreanischen Weltmarktführer Boditech entwickeltes Antigen-Testverfahren, die „Fluoreszenz-Immunoassay-Analyse“ (FIA), das innerhalb von zwölf Minuten die vorhandene Corona-Viruslast nachweist. Dabei wird jeder Probe ein fluoreszierendes Mittel zugefügt, das am Virus einen kleinen Lichtpunkt erzeugt. Während bei den hierzulande gängigen RDT-Tests diese Lichtpunkte bei Tageslicht identifiziert werden müssen, bietet die FIA-Analyse mittels maschineller Auswertung eine komplette Abdunklung und somit genauere Ergebnisse.
„Ein falsch negatives Ergebnis ist deshalb mathematisch nahezu ausgeschlossen“, sagt Christian Toetzke, der sich seit Monaten intensiv mit der Thematik befasst. Da alle positiven Probanden keinen Zutritt erhalten, sei die so geschaffene Negativblase risikofrei. Dennoch werde man alle Besucher zur Einhaltung aller gültigen AHA-Regeln verpflichten, „weil wir uns unserer Verantwortung für die Außenwirkung der Veranstaltung bewusst sind“, so Fürste.
Nie mehr als 600 Menschen gemeinsam in der Halle
Da die Startzeiten über den gesamten Tag verteilt sind, halten sich nie mehr als 600 Menschen gemeinsam in der 13.000 Quadratmeter großen Halle B 6 auf. Durchgeführt werden die Tests von medizinisch geschultem Personal, die notwendigen Einheiten hat Upsolut Sports bei Boditech reserviert, belastet dadurch keine allgemein notwendigen Kapazitäten. Die Kosten von rund 20 Euro pro Test übernimmt der Veranstalter für die Aktiven, deren Startgebühren nicht erhöht werden sollen. Die Zuschauer müssen selbst zahlen. „Aber dadurch, dass wir zusätzliche Tests durchführen, filtern wir gegebenenfalls Menschen heraus, die positiv sind, aber keine Symptome haben und deshalb nicht aufgefallen wären. Das hilft auch der Allgemeinheit“, sagt Toetzke.
Jonas Schmidt-Chanasit ist Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut und hat sich einen Ruf als anerkannter Corona-Experte erarbeitet. Das Upsolut-Konzept ist dem 41-Jährigen bekannt. „Ich hoffe sehr, dass es genehmigt wird. Wir warten seit Monaten auf so ein Pilotprojekt, weil wir Lösungen brauchen, um in den kommenden Monaten mit dem Virus zu leben. Und dieses Konzept ist sehr interessant, um herauszufinden, ob die Schaffung einer Negativblase funktionieren kann“, sagt er.
Zeitnaher Termin mit den Fachleuten der Gesundheitsbehörde
Die Einhaltung der AHA-Regeln sei wissenschaftlich nicht notwendig, aber angesichts der Infektionslage nachvollziehbar. Das FIA-Testverfahren halte er für „durchaus okay, entscheidend ist, dass die Zeitspanne, in der Getestete verlässlich nicht infektiös sind, begrenzt ist“. Von mindestens drei Stunden könne man ausgehen, andere Mediziner halten sogar bis zu 36 Stunden für unbedenklich. Bewährt sich das Konzept, könne das, glauben Fürste und Toetzke, der Durchbruch für die Veranstaltungsbranche sein. Dann könne man in der ganzen Stadt Testzentren aufbauen, wo Menschen, die eine Veranstaltung besuchen möchten, mittels Schnelltests ihre zeitlich begrenzte „Freigabe“ erwirken könnten. Sollte seitens der Behörden ein anderes Testverfahren gewünscht sein, wäre auch das kein Hindernis.
„Wir hoffen sehr, dass Hamburg bereit ist, diesen Test mit uns durchzuführen. Es wäre auch für die Active City eine riesige Chance, als Vorreiter Sport und Kultur mit einem sicheren Konzept wieder möglich zu machen“, sagt Fürste. Die Gespräche mit den zuständigen Behörden liefen vielversprechend. Sportstaatsrat Christoph Holstein bestätigt dies. „Ich kenne das Konzept und würde mich freuen, wenn es genehmigt wird, allerdings stehen Sicherheit und Gesundheit über allem, und das zu bewerten ist Sache der Fachleute“, sagt er. Mit den Fachleuten der Gesundheitsbehörde haben die Upsolut-Chefs zeitnah einen Termin, in den sie große Hoffnung setzen. „Sollte dieses Konzept keine Genehmigung finden“, sagt Toetzke, „wäre die Konsequenz, dass wir langfristig keine Veranstaltungen planen können und schauen müssen, wie wir das überleben.“