Hamburg. Der ehemalige HSV-Profi spielt 32 Minuten beim 7:1-Sieg seines neuen Oberligaclubs – und hätte sich “fast blamiert“.
Len Aike Strömer sorgte für Heiterkeit. „Ist der Applaus für mich?“, fragte Strömer nach seiner Auswechslung in der 58. Spielminute auf dem Weg zur Auswechselbank die Fankolonie der TuS Dassendorf. Der schelmisch grinsende 29-Jährige wusste sehr wohl, wem die Jubelbekundungen der TuS-Anhänger galten. Soeben hatte für ihn Martin Harnik den Kunstrasenplatz am Kiesbarg betreten. Etwas früher als gedacht. Was trotz Harniks Trainingsrückstandes locker möglich war, da die TuS Dassendorf uneinholbar mit 5:0 beim FC Süderelbe vorne lag.
Viel ist zuletzt über Martin Harnik geschrieben worden. Ein Fußballer mit seiner Vita – unter anderem DFB-Pokalsieger mit Werder Bremen 2009 und 68-maliger Nationalspieler für Österreich – in der Oberliga Hamburg. Ein vergangene Saison an den HSV ausgeliehener Ex-Bundesligaprofi, der mit seinem Schwager und Sturmpartner Mattia Maggio und unter der Führung seines Freundes, früheren Mannschaftskameraden und jetzigen Trainers Jean-Pierre Richter aus Spaß noch kicken will. In Dassendorf, nicht weit entfernt von dem Stadtteil Kirchwerder, in dem er aufwuchs, und dem Verein (SC Vier- und Marschlande), für den er in seiner Jugend spielte.
Was zeigt der Harnik bei seinem Debüt?
Diese Erzählung stillt die Sehnsucht vieler Fans nach großer Fußballromantik im oft abgehoben wirkenden Fußball-Business. Doch obwohl Romantik ein Gegengift sein kann, ist sie nicht alles. Die erste sportliche Begutachtung Harniks stand nun an. Nach knapp zwei Wochen Training und zuvor dreimonatiger Pause stellte sich die Frage: Was zeigt der 33-Jährige bei seinem Debüt?
Nach 32 Minuten Spielzeit standen für Harnik 21 Ballkontakte, sechs gelungene Pässe, zwei Fehlpässe, eine positive Zweikampfbilanz (vier zu drei), ein Stockfehler, ein Foul, eine Abseitsstellung und die Vorbereitung einer Torchance für seinen Schwager Maggio zu Buche, mit dem er vorne eine Doppelspitze bildete. Harniks Antrittsschnelligkeit fiel auf, sein Blick für die richtigen Räume, die den anderen Akteuren auf dem Feld überlegene, elegante Technik. Fürs Pressing reichte seine Kraft noch nicht, folglich hielt er sich hier zurück.
Gesprächsthema waren natürlich Harniks vergebene Torchancen. Bedient von Maggio verlud Harnik allein vor dem Tor Süderelbes Keeper Mauro Paramidani mit einem cleveren flachen Schieber, aber der Ball sprang vom Innenpfosten zurück ins Feld (75.). Vier Minuten vor dem Abpfiff verbaselte Harnik zwei Meter vor dem Tor am zweiten Pfosten einen sicheren Treffer nach Hereingabe von Eyke Kleine, als er die Kugel irgendwie mit diversen Körperteilen am Tor vorbei bugsierte. Danach gewährte er nüchtern einen Einblick in seine Sportlerseele. „Heute habe ich mich fast blamiert. Ich war auch in der Bundesliga ein Spieler, bei dem die Leute ganz genau hingeschaut und sich auch über misslungene Dinge gefreut haben“, sagte Harnik.
Der Hamburger Meistertitel sei „ein schönes Ziel“
Die „Chancentod“-Debatten, die er trotz 66 Erstliga- und 33-Zweitligatreffern während seiner 13-jährigen Profikarriere immer wieder aushalten musste, ließen grüßen. Sachlich ordnete Harnik die vergebenen Möglichkeiten der „fehlenden Praxis“ zu. Es sei für ihn wichtig gewesen, „wieder reinzukommen in den Wettkampfmodus“. Bis auf die vergebenen Chancen sei er mit seiner Leistung „ganz zufrieden“. Der Hamburger Meistertitel sei „ein schönes Ziel“. Er wolle „ohne riesigen Druck“ weitermachen.
Die Chancen dafür stehen sehr gut. Gerade die TuS Dassendorf ist qualitativ so exzellent besetzt, dass die Titelverteidigung selbst ohne Harnik wahrscheinlich wäre. Freund und Trainer Jean-Pierre Richter lobte ihn jedenfalls. „Martin könnte immer noch noch drei Ligen höher spielen. Er ließ immer wieder seine Qualitäten aufblitzen. Wir sind sehr glücklich, dass er jetzt bei uns ist. Das eine oder andere Tor hat er sich eben noch aufbewahrt für die nächsten Spiele“, sagte Richter.
Davon könnte es eine ganze Menge geben. Schließlich soll Harniks Engagement in Dassendorf ja keine Eintagsfliege sein. Die TuS stattete Harnik immerhin mit einem Vertrag bis 2023 aus. Den nächsten richtig großen Applaus auf diesem Weg kann sich Harnik am kommenden Sonnabend beim Spitzenduell gegen Concordia abholen. Wenn er in seinem ersten Heimspiel ins Tor trifft. Das wäre sehr romantisch.
Nachholspiele: Landesliga Hammonia: Harksheide - VfL Pinneberg 7:0, Barmbek-Uhlenhorst II - Hansa 11 0:4; Hansa: Oststeinbek – Condor 0:3, Ohe – Bergstedt 11:0, ASV Hamburg – Altengamme 2:1, Düneberg – SVNA 1:2; Bezirksliga Ost: MSV Hamburg – Wandsetal 3:4; Süd: Teutonia 05 II – Neuland 2:1; West: Elmshorn - Hetlingen 1:1, Quickborn - Komet Blankenese 3:7, Roland Wedel – Eidelstedt 4:3.