Hamburg. Von 2014 bis 2016 startete er für die Türkei. Im vergangenen Jahr war er der stabilste deutsche Athlet. Jetzt will er WM-Gold.
So richtig vorstellbar sei das noch nicht, sagt Jonas Schomburg, ein Triathlon in Hamburg ohne Zuschauer. „Hamburg ist immer der Höhepunkt des Jahres, mit der Wechselzone auf dem Rathausmarkt und dieser unglaublichen Stimmung an der Strecke, die besser ist als bei allen anderen Events. Dass diese Atmosphäre in diesem Jahr wegfällt, wird für uns alle schon komisch sein“, sagt der 26-Jährige. Dennoch überwiege, wenn er an das anstehende Wochenende denke, eine Mischung aus Vorfreude und Erleichterung. „Ich bin froh und dankbar, dass es immerhin die Chance gibt, sich in dieser Saison in einem Wettkampf zu messen. Dafür bin ich natürlich bereit, Kompromisse zu machen.“
Eine Aussage ist das, die selbstverständlich nicht für das sportliche Abschneiden gilt. Wenn die weltbesten Dreikämpfer am Sonnabend und Sonntag unter Ausschluss von Zuschauern im Hamburger Stadtpark Station machen, will Jonas Schomburg um die Medaillen kämpfen. Schließlich geht es sowohl in den Sprintrennen der Elite am 5. September als auch einen Tag später in der Mixed-Staffel um WM-Ehren. Das Aufgebot des deutschen Quartetts am Sonntag besteht aus den jeweils zwei besten Frauen und Männern vom Sonnabend. „Ich hoffe doch sehr, dass ich dazugehören werde“, sagt der Hannoveraner, der angesichts der nationalen Konkurrenz von Justus Nieschlag (28/Hildesheim), Valentin Wernz (25/Tuttlingen), Lasse Lührs (24/Potsdam) und Jonas Breinlinger (26/St. Ingbert) allerdings kein Freiticket erwarten darf. Im vergangenen Jahr musste er Nieschlag und Wernz den Vortritt lassen, die dann Silber holten.
Starker Auftritt als Junior bei einem Europacup in Istanbul
Ginge es indes nach den Leistungen der Vor-Corona-Zeit, dann wäre Schomburg, der seit seinem zehnten Lebensjahr seinem im Triathlon erfolgreichen Vater Arnd nacheifert, wohl gesetzt. In der Saison 2019 war der 1,90-Meter-Mann der stabilste Athlet der Deutschen Triathlon-Union. Beim Testevent in Tokio für die inzwischen auf 2021 verschobenen Olympischen Sommerspiele sicherte er sich Mitte August mit Rang zehn sein Ticket für Japan, sofern er zum Ende des Qualifikationszeitraums im Frühjahr unter den besten 35 des Rankings liegt. „Eine Medaille in Tokio ist das, worauf ich hinarbeite“, sagt er.
Dass er diese für Deutschland holen würde, ist beileibe nicht selbstverständlich. 2014 entschied sich der Sportsoldat aufgrund der Aussichtslosigkeit, es in den deutschen Kader für die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro zu schaffen, für einen Nationenwechsel. Nach einem starken Auftritt als Junior bei einem Europacup in Istanbul 2013 hatte ihn der italienische Coach Andrea Gabba angesprochen, ob Schomburg sich vorstellen könne, für die von ihm trainierten Türken zu starten. Die Türkei stellt Nationalitätenwechslern keine hohen Hürden in den Weg, lediglich ein Jahr müssen Kandidaten übergangsweise unter neutraler Flagge für den Weltverband ITU starten. Jonas Schomburg sagte zu, erhielt 2014 den türkischen Pass, aber behielt seinen deutschen.
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Die Qualifikation für Brasilien verpasste er dennoch knapp, und weil sich anschließend im türkischen Verband die Strukturen änderten, entschied er sich für die Rückkehr. Seit Oktober 2017 ist er wieder für Deutschland startberechtigt – und glücklich, dass er diese Schritte gegangen ist. „Ich habe während der zwei Jahre, die ich für die Türkei gestartet bin, viele Rennerfahrungen gesammelt, kenne jede Triathlonstrecke auf der Welt. Für meine persönliche und sportliche Entwicklung war das wichtig“, sagt er.
Den Blick über den nationalen Tellerrand hinaus hat sich Jonas Schomburg bewahrt. Seit Weihnachten 2018 hat er seinen Lebens- und Trainingsmittelpunkt in Grenoble. In den französischen Alpen übt er mit einem internationalen Team aus Franzosen und Belgiern und perfektioniert seine Spezialdisziplin, das Radfahren. Während des Corona-Lockdowns verließ er das deutlich restriktivere Frankreich allerdings und zog zu seinen Eltern nach Hannover, was den positiven Nebeneffekt hatte, dass er als Olympiakaderathlet durchtrainieren und vor allem seine Schwimmleistungen verbessern konnte. Nach Hamburg kommt er deshalb mit dem Gefühl, „dass ich in Topform bin“. Auch wenn ihm niemand zujubeln darf: Den Saisonhöhepunkt will er genießen.