Hamburg. Der 16 Jahre alte Diskuswerfer der TSG Bergedorf führt in seiner Altersklasse die Weltrangliste an. Sein Ziel ist Olympia 2024.
Er hatte es sofort gespürt: Die Drehung, die schnellen Beine, das alles passte, als Mika Sosna beim Einladungswettkampf in Neubrandenburg seinen Hamburger U-18-Rekord im Diskuswerfen pulverisierte. Bei 55,44 Metern lag die alte Marke, bei 64,05 Metern kam die 1,5 Kilogramm schwere Scheibe jetzt herunter. Und doch: Das Gefühl eines Werfers lässt sich nicht betrügen. „Ich habe auch gespürt, dass ich den Wurf nicht perfekt getroffen habe“, erzählt der 16-Jährige, „der richtige Winkel, der richtige Moment des Abwurfs, da geht es oft nur um Millisekunden. Aber mir war klar, dass es noch deutlich besser geht. Insofern war ich von der Weite sogar etwas enttäuscht.“
Mit der neuen Hamburger Bestleistung gewann Sosna nicht nur den Wettkampf gegen die nationale Konkurrenz, er ist nun mit zweieinhalb Metern Vorsprung auch der Weltranglistenerste in seiner Altersklasse. „Auf jeden Fall will ich in diesem Jahr noch den deutschen U-18-Rekord verbessern“, sagt Sosna. Der liegt bei 65,87 Metern und soll wohl auch nur eine Durchgangsstation sein. „So ein Talent wie Mika hatte ich noch nie“, schwärmt sein Trainer Juri Minor, „ich denke, es kann in dieser Saison bis zu 70 Meter weit gehen.“
Mika Sosna geht es um Perfektion
Minor, ehemaliger Zehnkampfmeister der Sowjetunion, weiß, wovon er spricht. Doch Zahlen sind nur das eine. Worum es Mika Sosna geht, ist Perfektion. „Dieses Gefühl, wenn du den Diskus optimal triffst, wenn er perfekt rauskommt, wenn du beim Loslassen schon weißt, dass er weit fliegen wird, das ist einfach unbeschreiblich“, schwärmt der Schüler der Eliteschule des Sports am Dulsberger Alten Teichweg.
Die Erfolge kommen nicht von ungefähr. Fünf- bis sechsmal pro Woche trainiert der Modellathlet, 100 Kilogramm bei 1,98 Metern Körpergröße, und er ist auch von widrigen Umständen nicht zu erschüttern. „Als die Corona-Pandemie begann, haben wir frühmorgens auf einer großen Wiese im Hamburger Stadtpark trainiert. Da war kein Mensch, das war ideal.“ Übungen mit dem Eigengewicht kamen hinzu. „So 100 Liegestütze hintereinander schaffe ich schon“, sagt Sosna schmunzelnd. Kaum zu glauben, dass die Kraft sein Schwachpunkt sein soll. „Er ist sehr trainingsfleißig, dennoch ist er körperlich noch vergleichsweise schwach, wenn man die Nachwuchswerfer aus Ostdeutschland sieht. Da sind einige richtige Maschinen dabei“, sagt Minor. Das liege daran, dass dort häufig im Alter von zwölf, 13 Jahren mit dem Krafttraining begonnen wird. Sosna hingegen stemmt Eisen erst, seitdem er 15 ist.
Begabung wurde ihm in die Wiege gelegt
An Masse zuzulegen ist nicht leicht. „Ich muss rund 5500 Kalorien am Tag zu mir nehmen“, rechnet Sosna vor, „das sind morgens drei bis vier Brötchen, mittags bis zu 15 Eier und noch mal zwei Brötchen, abends dann etwas Warmes, etwa Nudeln oder Reis mit Hähnchen.“ Doch dafür wurde ihm die Begabung in die Wiege gelegt. Seine Mutter Michaela Sosnova war in ihrer Jugend Diskuswerferin, sein Großvater Vaclav Sosna (72) ist aktuell Seniorenweltmeister.
„Mika ist ein aufstrebendes Talent. Er und sein Umfeld haben bisher extrem gute Arbeit geleistet, sind geerdet geblieben“, sagt Hamburgs neuer Leichtathletik-Landestrainer Sebastian Bayer (33), der dreimalige Weitsprung-Europameister. „Die Post geht jedoch erst im Männerbereich ab. Es ist eine große Umstellung, vor allem technisch, wenn der Diskus schwerer wird.“ Im nächsten Jahr, Sosna wechselt dann in die U 20, wiegt die Scheibe 1,75 Kilogramm, in der U 23 wie im Erwachsenenbereich zwei Kilo.
Heroen der Vergangenheit wie Rolf Danneberg (Olympiasieger 1984), Jürgen Schult (Olympiasieger 1988) oder Lars Riedel (Olympiasieger 1996) sind dem 16-Jährigen genauso geläufig wie die Brüder Robert und Christoph Harting, die 2012 und 2016 Olympia-Gold gewannen. „Es wäre schön, wenn es schon mit den Olympischen Spielen 2024 in Paris klappt, aber die Spiele 2028 in Los Angeles sind auf jeden Fall ein ganz großes Ziel“, sagt Mika Sosna. Sein Coach traut ihm das zu. „Paris 2024? Warum nicht!“