New York. Noch ein Grand-Slam-Titel, dann hat Rafael Nadal den Schweizer Roger Federer eingeholt. Ein großer Ansporn – eigentlich.
Rafael Nadal vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte. Als auf dem großen Videowürfel im Arthur Ashe Stadium die Bilder von seinen bislang 19 Grand-Slam-Siegen gezeigt wurden, konnte der spanische Tennis-Star seine Tränen nicht mehr unterdrücken.
Auf einem Stuhl auf dem abgedunkelten Centre Court sitzend verfolgte er bewegt die Szenen seiner Triumphe von 2005 bis heute. "Ich versuche eigentlich immer, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Aber in diesem Moment war es unmöglich. Das war unvergesslich", sagte Nadal.
Zuvor hatte er in einem hochklassigen und dramatischen Finale der US Open den Russen Daniil Medwedew in 4:51 Stunden mit 7:5, 6:3, 5:7, 4:6, 6:4 besiegt und damit seinen 19. Grand-Slam-Titel gefeiert. Nur der Schweizer Roger Federer hat bislang einmal mehr bei einem der vier wichtigsten Turniere der Welt gewonnen, Novak Djokovic lauert mit 16 Titeln knapp dahinter.
Drittlängstes Finale der US-Open-Geschichte
Doch von der Jagd nach Rekorden wollte Nadal nach diesem epischen Endspiel im drittlängsten Finale in der Geschichte des Klassikers von Flushing Meadows nichts wissen. "Daran denke ich überhaupt nicht. Ich stehe dafür nicht jeden Tag auf dem Trainingsplatz, spiele deswegen nicht Tennis. Ich spiele Tennis, weil ich es liebe", sagte der 33 Jahre alte Mallorquiner.
Wie sehr, das bekamen die 23 771 Zuschauer im Stadion und die Millionen Fans vor den Bildschirmen in New York wieder zu sehen. Mit dem 23 Jahre jungen und nach einer beeindruckenden Siegesserie in diesem Sommer extrem selbstbewussten Medwedew stand Nadal im Finale einer der unbequemsten und gefährlichsten Gegner gegenüber. Der Russe gehört jener Gruppe von aufstrebenden Spielern an, die von der ATP so gerne als Next Generation vermarktet wird.
Medwedew, Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas - sie sollen bald die drei großen Superstars Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic ablösen. So sieht es zumindest der Plan der Bosse der Herren-Tour vor. Doch die großen Drei haben noch zu viel Spaß an dem, was sie tun, treiben sich gegenseitig immer wieder zu Höchstleistungen an. "Diese drei, das sind Legenden", sagte Medwedew ehrfürchtig. "Es ist so verdammt schwer, sie zu schlagen, sogar einfach nur einen Satz, manchmal sogar einfach nur ein Spiel gegen sie zu gewinnen."
Djokovic, Nadal und Federer dominieren die Weltspitze
Die letzten zwölf Grand-Slam-Turniere hieß der Sieger immer entweder Djokovic, Nadal oder Federer. Drei lange Jahre konnte niemand in diese Phalanx einbrechen. Der letzte Champion, der nicht aus dem Kreis der großen Drei kam, war der Schweizer Stan Wawrinka bei den US Open 2016.
Am Sonntag hätte er fast Medwedew geheißen. Denn nachdem Nadal zweineinhalb Sätze lang relativ unspektakulär auf seinen vierten Triumph bei den US Open zusteuerte, begann der Russe plötzlich Alles oder Nichts zu spielen. "Im dritten Satz habe ich mir schon Gedanken gemacht, was ich gleich bei der Siegerehrung als Verlierer so sage", sagte Medwedew nach der Partie. "Aber die Fans haben mich so laut unterstützt, dass ich einfach weiter um jeden Punkt gekämpft habe."
Wie aus dem Nichts holte sich Medwedew den dritten Durchgang und zwang Nadal dann sogar in den Entscheidungssatz. Die Fans tobten, Nadal wackelte. Mehrere Strafen wegen Zeitspiels musste der Spanier hinnehmen, doch genau daraus zog er wieder Energie für die Wende. Mit dem dritten Matchball machte er alles klar und ließ sich dann völlig erschöpft auf den Boden fallen.
Medwedew vermisst eigene Highlights
Noch einmal hatte er den Ansturm eines der jungen Wilden abgewehrt. "Ich fühle mich geehrt, Teil dieser Schlacht gewesen zu sein", sagte Nadal. Bei den Damen hatte am Samstag die 19 Jahre alte Kanadierin Bianca Andreescu gegen die 37 Jahre alte Serena Williams gewonnen. Andreescu ist die erste in diesem Jahrtausend geborene Spielerin, die ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Bei den Männern muss die Wachablösung dagegen noch ein bisschen warten.
Was den Planern der Siegerehrung in New York sicher ganz recht war, wie auch Medwedew vermutete. "Als ich die Bilder von Rafas 19 Grand-Slam-Titeln auf dem großen Videowürfel gesehen habe, habe ich gedacht: Wenn ich gewonnen hätte, was hätten sie dann gezeigt?", fragte der Russe. Spielt er so weiter, wird es in der Zukunft aber auch genügend Material für Highlight-Clips über ihn geben. "Ihm gehört die Zukunft. Ich bin mir sicher, dass er die Chance hat, einige Grand Slams zu gewinnen", sagte Nadal.