Hamburg. Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl über das Turnier in Hamburg, die neue Qualität der Nationalmannschaft und Justus Hollatz.

Am Dienstag traf die deutsche Basketball-Nationalmannschaft in Hamburg ein, wo sie in der Wilhelmsburger edel-optics.de-Arena von Freitag bis zum Sonntag gegen Ungarn, Tschechien und Polen um den Supercup wirft. Am Abend folgte das erste Training in der Heimspielhalle der Towers mit NBA-Star Dennis Schröder (25/Oklahoma City Thunder), der aus den USA eingeflogen ist und jetzt in die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in China (30. August bis 15. September) einsteigt.

Bundestrainer Henrik Rödl (50), seit 2017 im Amt, sieht viel Potenzial in seinem jungen WM-Kader, alle Spieler sind unter 30 Jahre alt, glaubt, dass die Nationalmannschaft, „vielleicht die bisher beste deutsche Auswahl“, in den nächsten vier Jahren eine große Zukunft vor sich hat. In China werden neben dem WM-Titel sieben Olympiatickets für Tokio 2020 vergeben.

Um sich zu qualifizieren, müssen die Deutschen bei der WM zu den zwei besten unter den zwölf europäischen Teams gehören, also mindestens das Viertelfinale erreichen. Im Juli 2020 werden bei vier weiteren Turnieren die letzten vier Olympiaplätze ausgespielt. In der WM-Vorrunde trifft Deutschland in Gruppe G in Shenzhen auf Mitfavorit Frankreich und die Außenseiter Jordanien und Dominikanische Republik. Der Gruppenerste und -zweite kommen eine Runde weiter.

Hamburger Abendblatt: Herr Rödl, was dürfen die Hamburger Zuschauer beim Supercup erwarten?

Henrik Rödl: Attraktiven Basketball mit interessanten Teams. Polen und Tschechien haben sich wie wir für die Weltmeisterschaft in China qualifiziert, die Ungarn sind nur knapp in der zweiten Runde gescheitert. Von unserer Mannschaft erwarte ich den nächsten spielerischen Schritt in der WM-Vorbereitung und die Einbindung unseres Spielmachers Dennis Schröder in unsere Systeme. Dennis ist ja erst am Dienstag zu uns gestoßen, was so abgesprochen war.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Turnier?

Rödl: In Hamburg haben wir uns immer sehr wohlgefühlt, das ist schon mal eine gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Abschneiden. Der Supercup ist mit drei Spielen in drei Tagen ein Härtetest und ein Schlüsselturnier unserer WM-Vorbereitung. Am Sonntagabend wissen wir hoffentlich, was schon funktioniert und woran wir in den nächsten knapp zwei Wochen noch zu arbeiten haben.

Das heißt: Testen ist Ihnen wichtiger als Siegen?

Rödl: Der Supercup ist ein klassisches Vorbereitungsturnier, da geht es natürlich auch darum, Systeme, Formationen und Reaktionen in Stresssituationen auszuprobieren. Da unterscheiden wir uns nicht von den drei anderen Teams. Aber Gewinnen will auch gelernt sein, das müssen wir ebenfalls üben, gerade gegen Mannschaften dieser Qualität.

Fünf NBA-Profis stehen in Ihrem vorläufigen WM-Kader, so viele wie noch nie. Wie schwer wird es für Sie, die europäische und die amerikanische Basketball-Kultur zu vereinen?

Rödl: Darin sehe ich keine große Herausforderung. Unsere NBA-Spieler sind mit dem deutschen und europäischen Basketball aufgewachsen, sie kennen unsere Philosophie und sind aufgrund ihrer sportlichen Klasse ohnehin in der Lage, sich wechselnden Anforderungen schnell und problemlos anzupassen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihres Spielmachers Dennis Schröder, dem in seinen Anfangsjahren in der Nationalmannschaft gelegentlich zu viel Eigensinn vorgehalten wurde?

Rödl: Jeder Trainer darf sich glücklich schätzen, einen Dennis Schröder in seinen Reihen zu haben. Auf seiner Position gehört er zu den Besten der Welt. Er ist in der Nationalmannschaft zu einem Leader herangewachsen, der es versteht, seine Nebenspieler besser zu machen. Mit ihm können wir uns höhere Ziele stecken, schon jetzt, aber vor allem in den nächsten Jahren.

Sie betonen gern, welch positive Entwicklung der deutsche Basketball in den vergangenen Jahren genommen hat, dass die Bundesligavereine sehr gute Nachwuchsarbeit leisten. Zwei dritte Plätze in Folge bei der U-20-EM scheinen das zu dokumentieren. Existieren inzwischen aber auch die nötigen Strukturen, damit aus den Talenten gestandene Nationalspieler werden?

Rödl: Die Basketball-Bundesliga (BBL) gehört heute zu den Topligen Europas, sportlich, wirtschaftlich, vor allem aber von ihrer Infrastruktur her. Gespielt wird in modernen Arenen, die Trainingsbedingungen sind hervorragend, weil die BBL über Jahre hohe Standards gesetzt hat und konsequent auf deren Einhaltung achtet. Die Voraussetzung für die Entwicklung junger Spieler ist gegeben, weil in jeder Begegnung mindestens sechs Deutsche im Kader stehen müssen. Das hat sich bewährt. Wahrscheinlich kann man in Spanien, der Türkei, in Griechenland und Italien in einigen Clubs weit mehr verdienen, aber auch in der Bundesliga werden längst sehr gute Gehälter gezahlt – und niemand muss hier fürchten, dass er sein Geld nicht erhält.

Der Weg in die Nationalmannschaft muss also nicht mehr übers Ausland führen?

Rödl: Es schadet sicherlich niemandem, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Wie gesagt: Inzwischen ist die BBL eine Topadresse.

In der WM-Qualifikation haben Sie 27 Spieler eingesetzt, weil weder die Vereine der NBA noch die der privatwirtschaftlich organisierten EuroLeague ihre Spieler für die Nationalmannschaft freistellen. Für wie schädlich halten Sie diese Situation?

Rödl: Es sollte allen Verbänden, Vereinen und Organisationen daran gelegen sein, die Einheit der Basketball-Welt wieder herzustellen. Das hilft unserem Sport, daran muss gearbeitet werden. Den Spielern und mir hat die WM-Qualifikation dennoch viel Spaß gemacht. Und dass wir uns sehr früh qualifiziert haben, zeigt, welche Tiefe wir inzwischen in unserer Nationalmannschaft haben.

Blicken wir noch kurz nach Hamburg. Welchen Spielern der Towers trauen Sie den Sprung in die Nationalmannschaft zu?

Rödl: Justus Hollatz gehört zum Kader unserer U-18-Nationalmannschaft, seine Entwicklung verfolge ich mit Spannung. Mit dem Aufstieg der Towers ist Hamburg für Talente ein hochinteressanter Standort geworden, gerade wenn man weiß, dass Trainer Mike Taylor gern junge deutsche Spieler fördert, wie man am Beispiel Justus Hollatz bestens sieht.